Martin Strobel, CEO Baloise Group
Martin Strobel, CEO Baloise Group. (Foto: Baloise Group)
von Bob Buchheit
Moneycab: Herr Strobel, beim letzten Interview sprachen Sie die von vielen Versicherern als Ziel angestrebte Eigenkapitalrendite von 15 Prozent an, aber in den nächsten Jahren rechnen sie jetzt nur mit 8-12 Prozent. Für wann kommt die Vision 15 zurück?
Martin Strobel: Unsere Ambition ist es, einen RoE zwischen 10-12% zu erwirtschaften. Im heutigen Tiefzinsumfeld haben wir das Ziel auf eine Bandbreite von 8-12% angepasst, nicht zuletzt auch deswegen, weil unser Eigenkapital stark gestiegen ist. Es ist schwer zu sagen, wann sich das Tiefzinsumfeld wieder normalisieren wird. Wir gehen davon aus, dass es mittelfristig bei den tiefen Zinsen bleibt.
Bei Anlagekapitalrenditen von wenigen Prozentpunkten und Schaden/Kostenquoten deutlich über 90 Prozent lassen sich zweistellige Eigenkapitalrenditen doch nur über einen Kapitalhebel generieren, oder täusche ich mich da?
Unser Fokus liegt ganz klar auf der operativen Ertragskraft. Hier haben wir z.B. in unserem Nichtleben-Geschäft mit einer Combined Ratio von rund 94% in 2012 wiederum ein sehr gutes Ergebnis erzielen können. Diese hohe operative Ertragskraft übersetzt sich in gute Gewinne und stabile, nachhaltige Cash Flows. Die Verzinsung des Eigenkapitals – und auch die starke Dividende übrigens – kommen somit aus dem operativen Geschäft. Unsere Bilanz ist auf Stabilität und Solidität ausgerichtet, wir sind sehr konservativ finanziert. Mit einer Solvaquote von 277% per Ende 2012 sind wir hier bestens aufgestellt. Wir setzen in diesem Sinne auf nachhaltige Stärke und nicht auf Kapitalhebel.
«Unsere Bilanz ist auf Stabilität und Solidität ausgerichtet, wir sind sehr konservativ finanziert. Mit einer Solvaquote von 277% per Ende 2012 sind wir hier bestens aufgestellt.»
Martin Strobel, CEO Baloise Group
Die Baloise hat ja als Versicherung auch noch eine Bank, die SoBa. Das Volumen, das der Aussendienst der Baloise Bank SoBa bringt, konnte um 9.3 Prozent gesteigert werden. Straft dieses Ergebnis all diejenigen Lügen, die behaupten, dass das Allfinanzkonzept ausgedient hat?
Wir sind sehr zufrieden mit unserem gemeinsamen Geschäftsmodell aus Versicherung und Bank. Wir können unseren Kunden seit mehr als 10 Jahren Versicherungs- und Banklösungen aus einer Hand anbieten. Wenn Sie etwa ein Haus bauen wollen, können wir Ihnen abgestimmte Gesamtpakete aus Hypothek und Versicherungsschutz offerieren. Dieses Modell ist in der Tat einzigartig in der Schweiz und es freut uns sehr, dass es bei unseren Kunden so gut ankommt.
Im letzten Geschäftsjahr hat sich die Zahl der Vermögensverwaltungsmandate, die der Baloise Bank SoBa anvertraut wurden, fast um ein Drittel erhöht. Ist das ein Zeichen der Unsicherheit bei den Anlegern?
Wir setzen auf kundenorientierte Innovation. Gemeinsam mit Prof. Hens von der Uni Zürich haben wir ein Beratungswerkzeug entwickelt, das auf den Erkenntnissen der sogenannten Behavioral Finance aufsetzt. Unseren Kunden wird im Beratungsgespräch deutlich, welche Fehler ihnen typischerweise im Anlageprozess unterlaufen. Zum Beispiel zu viel oder zu wenig Risikonahme. Auf Basis der Erkenntnisse erarbeiten wir dann eine Anlagestrategie, die diese Fehler vermeidet. Das überzeugt unsere Kunden so sehr, dass es in vielen Fällen zum Abschluss eines Vermögensverwaltungsmandates kommt. Wir bieten dieses Beratungsprinzip übrigens nicht nur für die Vermögensverwaltung, sondern auch für unsere Vorsorgelösungen an.
Mit einer Solvenz von 277 Prozent gehören sie ja fast an die Spitze der Schweizer Versicherungen. Darf man da schon mal über die nächsten strategischen Investitionsschritte spekulieren?
Unser Fokus liegt ganz klar auf der organischen Weiterentwicklung der Baloise Group. Wir sehen in jedem unserer Länder Wachstumspotenziale, die wir jetzt gezielt angehen wollen. So bauen wir in der Schweiz beispielsweise die innovativen Lebensversicherungen aus. In Belgien konzentrieren wir uns auf den deutlichen Ausbau des wallonischen Teilmarktes. Zudem bieten wir jetzt schrittweise in allen Ländern unsere Sicherheitsbausteine an. Sicherheitsbausteine sind Zusatzleistungen im Versicherungsvertrag, beispielsweise ein Fahrsicherheitstraining, die auf unserem Konzept der intelligenten Prävention aufbauen. Der Kunde schätzt diese neuen Produkte und ist bereit, für den angebotenen Mehrwert eine höhere Prämie zu bezahlen.
Über diese organischen Schritte hinaus: Natürlich schauen wir uns in unseren bestehenden Märkten auch ergänzende Akquisitionsobjekte an. Aber nur wenn Strategie, Kultur und Kaufpreis stimmen, kommt es zum Deal.
In der Schweiz ist der Markt ja gesättigt. Gäbe es nicht in Deutschland weitere interessante Betätigungsfelder?
In Deutschland bauen wir mit Hochdruck unsere Wachstumsfelder aus. Dazu gehören zum Beispiel die Transportversicherungen und die technischen Versicherungen. Wir sind übrigens einer der wichtigen Versicherer von Windkraftanlagen in Deutschland. Im Lebenbereich setzen wir auf die fondsgebundenen Versicherungen. Mit unserer fondsgebundenen Pflegerente sind wir beispielsweise ganz vorne mit dabei.
Mit Ausnahme der Zürich sind die Schweizer Versicherer im Angesicht der europäischen Platzhirsche wie Axa oder Allianz Nischenplayer. Welches sind denn für Sie die zukunftsträchtigsten Spezialitäten?
Wir setzen auf die Sicherheit. Schrittweise bieten wir ergänzend zu jeder unserer Versicherungen Bausteine zur intelligenten Prävention an. Das können für Privatkunden obengenannte Fahrsicherheitstrainings in der Autoversicherung sein. Für KMU offerieren wir unter anderem Lösungen zum Thema IT Security oder verbessern ihre internen HR-Prozesse, was wiederum hilft, die Kosten der Personenversicherung zu senken. Zur Schadenprävention auf dem Transportweg haben wir technische Lösungen im Angebot, die die Schadenlast um bis zu zwei Drittel senken können. All das macht unsere Kunden sicherer und vertieft die Vertrauensbeziehung. Unsere Zielkunden danken uns das, in dem wir das Geschäft mit ihnen immer weiter ausbauen können und so mit ihnen gemeinsam wachsen.
«Wir richten unsere Lebenprodukte jetzt noch stärker auf die tiefen Zinsen aus.»
Aufgrund des weiter niedrigen Zinsumfelds dürfte das Leben-Geschäft auch weiterhin ihre grösste Herausforderung bleiben. Wie wollen Sie da die 10 Prozent Neugeschäftsmarge je erreichen?
Wir befinden uns in einem Umfeld mit historisch tiefen Zinsen, insbesondere auch in der Schweiz. In diesem anspruchsvollen Kontext konnten wir mit 8.9 Prozent in 2012 eine Neugeschäftsmarge erzielen, die zeigt, dass wir mit diesem Umfeld umgehen können. Wir richten unsere Lebenprodukte jetzt noch stärker auf die tiefen Zinsen aus. Ich bin zuversichtlich, dass wir dadurch bald die 10% Neugeschäftsmarge erreichen werden.
Ist die Kapitallebensversicherung mit Ihren langen Laufzeiten nicht ein Auslaufmodell?
Das glaube ich nicht; es kommt darauf an, die Parameter richtig zu stellen. So ist es z.B. in der zweiten Säule sehr wichtig, den Mindestzins und den Umwandlungssatz an die heutigen Realitäten anzupassen. Beide Sätze sind zu hoch und müssen gesenkt werden, damit das sehr gute 3-Säulen-System der Schweiz auch in Zukunft gut funktionieren kann.
Im Nichtleben-Geschäft in der Schweiz liegt die Schaden/Kosten-Quote bei ausgezeichneten 83,8 von Hundert. Was können die Baloise-Auslandstöchter daraus lernen?
Wir setzen an zwei Hebeln an. Zum einen muss die betriebliche Effizienz weiter steigen, unsere internen Prozesse müssen schlanker und schneller werden. Hier wenden wir neu Techniken an, die man zum Beispiel aus der Automobilindustrie kennt, Stichwort «lean six sigma». Zum anderen können wir die Schadenprozesse noch weiter verbessern. Gruppenweit investieren wir beispielsweise in das Thema Betrugserkennung und Betrugsvermeidung.
An der Börse notiert die Bâloise-Aktie immer noch unter Buchwert. Bekommt man da nicht Lust, vor allem vor dem Hintergrund des soliden Geschäftsmodells, sich als Unternehmen eigene Aktien zurückzukaufen?
Wir haben viel Freude an der Entwicklung unserer Aktie. Sie ist wertmässig gestiegen und bietet nach wie vor eine der besten Dividendenrenditen in der Schweiz. Bezüglich Ausschüttungspolitik fragen wir regelmässig unsere Investoren, was sie wollen. Hier hören wir genau drei Worte: Dividende, Dividende, Dividende. In diesem Sinne fokussieren wir uns seit vielen Jahren auf eine attraktive Dividendenpolitik und werden das auch in Zukunft so fortführen.
«Mit unserem Neubauprojekt «Baloise Ersatzbauten Aeschengraben» wollen wir ein deutliches Bekenntnis zum Standort Basel abgeben.»
Der Turmbau zu Basel, das heisst ihr 200 Millionen-Neubauprojekt am Hauptsitz, soll 2014 beginnen. 18,2 Prozent der Kapitalanlagen der Baloise sind hypothekarisch. In Basel wird gebaut, dass sich die Dachbalken biegen. Sind eigentlich die Versicherer eine der Hauptursachen der brummenden Schweizer Baukonjunktur?
Mit unserem Neubauprojekt «Baloise Ersatzbauten Aeschengraben» wollen wir ein deutliches Bekenntnis zum Standort Basel abgeben und freuen uns, wenn regionale Unternehmen und die Öffentlichkeit vom Projekt profitieren können. Somit tragen wir und andere Schweizer Versicherer sicher einen Teil zur Schweizer Baukonjunktur bei, stellen aber auch dringend benötigten Mietwohnraum zur Verfügung. Die Anlageklasse Immobilien in unserem diversifizierten Anlageportfolio erweist sich seit vielen Jahren als verlässlicher Anker. Faktoren, wie beispielsweise der anhaltende Trend zu Wohneigentum und die rekordtiefen Zinsen, sind in Punkto Baukonjunkturtreiber aber sicher stärker zu gewichten.
Auf die letzte Frage haben Sie sicher schon gewartet: Gibt es für das 150. Jubeljahr der Baloise, also für 2013, eine Jubiläumsdividende?
Baloise gehört mit einer Dividende von 4.50 CHF und einer Dividendenrendite von 5.7 Prozent zu den besten Dividendenzahler im laufenden Jahr. Eine einmalige Sonderdividende wird es jedoch nicht geben, da diese nicht unseren Ausschüttungsgrundsätzen entspricht. Dividendenzahlungen sollten sich prinzipiell nicht nach dem Kalender, sondern nach wirtschaftlichen Kriterien richten.
Gesprächspartner:
Martin Strobel, geboren 1966 und Deutsch/Schweizer Doppelbürger ist seit 2003 Mitglied und seit 2009 Präsident des Verwaltungsrates der Baloise Bank SoBa. Er studierte Informatik, Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik an den Universitäten von Kaiserslautern, Windsor (Kanada) und Bamberg mit Promotion zum Dr. rer. pol. Von 1993 bis 1999 hatte er bei der Boston Consulting Group, Düsseldorf, verschiedene Funktionen für Fragen des strategischen IT-Managements im Banken- und Versicherungssektor inne. Seit Anfang 1999 ist er bei der Baloise. Er war Leiter Informatik der Basler Schweiz und innerhalb des Konzerns verantwortlich für geschäftsübergreifende Grossprojekte im Versicherungs- und Finanzbereich. Von 2003 bis 2008 war er als Mitglied der Konzernleitung verantwortlich für den Konzernbereich Schweiz. Am 1. Januar 2009 hat Dr. Martin Strobel die Funktion als Vorsitzender der Konzernleitung (Chief Executive Officer) der Baloise Group übernommen.
Das Unternehmen:
Die Baloise Group mit Sitz in Basel, Schweiz ist ein europäischer Anbieter von Versicherungs- und Vorsorgelösungen. Sie positioniert sich als Versicherer mit intelligenter Prävention, der «Sicherheitswelt». In der Schweiz agiert sie als fokussierter Finanzdienstleister, eine Kombination von Versicherung und Bank. Die weiteren Märkte sind Deutschland, Österreich, Belgien, Luxemburg, Liechtenstein, Kroatien und Serbien. Das Vertriebsnetz umfasst die eigene Verkaufsorganisation, Makler und weitere Partner. Das Geschäft mit innovativen Vorsorgeprodukten für Privatkunden in ganz Europa betreibt die Baloise mit ihrem Kompetenzzentrum in Luxemburg. Die Aktie der Bâloise Holding AG ist im Hauptsegment an der SIX Swiss Exchange kotiert. Die Baloise Group beschäftigt rund 8’800 Mitarbeitende.