Abzocker-Initiative: Stimmvolk setzt ein Zeichen gegen Millionenlöhne
Nach acht Jahren am Ziel: Thomas Minder, Initiant der «Abzocker-Initiative».
Bern – Das Verdikt des Volkes ist deutlicher ausgefallen als erwartet: 67,9% der Stimmenden haben die Abzockerinitiative von Thomas Minder am Sonntag angenommen. Nun beginnt der Kampf um die Umsetzung der Initiative. Für die Abzockerinitiative sprachen sich rund 1’615’700 Personen aus, dagegen 762’300. Der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments, der bei einem Nein in Kraft getreten wäre, vermochte nicht zu überzeugen. In keinem einzigen Kanton wurde die Initiative abgelehnt.
Am deutlichsten war die Zustimmung in den Kantonen Jura und Schaffhausen, dem Heimatkanton Minders. Im Jura sagten über 77% der Stimmenden Ja zur Initiative, in Schaffhausen fast 76%. Ein Ja-Stimmen-Anteil von über 70% resultierte auch in den Kantonen Neuenburg, Tessin, Thurgau, Freiburg, Bern und Zürich.
Minder der grosse Sieger
Für Thomas Minder ging Sonntag ein langer politischer Kampf zu Ende gegangen. Die Annahme der Abzocker-Initiative sei ein «gewaltiges Signal» an die Verwaltungsräte in den Unternehmen und an Bundesbern, sagte der Schaffhauser Ständerat und Vater der Abzocker-Initiative. Verbündete fand Minder in den Reihen der Linken, die sich von der Abzockerinitiative Rückenwind für andere Vorlagen wie die 1:12-, die Mindestlohn- oder die Erbschaftssteuerinitiative erhofft.
Mit dem Ja haben jene Unternehmen die Quittung erhalten, die in den vergangenen Jahren mit überrissenen Salären und Boni die Empörung unter der Bevölkerung nährten. Abgestraft wurde auch das Parlament, das die Abstimmung mit taktischen Manövern und endlosen Debatten zu möglichen Gegenvorschlägen während Jahren hinauszögerte.
Economiesuisse der grosse Verlierer
Grosser Verlierer des Abstimmungssonntags ist der Wirtschaftsdachverband economiesuisse, dessen acht Millionen teure Gegenkampagne das Stimmvolk nicht von den Vorteilen des Gegenvorschlags zu überzeugen vermochte. Nicht geholfen hatte dabei die Affäre um die 72 Mio CHF, die der scheidende Novartis-Verwaltungsratspräsident Daniel Vasella für sein Konkurrenzverbot hätte erhalten sollen.
Aktionäre erhalten mehr Rechte
Ob und wie sich das Ja zur Abzockerinitiative auf die hohen Managerlöhne auswirkt, ist offen. Lohnobergrenzen gibt es auch in Zukunft nicht: Die Initiative setzt gänzlich auf die Hoffnung, dass die Millionengehälter sinken, wenn die Aktionäre mehr Macht haben. Die wichtigste Neuerung besteht darin, dass künftig die Aktionäre börsenkotierter Unternehmen über die Gesamtsumme der Vergütungen von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung abstimmen. Weiter verlangt die Initiative jährliche Verwaltungsratswahlen sowie ein Verbot von Antrittsprämien und Abgangsentschädigungen.
Erst müssen die neuen Verfassungsbestimmungen jedoch in ein Gesetz gegossen werden. Bis dieses in Kraft ist, regelt der Bundesrat die Umsetzung der Initiative mit einer Verordnung. Bei dieser will sich Justizministerin Simonetta Sommaruga «eng an den Wortlaut der Initiative halten». Die Initiative lässt dem Bundesrat für das Ausarbeiten der Verordnung ein Jahr Zeit.
Streit um Umsetzung im Gang
Über die Umsetzung des Volksbegehrens stritten Gegner und Befürworter bereits vor dem Urnengang. Während die Gegner aus den Reihen der bürgerlichen Parteien die Regeln gerne abschwächen und mit Ausnahmen versetzen würden, möchte die SP bei der Umsetzung am liebsten über den Initiativtext hinausgehen. Der eine oder andere Punkt aus dem indirekten Gegenvorschlag könnte so also doch noch den Weg ins Gesetz finden. Sollte das Parlament allerdings die Hauptforderungen der Initiative verwässern, dürfte dies neue Empörung auslösen, die sich im Ausgang einer nächsten Abstimmung niederschlagen könnte.
«Volkswillen muss respektiert werden»
Dessen sind sich die Gegner bewusst. Sie versprachen am Sonntag eine buchstabengetreue Umsetzung. «Der Wille des Volkes muss respektiert werden», sagte SVP-Nationalrat und Fraktionsvizepräsident Thomas Aeschi (ZG). Die SVP werde Hand für eine rasche Umsetzung bieten. Spielraum und damit Diskussionsbedarf besteht hingegen beim Abstimmungszwang für Pensionskassen. Gemäss der Initiative müssen diese im Interesse ihrer Versicherten abstimmen und offen legen, wie sie gestimmt haben. Die Initianten selbst betonen, dass dies Stimmenthaltungen nicht ausschliesse.
Auch bei den elektronischen Abstimmungen und den Strafbestimmungen ist Kulanz gefragt. Bei Widerhandlungen gegen die Bestimmungen sieht die Initiative Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren und Geldstrafen bis zu sechs Jahresvergütungen vor. Juristen betonen, dass der Gesetzgeber dies mit Blick auf verschiedene Widerhandlungen konkretisieren müsse. Die Debatten dürften damit auch nach dem Volksentscheid noch lange nicht zu Ende sein. (awp/mc/upd/ps)