US-Konzerne steigern Umsatz und Gewinn – Europa verliert den Anschluss
Zürich – Europas Top-Konzerne fallen im Wettbewerb mit US-Unternehmen weiter zurück: Die operativen Gewinne (EBIT) der 300 umsatzstärksten europäischen Konzerne sanken im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 4,4 Prozent – die 300 grössten US-Unternehmen schafften hingegen ein Plus von 1,8 Prozent. Und während die durchschnittliche Gewinnmarge der europäischen Unternehmen von 11,0 auf 9,8 Prozent sank, verzeichneten die US-Konzerne nur einen leichten Rückgang von 13,3 auf 12,8 Prozent. Die US-Konzerne, die schon im Vorjahreszeitraum deutlich profitabler wirtschafteten als ihre europäischen Konkurrenten, konnten damit ihren Vorsprung weiter ausbauen. Das sind Ergebnisse einer Analyse der Umsatz- und Gewinnentwicklung der umsatzstärksten 300 europäischen und US-amerikanischen Unternehmen im ersten Halbjahr 2012 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen Ernst & Young.
Zwar konnten die europäischen Unternehmen ihren Umsatz stärker steigern als die US-Unternehmen – in Europa lag das Plus bei 10 Prozent, in den USA bei 5 Prozent –, allerdings dürfte dies grossenteils auf Währungseffekte zurückzuführen sein: Viele europäische Unternehmen erwirtschaften einen erheblichen Teil ihrer Umsätze ausserhalb des Euro-Raums. Bei der Umrechnung in die europäische Einheitswährung ergeben sich dank des gesunkenen Werts des Euros positive Effekte. «Bereinigt um Währungseffekte dürfte das Umsatzwachstum der europäischen Unternehmen etwa auf dem Niveau der US-Unternehmen gelegen haben», schätzt Markus Thomas Schweizer, Leiter Advisory Services der Region GSA (Germany, Switzerland, Austria) bei Ernst & Young. «Bei der Gewinnentwicklung konnten die europäischen Unternehmen hingegen nicht mithalten.» Trotz der Währungseffekte, die sich auch bei der Gewinnentwicklung auswirkten, sank der Gesamtgewinn der europäischen Top-300-Konzerne im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 4,4 Prozent. Die US-Konzerne schafften hingegen ein Gewinnwachstum um 1,8 Prozent.
Zudem schreiben immer mehr europäische Top-Unternehmen rote Zahlen: In den USA lag der Anteil der Unternehmen, die Verluste machten, im ersten Halbjahr dieses Jahres wie im Vorjahreszeitraum bei 1 Prozent – in Europa stieg er hingegen deutlich von 3 auf 7 Prozent.
Margen sinken in Europa stärker als in den USA
Dass die Margen bei den europäischen Unternehmen so stark unter Druck gerieten, wertet Schweizer als Alarmsignal: «Die europäischen Unternehmen haben zunehmend ein Margenproblem. Die US-Konzerne haben insgesamt ihre Kosten besser im Griff.» Besonders beunruhigend sei, dass der Abstand zur US-Konkurrenz noch grösser geworden ist. Der Vorsprung der US-Unternehmen bei der EBIT-Marge stieg im Jahresverlauf von 2,3 auf 3,0 Prozentpunkte.
«In Europa haben Unternehmen zu einseitig auf Wachstum gesetzt und dabei versäumt, ihre Geschäftsmodelle so flexibel zu gestalten, dass sie auf kurzfristige Nachfrageänderungen rasch reagieren können. Gleichzeitig liefen die Kosten vielfach aus dem Ruder. Dass sich die Konjunktur in Europa so schlecht entwickelt, hat offenbar einige überrascht. In dem derzeit sehr schwachen Umfeld lässt sich der Absatz oft nur noch über Preisnachlässe steigern – was wiederum die Marge drückt.»
In den USA lag der Anteil der Unternehmen, die im ersten Halbjahr 2012 eine niedrigere Marge als im Vorjahreszeitraum auswiesen, nur bei 54 Prozent – fast jedes zweite US-Unternehmen schaffte es also, seine Marge zu erhöhen. In Europa gelang das nur jedem dritten Konzern. In der Schweiz liegt der Anteil bei 50 Prozent und lag damit deutlich über dem europäischen Durchschnitt. Markus Schweizer erklärt: «Viele Schweizer Unternehmen haben sich frühzeitig
auf die abnehmenden Wachstumsmöglichkeiten in Europa und andern entwickelten Märkten eingestellt und eine geografische Diversifikationsstrategie in sich entwickelnden Märkten umgesetzt. Zudem haben die Schweizer Konzerne im Nachgang der letzten Finanzkrise ihre Hausaufgaben in der Regel gemacht und ihre Kostenstrukturen nachhaltig reduziert.»
«2013 wird hart»
Markus Schweizer geht nicht davon aus, dass sich die Situation im kommenden Jahr merklich verbessern wird: «2013 wird hart – aus Europa kommen keine Wachstumsimpulse, die Konjunktur in den USA ist sehr fragil, und auch in China wachsen die Bäume nicht mehr in den Himmel. Die Unternehmen sollten sich daher für eine längere Durststrecke wappnen.» Er sieht keine Alternative zu einem konsequenten Spar- und Flexibilisierungskurs: «Die Kosten müssen gesenkt werden – sonst droht ein weiterer Margenrückgang und damit ein Verlust an Wettbewerbsfähigkeit. Vor allem aber wird es immer wichtiger, dass die Unternehmen ihre Geschäftsmodelle modernisieren und kontinuierlich anpassen. Ziel muss sein, auf Nachfrageänderungen flexibel reagieren zu können und mit sich wandelnden Kundenbedürfnissen Schritt zu halten», sagt Markus Schweizer. Der technologische Fortschritt, kürzer werdende Konjunkturzyklen und die wachsende Bedeutung der Schwellenländer – diese Trends forderten von den Unternehmen heute eine hohe Anpassungsfähigkeit und -geschwindigkeit. «Wer morgen noch wettbewerbsfähig sein will, muss bereit sein, sich und sein Geschäftsmodell infrage zu stellen und notfalls sogar komplett neu zu erfinden», betont Markus Schweizer.
Die Kunst bestehe also darin, trotz Sparkurs agil und handlungsfähig zu bleiben, um die Chancen, die sich auch in schwierigen Zeiten noch bieten, ergreifen zu können. Markus Schweizer ist aber optimistisch, dass dies gelingt: «Gerade die Schweizer Unternehmen haben in der letzten Krise bewiesen, dass sie einen heftigen Einbruch überstehen können, ohne dass die Substanz gefährdet wird. Und dass sie nach der Krise stärker dastehen als zuvor.»
Die Entwicklung von Schweizer Unternehmen entspricht der europäischen Konkurrenz
Beim Umsatzwachstum liegen die Schweizer Konzerne leicht hinter der europäischen Konkurrenz. Die Umsätze der Schweizer Konzerne sind im Jahresvergleich weniger stark gestiegen als bei anderen europäischen Unternehmen: Im Durchschnitt wiesen die Schweizer Konzerne ein Umsatzwachstum von 5 Prozent aus – im europäischen Durchschnitt waren es 7 Prozent. Die Margenentwicklung hingegen ist etwas besser als im europäischen Vergleich. In der Schweiz sank die EBIT-Marge um 8 Prozent, in Europa sogar um 10 Prozent. Die durchschnittliche Gewinnmarge der Schweizer Unternehmen sank von 12,2 auf 11,2 Prozent; ein Rückgang der im guten Mittelfeld liegt. Stärker schrumpften die Margen beispielsweise in Italien, Grossbritannien und Russland.
Wie im Vorjahr konnten sich 26 Schweizer Unternehmen unter den Top 300 Europas platzieren: Damit liegt die Schweiz im Länderranking hinter Grossbritannien, Frankreich und Deutschland auf dem vierten Platz. Gemessen am Umsatz liegt die Schweiz auf dem fünften Platz, hinter Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und den Niederlanden. (Ernst & Young /mc/ps)
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