Ölkatastrophe: Auftakt zu neuem Prozess gegen BP

Ölkatastrophe: Auftakt zu neuem Prozess gegen BP

New Orleans – Die Rechnung für die Ölkatastrophe vor fast drei Jahren im Golf von Mexiko beläuft sich für den britischen Ölkonzern BP bereits auf astronomische 38 Mrd. Dollar. Heute Montag startet in New Orleans ein neuer Prozess. Die US-Regierung will weitere Milliarden.

Als sich BP vor knapp einem Jahr mit Tausenden privater Kläger über Entschädigungen für die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko einigte, glich New Orleans einem Heerlager. Ganze Scharen von Medienvertretern und Hunderte Anwälte bevölkerten wochenlang die Stadt im US-Bundesstaat Louisiana. Am Montag beginnt dort der nächste Mammutprozess in Sachen BP. Diesmal ist der Gegner des britischen Ölkonzerns die USA. Die Bundesregierung in Washington und fünf Bundesstaaten wollen Geld – und wieder geht es  um Milliarden US-Dollar.

In der BP-Chefetage ist man bereit, wegen Verstössen gegen das US-Gesetz zur Wasserreinhaltung bis zu rund fünf Milliarden Dollar zu zahlen. Die US-Regierung will bis zu 21 Mrd. Dollar haben. Der vor dem Prozess öffentlich angeschlagene Ton lässt ein zähes Ringen erwarten.

Die entscheidende Frage: Grob fahrlässig oder nicht?
BP spricht ungewöhnlich offen von «aufgeblasenen» Angaben der US-Regierung und deren «exzessiven Forderungen». Abseits des Säbelrasselns dreht sich während des monatelangen juristischen Geschachers unter dem Vorsitz von Richter Carl Barbier alles vor allem um einen rechtlich relevanten Begriff: «grobe Fahrlässigkeit». Wenn BP nachgewiesen werden kann, dass bei den Bohrarbeiten auf der Plattform «Deepwater Horizon», die von Weatherford mit Sitz in Zug betrieben wird, grob fahrlässig gehandelt wurde, dann müssen die Briten laut US-Gesetz («Cleanwater Act») bis zu 4300 Dollar für jedes ausgelaufene Barrel Rohöl auf den Tisch legen.

Wäre die grobe Fahrlässigkeit nicht gegeben, würde der Satz deutlich unter der 2000-Dollar-Grenze liegen. «BP wird sich energisch gegen den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit wehren», liess der Chef des BP-Anwaltsteams, Rupert Bondy, am Dienstag wissen. «Grobe Fahrlässigkeit ist eine sehr hohe Hürde, von der BP glaubt, dass sie in diesem Fall nicht genommen werden kann», sagte er.

Menge strittig
Strittig unter den Prozessparteien ist auch die Menge des ausgelaufenen Öls, über die von September an verhandelt werden soll. Die Kläger gehen bisher davon aus, dass nach der Explosion mit elf toten Arbeitern im April 2010 an 87 Tagen rund 4,9 Millionen Fass (zu je 159 Liter) Öl in den Golf von Mexiko strömten. BP bestreitet diese Menge. «Wir glauben, dass diese Schätzung um mindestens 20 Prozent übertrieben ist», sagte Bondy. Er geht von höchstens 3,1 Millionen Fass (Barrel) aus. «Diese Dinge sind technisch extrem kompliziert und es ist noch viel Analysearbeit zu tun», betonte er.

810’000 Barrel Öl konnten wieder aufgefangen werden
Einen ersten Etappensieg konnte BP im Vorfeld des Prozesses bereits verzeichnen. 810’000 Barrel, die zwar ins Meer liefen aber wieder aufgefangen wurden, kommen nicht in die Zählung. Für BP ist allein diese Feststellung des Gerichts schon gute drei Milliarden Dollar wert.

Bereits 23 Mrd Dollar ausbezahlt
BP hat sich nach eigenen Angaben bisher auf die Zahlung von insgesamt rund 38 Mrd. US-Dollar für die grösste Ölkatastrophe in der US-Geschichte verpflichtet – 23 Mrd. davon sind bereits ausbezahlt.

Schuldig wegen Totschlags
Auf 4,5 Mrd. Dollar belaufen sich alleine die strafrechtlichen Verpflichtungen – BP hatte sich unter anderem des Totschlags für schuldig erklärt. 8,5 Mrd. Dollar bekommen private Kläger und Geschäftsleute für ihre Ausfälle – der Grossteil dieser Summe geht an die Fischereibranche. «Wir haben gezeigt, dass wir einigungsfähig sind», heisst es bei BP. Dies müsse auch bei der Bemessung der Schadenersatzansprüche berücksichtigt werden.

Insgesamt rechnet BP bisher mit 42 Mrd. US-Dollar an Kosten für die Ölkatastrophe – nach Meinung von Beobachtern eine sehr konservative Schätzung. Der Konzern hat in den vergangenen knapp drei Jahren auch wirtschaftlich massiv gelitten. Konzernchef Tony Haywards musste wegen mangelhaften Krisenmanagements seinen Hut nehmen – und wurde durch den US-Amerikaner Bob Dudley ersetzt.

Der reformierte das Sicherheitskonzept und stellte Unternehmensteile im Wert von mehr als 30 Mrd. Dollar zum Verkauf, um die Kosten für das Desaster zu refinanzieren. Phasenweise rutsche BP in die Verlustzone. Alleine im vergangenen Jahr musste BP fünf Milliarden US-Dollar abschreiben. (awp/mc/pg)

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