Privatbankiers sorgen sich um Marktzugang
Nicolas Pictet, Präsident des Verbandes Schweizerischer Privatbankiers.
Bern – Der Verband der Schweizer Privatbanken will ein Abkommen der Schweiz mit der EU über die Finanzdienstleistungen, der dem Finanzsektor einen Zugang zu den Auslandsmärkten bringen soll. Nur ein Abkommen könne letztendlich zu Rechtssicherheit in den Beziehungen zur EU führen, hiess es am Donnerstag am Jahresmediengespräch des Verbands. Den automatischen Informationsaustausch lehnt der Verband weiterhin ab, relativiert diese Position aber gleichzeitig als «technische Frage».
«Wir wissen, dass der Weg hin zu einem bilateralen Abkommen über die Finanzdienstleistungen lang und steinig sein wird», sagte Verbandspräsident Nicolas Pictet am Donnerstag vor den Medien in Bern. Werde das Problem des Marktzugangs aber nicht gelöst, sei die weitere Entwicklung des Finanzplatzes Schweiz vorhersehbar: «Es wird zu einer vermehrten Abwanderung kommen und der Finanzsektor wird schrumpfen.»
Grössere Bedeutung als Steuerfragen
Unter dem Einfluss der Krise schotteten sich die Nachbarländer ab, sagte Pictet weiter. Das gelte beispielsweise für die Länder der Europäischen Union mit ihren zahlreiche Richtlinien, die zwar «noble Motive» wie den Schutz der Anleger oder die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte zum Ziel hätten. «Aber in vielen Fällen werden mit diesen Richtlinien auch weniger lobenswerte Ziele verfolgt, wie etwa den Marktzugang für externe Akteure zu verhindern.»
Das Problem des Marktzugangs habe längerfristig eine grössere strategische Bedeutung als die Steuerfragen, hielt Pictet fest. Der Verband stelle sich weiterhin hinter das Konzept der Abgeltungssteuer und gegen den automatischen Informationsaustausch: «Wir möchten aber ausdrücklich festhalten, dass es hier um technische Fragen und nicht um eine strategische Vision geht.» Der Frage, ob die Privatbankiers für den EU-Marktzugang im Gegenzug den automatischen Informationsaustausch akzeptieren würden, wich Pictet aus: Eine solche Fragestellung sei «zu simpel».
Frankreich und Italien vorrangig
Als prioritär bezüglich der Problematik der unversteuerten Vermögen erachten die Privatbankiers vor allem die Regelung der Vergangenheit. Es gelte nun, nach den Steuerabkommen mit Grossbritannien und Österreich, rasch eine Lösung auch für die anderen Länder zu finden, welche die Kunden von Schweizer Banken nicht veranlasse, ihr Geld abzuziehen, so ihr Präsident. Dabei müssten die beiden Nachbarländer der Schweiz, Frankreich und Italien, vorrangig behandelt werden.
Zur Situation mit Deutschland machte Pictet keine konkreten Aussagen: Nach dem Scheitern des Abkommens über die Abgeltungssteuer liege das weitere Vorgehen nun bei der Politik. Eine jüngst publizierte Umfrage, wonach viele Schweizer Banken das Scheitern begrüssten, stiess nicht auf das Verständnis der Privatbankiers: Bei den Instituten, die sich in diesem Sinn geäussert hätten, handle es sich wohl um eher inlandorientierte Banken, sagte Vizepräsident Christoph Gloor.
Retrozessionsregelung von Fall zu Fall
Verbandspräsident Pictet forderte zudem Massnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz, insbesondere Massnahmen im Steuerbereich. Denkbar sei eine «intelligente und visionäre Reform» der Verrechnungssteuer und eine Abschaffung der Stempelsteuer.
Bedeckt hielten sich die Privatbankiers bezüglich der Auswirkungen des jüngsten Bundesgerichtsurteils zu den Retrozessionen. Schlussendlich handle es sich um eine zivilrechtliche Fragen, die auf den Vereinbarungen der Banken mit ihren Kunden beruhten und entsprechend von Fall zu Fall zu entscheiden seien, sagte Pictet auf eine entsprechende Journalistenfrage. (awp/mc/pg)