EZB-Präsident drückt Eurokurs – Experten sehen ‹verbale Intervention›

EZB-Präsident drückt Eurokurs – Experten sehen ‹verbale Intervention›

EZB-Chef Mario Draghi. (Foto: EZB)

Frankfurt am Main – Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, hat nach Einschätzung von Ökonomen mit seinen Aussagen zu der Wechselkursentwicklung den Eurokurs gedrückt. «Wir werden prüfen, ob sich der höhere Eurokurs auf die Preisrisiken im Währungsraum auswirkt», hatte Draghi am Donnerstag in Frankfurt gesagt. «Wir wollen sehen, ob die Aufwertung anhält.» Den Leitzins beliess die Notenbank wie erwartet bei 0,75 Prozent.

«Es war eine sanfte verbale Intervention gegen einen zu starken Euro-Wechselkurs», kommentierte Christian Schulz, EZB-Beobachter bei der Berenberg Bank, die Aussagen von Draghi. Er habe damit deutlich gemacht, dass die Wechselkursentwicklung die Preise und damit auch die Geldpolitik beeinflussen könne. «Es war überraschend, dass die EZB auf die preisdämpfende Wirkung des höheren Wechselkurses verwiesen hat», sagte Schulz. Im März wird die EZB ihre neuen Konjunktur- und Inflationsprojektionen veröffentlichen.

Moderate Konjunkturerholung
Draghi erwartet trotzt der merklichen Entspannung an den Finanzmärkten weiterhin nur eine moderate Konjunkturerholung in der Eurozone. Er ist damit weiterhin zurückhaltender als viele Bankenökonomen. «Draghi erwartet offenbar durch den Anstieg des Euro-Wechselkurses eine dämpfende Wirkung auf Wachstum und Preise», sagte Michael Schubert, EZB-Experte bei der Commerzbank. So dürfte die Inflationsrate in der Eurozone laut Draghi bereits in den nächsten Monaten unter die Marke von zwei Prozent fallen. Bisher hatte Draghi ein Unterschreiten der Marke im Verlauf des Jahres in Aussicht gestellt.

Leitzins bleibt bei 0,75 Prozent
«Offenbar wollte Draghi mit seinen zurückhaltenden Aussagen auch die Märkte beeinflussen», sagte Schubert. Nach Einschätzung der Commerzbank dürfte sowohl das Wirtschaftswachstum als auch die Inflation höher ausfallen als von der EZB erwartet. Neue geldpolitische Lockerungsmassnahmen erwartet Schubert daher auf absehbare Zeit nicht. Den Leitzins hatte die Notenbank am Donnerstag wie von den Experten erwartet unverändert bei 0,75 Prozent belassen.

Euroanstieg Hinweis auf Rückkehr des Vertrauens in die Eurozone
Draghi versuchte jedoch gleichzeitig die Aufwertung des Euro nicht überzudramatisieren: «Der Euro bewegt sich in der Nähe seines langfristigen Durchschnittswerts.» Zudem sei die Aufwertung ein Zeichen der Rückkehr des Vertrauens in die Eurozone. Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande hatte zuvor für eine aktive Wechselkurspolitik geworben. Draghi betonte hier die Unabhängigkeit der Notenbank.

Der EZB-Chef sprach jedoch mit Blick auf die Wechselkursentwicklung die sehr expansive Geldpolitik der anderen grossen Notenbanken an. Ausdrücklich verwies er auf die US-Notenbank, die den Märkten versprochen habe, die Leitzinsen auf sehr lange Zeit niedrig zu lassen. Das Draghi hier konkret andere Notenbanken erwähnt ist laut Schubert «bemerkenswert». Er sieht sie offenbar im Widerspruch zu G20-Währungsabkommen. Draghi stimmte zudem auch ausdrücklich Bundesbankpräsident Jens Weidmann zu, der vor einer Einschränkung der Unabhängigkeit der Notenbanken gewarnt hatte.

Bank of England hält Leitzins und Anleihekäufe konstant
Währenddessen hält die britische Notenbank an ihrem hochexpansiven Kurs fest: Am Donnerstag beschloss der geldpolitische Ausschuss, sowohl das Niveau der Anleihekäufe als auch den Leitzins konstant zu halten. Das teilte die Bank of England in London mit. Der Zins, zu dem sich Geschäftsbanken Zentralbankgeld besorgen können, liegt weiter auf einem Rekordtief von 0,5 Prozent. Das Anleihekaufprogramm, das bereits seit Ende 2012 ausgeschöpft ist, hat ein Volumen von 375 Milliarden Pfund. Dies entspricht etwa 25 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung Grossbritanniens, was unter grossen Notenbanken ein Spitzenwert ist.

Beobachter hatten mit den Entscheidungen gerechnet. Die Bank of England scheint derzeit grosse Hoffnungen in ihr im Sommer 2012 aufgelegtes Kreditprogramm «Funding for Lending» zu setzen. Unter diesem Programm können sich die Banken sehr günstig refinanzieren. Bedingung ist, dass sie zugleich ihre Kreditvergabe ausweiten. Das erklärt, warum die Notenbank zurzeit keine grosse Neigung erkennen lässt, ihre Geldpolitik weiter zu lockern – obwohl die britische Wirtschaft unter einer ausgeprägten Wachstumsschwäche leidet. Abgesehen von einem Schub im dritten Quartal 2012, vermutlich ausgelöst durch die Olympischen Sommerspiele in London, ist die Wirtschaftsleistung Grossbritanniens seit Ende 2011 rückläufig. (awp/mc/pg)

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