Artur P. Schmidt: Herunterfahren

Artur P. Schmidt: Herunterfahren

Von Artur P. Schmidt

Mehr Lebensqualität
Das Herunterfahren der Ansprüche, im englischen Downshifting genannt, ist ein soziales Verhalten, bei dem Menschen versuchen, mit einem einfacheren Leben aus dem Gefangendilemma des obsessiven Materialismus auszubrechen. Herunterschalten führt zu einer Stressreduktion, einer Flucht aus der Überstundenfalle und einem Verhindern des Burnout-Syndroms, mit dem immer mehr Menschen heutzutage konfrontiert sind. Das Herunterfahren ermöglicht den Menschen, eine bessere Balance zwischen Freizeit und Arbeit zu finden. Es konzentriert die Ziele im Leben auf ein erfüllteres Leben und den Aufbau von Beziehungen statt einer auf Überkonsum basierten Erfolgsillusion. Die Menschen wollen sich nicht mehr als Karriere machende Sesselfurzer dem bedingungslosen Kapitalismus unterwerfen. Natürlich braucht man Geld, um aus wenig mehr zu machen, aber man braucht viel weniger Geld, als man allgemein annimmt, um relaxter zu leben. Wenn Sie beim Herunterfahren Ihren Job kündigen oder eine Auszeit nehmen wollen, empfiehlt es sich, die Lebenshaltungskosten zu reduzieren und Geld beiseite zu legen, damit sie stressfrei aussetzen zu können. Hier empfiehlt es sich, etwa sechs Monatslöhne als Reserve zu haben. Herunterfahren bedeutet einen hohen Lebensstandard unter Stress in eine höhere Lebensqualität ohne Stress einzutauschen, bei der man zwar nicht mehr so viel Geld, dafür aber umso mehr Zeit für sich, die Familie und Freunde hat. Um also von Zürich in die Berge umzusiedeln, bedeutet dies, in ein kleineres Haus oder Wohnung oder eine ähnlich grosse Immobilie, die jedoch deutlich billiger ist, zu wechseln. Wer noch Schulden auf seinem Haus oder einer Wohnung hat, kann sich durch das Herunterfahren eventuell mit einem Schlag von der Knechtschaft der Banker befreien bzw. diese deutlich reduzieren.

«Generation Spent»
Der Songwriter Charlie Winston hat es in seinem Lied «Generation Spent» (siehe auch YouTube-Video am Ende des Beitrags) auf den Punkt gebracht. Die moderne Konsumgesellschaft bringt immer mehr überschuldete Konsumenten hervor, die wiederum eine Gesellschaft des Überkonsums und der Zeitzerstörung hervorbringen. In einer Schulden-Ökonomie gilt das Prinzip «Kaufe jetzt, bezahle später». Gemäss dem Magazin «Focus» sind beispielsweise in Deutschland nahezu 250’000 Jugendliche schon vor dem Berufsleben mit durchschnittlich 7’000 Euro verschuldet. In den USA und in Südeuropa trifft es die junge «Generation der Schuldner» noch schlimmer, da die Jugendarbeitslosigkeit noch viel höher ist und diese somit buchstäblich auf ihren Schulden sitzen bleiben. Hierbei wächst die Generation der Schuldner immer schneller an und überzieht Amerika bis Südeuropa mit Austerität. Doch neben der unverschuldeten Schuldenfalle durch Jobverlust oder hoher Jugendarbeitslosigkeit gibt es auch die durch Überkonsum herbeigeführte Schuldenfalle durch das Hochfahren der Ansprüche. Viele scheinen hierbei in ihrem Kaufrausch auch vergessen zu haben, was im Leben wirklich zählt: Gesundheit, Freundschaft und Vertrauen. Das Herunterfahren, was aktuell übrigens ja auch viele Banken müssen, hat hierbei das Potential, auch die Kultur des Betruges in eine neue Kultur ethischen Verhaltens zu verändern, wenngleich dies wohl eher bei den Bürgern denn bei den Bankstern in Frankfurt und anderswo geschehen wird. Wir sollten nie vergessen, dass die besten Dinge im Leben kostenfrei zu haben sind: Freundschaft, Luft und Wasser. Was nützt es einem Milliardär, der sein Geld hortet, wenn er wie Dagobert Duck nicht einmal die Zeit hat, es auszugeben oder wenn er es Betrügern wie Madoff oder Zocker-Hedge-Fonds anvertraut hat? Der reichste Mann der Welt ist derjenige, der die meiste Zeit mit seiner Familie und denjenigen, die er liebt, verbringen kann. Dies ist der wahre Luxus im Leben, denn er bedeutet, sich von der Unfreiheit der Konsumgesellschaft in die Freiheit der wahren Werte zu begeben.

Die unsichtbare Wand
Es gibt wohl kein besseres Buch zu diesem Thema als «Die Wand» von Marlen Haushofer. In ihrem Buch geht es um eine Frau, die eines Morgens feststellt, dass sie über Nacht durch eine undurchdringliche Wand von der Aussenwelt abgetrennt worden ist und dass es offensichtlich ausserhalb des abgegrenzten Gebietes kein Leben mehr gibt. Ohne lange darüber nachzudenken, warum dies geschehen ist, richtet sich die Frau mit dem wenigen ein, das ihr geblieben ist: ein Hund, eine Kuh, eine Katze, ein Jagdhaus, eine Alp und die Natur. Der Roman aus dem Jahr 1963 ist eine eindeutige Zivilisationskritik und heute aktueller denn je. Ein auf die Natur angewiesener Mensch lernt, ohne Kulturgüter und Technologien auszukommen und das bedeutungslos gewordene Automobil wird von Pflanzen überwuchert. Das Buch beschreibt die Bewältigung praktischer Probleme als Alpen-Pendant zum Insel-Roman Robinson Crusoe. Gegen Ende des Romans erscheint auf der Alp, die die Frau als Sommerquartier bezogen hat, ein Mann, der ohne ersichtlichen Grund ihren jungen Stier und ihren Hund erschlägt, weshalb Sie diesen erschiesst. Doch es gibt in ihrer aussichtlosen Situation doch noch ein Happy End, da ihre Kuh Bella ein neues Kalb haben wird, was ihr das Überleben sichert. In Haushofers Roman, der mit Martina Gedeck (http://derstandard.at/Kino?&d=2012-12-10&_s=1&m=105788) in der Hauptrolle aktuell von Julian Roman Pölsler (http://www.welt.de/kultur/kino/article109708935/Martina-Gedeck-sucht-als-Namenlose-die-Liebe.html) in eindrucksvoller Weise verfilmt worden ist, wird der Mensch in radikaler Weise wieder in die Natur zurückversetzt und er muss lernen in dieser zurechtzukommen. Haushofers Roman beschreibt jedoch auch das harmonische Zusammenleben von Mensch und Tier, welches ohne Massentierhaltung auskommt und auf Selbstversorgung setzt. Hier müssen wir uns alle selbst die Fragen stellen, wie wir wieder autonomer werden können, dies schliesst auch Selbstversorgung im Rahmen der Energieversorgung und der Ernährung mit ein. Wer seinen eigenen Strom produziert und speichert und keinen Strom von den Energieversorgern benötigt, wird autonom. Wer sein eigenes Gemüse anbaut, auf lokale Fleischanbieter setzt und sein eigenes Trinkwasser produziert, gewinnt an Freiheiten, lebt gesünder und er spart darüber hinaus viele Kosten ein.

Medienpause einlegen
Nach Lektüre des Buches von Haushofer wird man geradezu dazu animiert, mal eine Woche ohne Medien zu verbringen: kein Fernsehen, kein Radio, keine Zeitungen, keine Magazine, keine E-Mails, kein Facebook, nur man selbst und die Natur. Versuchen Sie von Supermärkten fern zu bleiben und kaufen Sie ihre Lebensmittel von lokalen unabhängigen Läden oder Bauernhöfen. Gehen Sie nicht mehr zum Essen ausser Haus, vermeiden Sie auch Fast-Food-Ketten. Damit können Sie die Lebenshaltungskosten erheblich herunterfahren und sie leben deutlich gesünder. Ein romantisches Kerzenlicht-Dinner mit Ihrem Lebenspartner oder -partnerin ist sowieso die bessere Alternative. Ein Apartment in den Alpen für 700 Franken ist wesentlich billiger als ihre Wohnung in Zürich für 3’500 Franken und Sie sparen dazu noch 2800 Franken ein. Der Haupteffekt ist jedoch, dass dies nicht nur die Kosten reduziert, sondern dass das Einkommen sich mehr an die gelebten Werte annähert. Wenn alle weniger konsumieren, profitieren alle Mitglieder der Gesellschaft davon. Hierbei sollten wir uns eines bewusst sein: es gibt einen grossen Unterschied zwischen Armut und selbstgewählter Einfachheit. Armut ist unfreiwillig und entmündigend, während uns freiwillige Einfachheit mehr Einflussmöglichkeiten auf unser Leben eröffnet und uns von Abhängigkeiten befreit.

http://youtu.be/J2uxo6XQz-w

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Über Artur P. Schmidt
Der Wirtschaftskybernetiker Dr.-Ing. Artur P. Schmidt wurde in Stuttgart geboren. Er besuchte im Stadtteil Zuffenhausen das Ferdinand-Porsche-Gymnasium und machte dort das Abitur. Das Studium der Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart und Berlin schloss er im Alter von 27 Jahren mit  der Bestnote im Fachgebiet Raketentechnik ab, so dass ihm von Prof. H.H. Koelle die Promotion angetragen wurde. Im Alter von 30 Jahren erhielt Artur P. Schmidt den Doktortitel für ein kybernetisches Marktanalyse-Verfahren am Beispiel der Strategischen Planung von Airbus Industries. Nach einer Beratungstätigkeit bei Anderson Consulting sowie als Leiter der Strategischen Analyse der Ruhrgas AG war Dr. Schmidt Stipendiant der Stiftung zur Förderung der systemorientierten Managementlehre und letzter Schüler von Prof. Hans Ulrich, dem Begründer des St. Galler Management-Ansatzes. Während dieser Zeit begann Dr. Schmidt seine publizistische Laufbahn, aus denen Bestseller wie «Endo-Management» und «Der Wissensnavigator» sowie Wirtschaftsbücher wie «Wohlstand_fuer_alle.com» oder «Crashonomics» hervorgingen. Sein neuestes Buch, welches im EWK-Verlag erschienen ist, heisst  «Unter Bankstern».
Heute ist Artur P. Schmidt Herausgeber des Online-News-Portals www.wissensnavigator.com sowie der Finanz-Portale www.bankingcockpit.com, www.wallstreetcockpit.com, www.futurescockpit.com und www.optioncockpit.com sowie Geschäftsführer der Tradercockpit GmbH. Dr. Schmidt ist ein gefragter Keynote-Speaker sowie Kolumnist für zahlreiche Finanzpublikationen.

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