China: Aussenhandel im Mai schwach – Inflation geht zurück
Containerhafen Hongkong.
Peking – Strengere Finanzkontrollen und eine schwache weltweite Nachfrage haben Chinas Aussenhandel im Mai unerwartet stark belastet. Im Jahresvergleich legte der gesamte Aussenhandel um 0,4 Prozent zu, wie die Zollverwaltung am Samstag in Peking mitteilte. Im April war der Handel im Vergleich zum Vorjahr noch um 15,7 Prozent gewachsen, wobei diese Zahlen Expertenangaben zufolge aber durch Finanztricks aufgebläht worden waren. Die Exporte legten um ein Prozent zu. Das war der niedrigste Wert seit fast einem Jahr und weniger als Experten berichtet hatten. Die Importe schrumpften sogar überraschend. Zudem ging die Inflationsrate im Mai weiter zurück und fiel geringer als von Experten erwartet aus.
«In den Daten für Mai schlagen sich die strengeren Regeln gegen das sogenannte «heisse Kapitel» nieder», sagte Ökonomin Chang Jian von Barclays Capital der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Seit Wochen gab es Spekulationen, dass vor allem das Exportvolumen künstlich aufgebläht wurde, um «heisses Kapital» ins Land zu holen. Damit ist gemeint, dass Investoren über künstlich erhöhte Preise für Exportgüter Kapital in das Land bringen, um dort eine höhere Rendite als in den westlichen Staaten zu erzielen.
Mit überhöhten Preisen Investitionsschranken umgangen
Mit diesem Schritt sollen die strengen Kapitaleinfuhrkontrollen Chinas sowie die Auflagen bei direkten Investitionen umgangen werden. Ein Finanzexperte beschreibt das System: «Internationale Investoren sind auf der Suche nach lukrativen Anlagemöglichkeiten, aber die strengen Regeln lassen ein direktes Engagement in China nicht einfach zu.» Wegen der lockeren Geldpolitik in den USA und Europa sowie der allgemein erwartete Wertsteigerung des chinesischen Yuan sei das Interesse an China besonders hoch.
Um die Schranken zu umgehen, würde daher für Produkte oder Dienstleistungen von Mittelsfirmen in China mehr Geld als üblich bezahlt, erklärt der Fachmann. Die Differenz könnte dann innerhalb Chinas investiert werden. Die gezinkten Zahlen blähten jedoch Chinas Aussenhandel künstlich auf. Chinas Aufsichtsbehörden hatten strengere Kontrollen des Handels angekündigt. Damit könnten sie die dubiosen Geschäfte im Mai eingedämmt haben.
Handel mit EU deutlich zurückgegangen
«Die Zahlen zeigen die wirkliche Situation des chinesischen Exports», sagte Shen Jianguang, der asiatische Chefvolkswirt der japanischen Bank Mizuho der Nachrichtenagentur Bloomberg. Die Lage sei wegen der schwachen externen Nachfrage und der zuletzt deutlichen Aufwertung des Yuan trüb. Analysten rechnen damit, dass die Aussenhandelszahlen in den kommenden Monaten eher schwach ausfallen werden.
Inwieweit der drohende Handelskrieg zwischen Europa und China die Mai-Zahlen schon belastet haben könnte, ist offen. In den ersten fünf Monaten ging der bilaterale Handel zwischen China und der Europäischen Union laut Zollstatistik um 2,8 Prozent zurück. Im gleichen Zeitraum wuchs der Handel mit den USA um 6,9 Prozent. Die EU-Kommission hatte Anfang Juni Strafzölle für chinesische Solarmodule angekündigt. Zuvor war bereits seit einiger Zeit über diesen Schritt spekuliert worden.
BDI sieht bei Handelskrieg viele Arbeitsplätze in Gefahr
China hatte prompt reagiert und Strafzölle auf europäische Weine angedroht. Auch aus der Autobranche, die vom aufstrebenden chinesischen Markt stark profitiert, war von Befürchtungen zu hören, es könne zu Sanktionen Chinas kommen. Viele EU-Staaten darunter auch Deutschland sind gegen die Strafzölle. Hierzulande fürchtet vor allem die Industrie um einen gut laufenden Absatzmarkt. Am Wochenende warnte BDI-Präsident Ulrich Grillo erneut vor den Folgen eines Handelskriegs mit China.
«An unseren Exporten nach China hängen allein in Deutschland eine Million Arbeitsplätze», sagte Grillo im Gespräch mit dem Magazin «Focus». «Wenn sich der Streit weiter aufschaukelt, sind diese Jobs in Gefahr», fügte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) hinzu. «Wir schneiden uns ins eigene Fleisch.» Der Unternehmer plädierte für eine «verbale Abrüstung». «Zum Glück sind die Zölle nur vorläufig», sagte er. «Ich habe die Hoffnung, dass sich in Gesprächen zwischen Brüssel und China Lösungen finden lassen.»
Teuerungsraten gehen zurück
Der Rückgang bei den Importen könnte aber auch auf die schwache Inlandsnachfrage in China zurückzuführen sein. Ein Indikator dafür war der Rückgang bei den Teuerungsraten. Der Verbraucherpreisindex legte im Mai nur noch um 2,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu – nach 2,4 Prozent im April. Im Februar hatte die Inflationsrate sogar noch bei 3,2 Prozent gelegen. Der Erzeugerpreisindex, der auf künftige Preissteigerungen schliessen lässt, fiel im Mai im Jahresvergleich sogar um 2,9 Prozent. Beide Werte fielen damit geringer aus als von Analysten erwartet. Volkswirte werteten das als Signal, dass die Binnennachfrage relativ schwach ist. (awp/mc/ps)