Tankstellenshops: 67’000 Unterschriften für Referendum eingereicht
(Foto: Erdöl-Vereinigung)
Bern – Über die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten bei Tankstellenshops entscheidet voraussichtlich das Volk. Am Mittwoch reichten Vertreter der Sonntagsallianz rund 67’000 beglaubigte Referendums-Unterschriften bei der Bundeskanzlei in Bern ein. Insgesamt kamen rund 86’500 Unterschriften zusammen, die wegen dem administrativen Aufwand nicht alle zur Beglaubigung eingereicht wurden. Unia-Co-Präsidentin Vania Alleva zeigte sich vor den Medien sehr erfreut, dass «innert so kurzer Zeit so viele Unterschriften» gesammelt wurden. Bereits nach zwei Monaten waren mehr als die nötigen 50’000 eingegangen.
Die Bürger setzten damit ein Zeichen gegen die von der Politik vorangetriebene Liberalisierungswelle im Detailhandel, erklärte die Gewerkschaftsführerin. Es zeige sich, dass die Bevölkerung eine solche «24-Stunden-Arbeitsgesellschaft» gar nicht wolle. Denn in über 90% der Abstimmungen der letzten Jahren habe das Stimmvolk gegen eine Verlängerung der Ladenöffnungszeiten votiert.
24-Stunden-Betrieb für Tankstellenshops
Gemäss dem abgeänderten Artikel 27 des Arbeitsgesetzes sollen Tankstellenshops neu rund um die Uhr alle Produkte aus ihrem Sortiment verkaufen dürfen. Laut heute geltendem Gesetz ist den Shops zwischen 01.00 und 05.00 Uhr der Verkauf gewisser Ladenartikel untersagt; Teile des Lokals sind abgesperrt. Erlaubt sind Kaffee oder Sandwiches für Reisende. Die Lockerung nun gilt für jene Tankstellenshops, die an Hauptverkehrswegen mit starkem Reiseverkehr liegen, allem voran die Shoplokale in Autobahnraststätten. Diese dürfen laut dem neuen Gesetz – sofern das Warenangebot in erster Linie auf die Bedürfnisse der Reisenden ausgerichtet ist – künftig in der Nacht ohne Sonderbewilligung Personal beschäftigen.
Für die 26 Mitgliedsorgsanisationen der Sonntagsallianz kommt dies einer faktischen Einführung des 24-Stunden-Betriebs im Detailhandel gleich. Denn die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten bei den Tankstellenshops sei nur die Spitze des Eisbergs. SP-Nationalrat Jacques-André Maire machte darauf aufmerksam, dass im Parlament verschiedene Motionen hängig sind, die eine weitere Liberalisierung wollen.
Lombardi: Alle Läden unter der Woche bis 20 Uhr öffnen
Ständerat Filippo Lombardi (CVP/TI) etwa verlangt, dass schweizweit alle Detailhandelsbetriebe das Recht haben, ihre Produkte werktags zwischen 6 Uhr und 20 Uhr und samstags von 6 Uhr bis 19 Uhr zu verkaufen. National- und Ständerat haben dem Vorstoss mit Verweis auf die veränderten Einkaufsgewohnheiten grundsätzlich zugestimmt. Weil der Nationalrat im Text aber verankern möchte, dass die kantonalen Feiertage von der landesweiten Harmonisierung der Ladenöffnungszeiten ausgenommen sind, geht die Motion nochmals zurück an den Ständerat.
Sonntagsarbeit in grenznahen Shopping-Centern
Bereits Ja gesagt haben National-, Stände- und Bundesrat auch zu einer Aufweichung der Bestimmungen über Sonntagsarbeit für Shopping-Center in Tourismusgebieten, wie sie Ständerat Fabio Abate (FDP/TI) gefordert hatte. Hintergrund ist der Streit um das Shopping-Center FoxTown in Mendrisio TI. Dort tolerieren der Kanton und die Gewerkschaften seit über 16 Jahren rechtswidrig Sonntagsarbeit. Weil ein anderes Center die gleichen Rechte verlangte, kam der Kanton unter Druck. Die Gegner von Sonntagsarbeit befürchten nun aber, dass die Ausnahme nicht nur in klassischen Tourismusgebieten zur Anwendung kommen könnte.
Nacht- und Sonntagsarbeit für alle Kleinläden
Nach dem Willen der Grünliberalen schliesslich sollen künftig sämtliche Verkaufsstellen und Dienstleistungsbetriebe, die eine Fläche von 120 Quadratmetern nicht überschreiten, auch sonntags und in der Nacht bewilligungsfrei Personal beschäftigen dürfen. Ihre Forderung begründen die Grünliberalen mit der möglichen Liberalisierung für Tankstellenshops.
Konsumenten, die sonntags oder in der Nacht einkaufen möchten, sollen dies nämlich nicht nur dort, sondern auch in anderen Detailhandelsläden tun können. Der Bundesrat sieht hierfür aber keinen Bedarf. Vom Parlament wurde die Motion noch nicht behandelt.
«Volksgesundheit» auf dem Spiel
Die Sonntagsallianz setzt sich gegen diese Vorstösse zur Wehr, weil sie dadurch nicht zuletzt auch die Gesundheit der Menschen in der Schweiz bedroht sieht. Es könne nicht sein, dass die Nachtruhe sowie der Sonntag den Wirtschaftsinteressen geopfert würde und immer mehr, schneller und flexibler gearbeitet werden solle. Dies führe zu Stress, Übermüdung und Krankheit.
In der Sonntagsallianz zusammengeschlossen haben sich kirchliche Organisationen, linke und christliche politische Parteien, Gewerkschaften, Frauenverbände, Suchthilfestellen und Arbeitsmediziner. (awp/mc/pg)