Aron G. Papp, Co-Präsident Handelskammer Schweiz-Ungarn
Aron G. Papp, Co-Präsident Handelskammer Schweiz-Ungarn. (Foto: zvg)
von Christa W. Spoerle
Moneycab: Herr Papp, welches sind die wichtigsten Aufgaben der Handelskammer Schweiz-Ungarn?
Wir sind als HSU Zürich der richtige Ansprechpartner, wenn es um den KMU-Wirtschaftsstandort Ungarn geht. Als Kontakt- und Informationsplattform leistet die HSU Zürich traditionell gute Dienste und stützt sich dabei auf das umfangreiche Beziehungsnetz im Partnerland sowie in der Schweiz ab. Wir bündeln die Interessen der in Ungarn ansässigen Firmen und veranstalten traditionell Informationsveranstaltungen in Zürich.
Die HSU besteht seit 21 Jahren, wie hat sie sich da entwickelt und verändert?
Ungarn gilt als Pionier der Wende im Osten. Dieser Elan ist in unseren bilateralen Beziehungen bis heute zu spüren. Der Beitritt des HSU-Partnerlandes Ungarn zur Europäischen Union (2004) hat die Beziehungen des Wirtschaftsstandortes Ungarn zur Schweiz massgeblich beeinflusst. Wir sehen uns als Milizorganisation im Dienste unserer Mitglieder und vertreten unsere Mitglieder im HSU-Partnerland aktiv, wirken vor Ort betreuend und unterstützend. Heute zielen die Aktivitäten unserer Kammer darauf ab, die Schweiz und deren Wirtschaft, heimische Firmen und Wirtschaftstreibende vor Ort in Ungarn möglichst erfolgreich zu positionieren. Die HSU Zürich wirkt dabei für Schweizer KMU-Firmen auch über Ungarn hinaus in Zentral- und Osteuropa als Scout und Türöffner in der östlichen Region.
Die Leitung der HSU liegt in den Händen zweier Co-Präsidenten, wie sieht die Aufgabenteilung aus?
Das bewährte Co-Präsidium zusammen mit dem Assekuranzspezialisten Attila Külkey und einem kompetent besetzten Vorstand sowie unsere Aussenantenne Budapest ermöglichen uns eine starke Präsenz in der Schweiz wie auch im Partnerland Ungarn. Daraus ergibt sich im Alltag gewissermassen eine sinnvolle Aufgabenteilung. Die modernen Kommunikationsmittel ermöglichen zudem eine sehr enge Zusammenarbeit und damit die zeitnahe Bearbeitung aller eingehenden Mitglieder- und Firmen-Anfragen zum Standort Ungarn und die Erledigung des Pflichtpensums, wie sie jeder Verein kennt.
«Die aktuelle Liste der in Ungarn ansässigen CH-Firmen liest sich wie ein gelbes Branchen-Telefonbuch aus der Schweiz»
Aron G. Papp. CO-Präsident HSU.
Was sind Ihre wichtigsten Aufgaben bei der Beratung von KMU vor Ort?
Als führende bilaterale Organisation Schweiz-Ungarn kennen wir Land und Leute, sind im Partnerland Ungarn stark präsent und spuren für unsere heimischen KMU sozusagen vor. Bei Anfragen jeder Art aus der Schweiz helfen wir gerne, oft auch über eigentliche Wirtschaftsbelange hinaus.
Was versprechen Sie sich von der Zusammenarbeit mit der in Budapest ansässigen KMU-Metall-Branchen-Organisation?
Die eng am Automobil- und Maschinenbau georteten Metaller sind bekanntlich stets das Zugpferd der KMU-Wirtschaft. Speziell der Schweizer Automotive-Zuliefer-Sektor ist in Ungarn sehr stark vertreten. Darauf lässt sich weiter aufbauen. Deshalb haben wir in den vergangenen Jahren in Zusammenarbeit mit SWISSMECHANIC und OFI eine enge Kooperation aufgebaut – dabei geht es in erster Linie um eine sinnvolle Aufgabenteilung des Mittelstandes auf der Kosten-und Absatzachse Schweiz-Ungarn. Davon können unsere Mitglieder nur profitieren.
Die schweizerischen Direktinvestitionen in Ungarn betrugen gemäss SNB Ende 2011 rund 2344 Mio CHF. Damit liegt Ungarn auf Platz vier in Ost- und Zentraleuropa hinter Russland, Polen und Tschechien. Sind Schweizer Unternehmen weiter in Investitionslaune?
Mit Stadler-Rail, Givaudan und Nestlé haben 2012 drei bekannte CH-Firmen ein klares Bekenntnis zum Standort Ungarn abgelegt und ihre Produktion neu gestartet oder deutlich erweitert. In diesem Jahr zeichnet sich ab, dass weitere börsenkotierte Schweizer Unternehmen ihr Engagement im HSU-Partnerland verstärken. Wer richtig kalkuliert sieht: man kann in Ungarn deutlich profitieren. Zudem sind die bilateralen Beziehungen weitgehend problemlos. Schweizer sind im HSU-Partnerland sehr beliebt.
Wie heissen die wichtigsten schweizerischen Investoren in Ungarn?
Ich habe gerade dieser Tage von der Schweizer Botschaft Budapest die aktuelle Liste der in Ungarn ansässigen CH-Firmen bekommen – diese liest sich wie ein gelbes Branchen-Telefonbuch aus der Schweiz. Aber wie es eben die bewährte Schweizer Art ist – viele unserer Landsleute schätzen zwar den Standort Ungarn, sind aber dabei im Aussenauftritt eher zurückhaltend. Schweizer Konsumenten wären überrascht, was in ihrem Konsum-Alltag alles aus Ungarn kommt – von der Luxuslimousine bis zu frisch verarbeiteten Lebensmitteln aus dem Supermarkt.
«Zudem gilt unser Partnerland mittlerweile als starker internationaler Automobil-Produktions-Standort. Dies zieht laufend Zulieferer und verwandte Branchen an und wird sich im noch jungen Jahr sicherlich positiv auf weitere Investitionsentscheide abfärben.»
Gibt es bereits neue Projekte?
Es gibt bereits positive Signale. Zwischen der Schweiz und Ungarn liegt nur gerademal Österreich – wir sind also auch geographisch sehr nahe. Zudem gilt unser Partnerland mittlerweile als starker internationaler Automobil-Produktions-Standort. Dies zieht laufend Zulieferer und verwandte Branchen an und wird sich im noch jungen Jahr sicherlich positiv auf weitere Investitionsentscheide abfärben.
Haben Sie auch bilaterale Projekte?
In Zusammenarbeit mit verschiedenen Branchenorganisation haben wir ein Projekt für das duale-triale Bildungssystem der Schweiz in Ungarn aufgegleist. Wir wollen damit erreichen, dass mittelfristig ungarische KMU-Unternehmen das hervorragende schweizerische Berufsbildungs-System kennenlernen und auch anwenden können. In der Zulieferkette profitieren davon dann auch die Schweizer Partner.
Wo sehen Sie die wichtigsten Gründe für Investitionen in Ungarn?
Vor allem auf der kostensensiblen Produktions-Achse profitieren Schweizer KMUs im Zeichen des anhaltenden Kostendruckes und des starken Frankens von erheblichen Standort-Vorteilen in Ungarn. Die partnerschaftliche Aufgabenteilung und eine smarte Kostenplanung stärken unsere Schweizer KMUs und schaffen damit uns Schweizern in Ungarn auch international deutliche Wettbewerbsvorteile. Für gute Ideen und Produkte aus der Schweiz gibt es zudem immer Marktchancen. Vor allem junge Leute im Ballungsraum Budapest schätzen Swissness, ihr Konsumenten-Verhalten unterscheidet sich kaum mehr von den Altersgenossen im Westen.
Orten Sie auch Ungleichgewichte oder Spannungen in den bilateralen Beziehungen Schweiz-Ungarn?
Die bilateralen Beziehungen gelten als weitgehend problemlos. Gute Freunde schätzen zudem stets das offene Wort – das ist auch unsere Philosophie in der HSU Zürich.
» Von der Konsumseite wird auch 2013 ein Jahr der Stagnation sein. Zudem muss Ungarn im Ausland wieder besser verstanden werden.»
Ungarn erlebte 2009 den stärksten Wirtschaftsabschwung der Region. Nach positiven Wachstumsraten von 1,2% 2010 und 1,8% 2011 sieht es 2012 nach Stagnation aus. Wann darf man wieder mit einem Niveau von vor der Krise rechnen? Welches sind die Hauptprobleme Ungarns?
Ungarn hängt einerseits sehr stark am Finanzierungstropf ausländischer Banken. Seit der Finanzkrise gibt es hier generell deutliche Bremsspuren. Zudem ist die Exportleistung sehr stark auf Deutschland ausgerichtet – für meinen Geschmack sogar etwas zu stark. Wenn Berlin hustet ist also auch Budapest schnell erkältet. Von der Konsumseite wird auch 2013 ein Jahr der Stagnation sein. Zudem muss Ungarn im Ausland wieder besser verstanden werden. Unsere Informations-Aktivitäten als HSU Zürich leisten hier sicherlich einen wichtigen Beitrag.
Welches sind Ziele der HSU Zürich für die kommenden Jahre?
Heutzutage muss sich jede Milizorganisation laufend neu erfinden. Die HSU Zürich hat diesen Prozess jüngst erfolgreich absolviert. Wir setzen ganz klar darauf: der direkte Kontakt zwischen Menschen ist durch moderne Kommunikationsmittel nur bedingt zu ersetzen. Wir informieren deshalb gerne etwas konservativ an unseren bewährten HSU-Anlässen in Zürich. Denn unser Partnerland Ungarn ist nicht nur touristisch sehr reizvoll, sondern auch als Wirtschafts-Standort ausgesprochen attraktiv. Der Business-Alltag zeigt: unsere Schweizer KMUs können rechnen und wissen das.
Herr Papp, sie sind als Sohn ungarischer Flüchtlinge in Zürich geboren und aufgewachsen, leben aber seit über 10 Jahren in Ungarn. Leben da auch zwei Seelen in ihrer Brust oder sind die Unterscheide gar nicht so gross?
Als Europäer mit starken Wurzeln in Zürich fühle ich mich überall da in der Welt zuhause, wo sich etwas bewegen lässt.
Herzlichen Dank für das Interview.
Zur Person:
Aron G. Papp (53, verh. 3 Kinder) geboren und aufgewachsen in Zürich, Studium in München (Ausbildung zum Osteuropa-Experten, Wirtschaftsgeschichte und Politologie), nach dem Studium Ausbildung zum Journalisten, danach über 10 Jahre lang Wirtschafts-Agencier in Zürich bzw. Kommunikations-Experte bei Swiss Re. Seit 2002 selbständig – wirkt seit 1992 in der Handelskammer Schweiz-Ungarn HSU-Zürich.
Zur Organisation:
Die 1992 gegründete Handelskammer Schweiz-Ungarn (HSU Zürich) ist Partner der schweizerischen Exportförderung OSEC und steht traditionell im Dienst des bilateralen Mittelstandes Schweiz-Ungarn. Die Handelskammer, der sowohl KMU als auch grössere Unternehmen angehören, hat eine Aussenantenne in Budapest und ist in Ungarn bestens vernetzt. Sie stellt Informationen und Dokumentationen zur Verfügung und berät in wirtschaftlichen, rechtlichen und kommerziellen Belangen.