SNB-Vize Danthine: UBS oder CS würden heute im Krisenfall gerettet
Jean-Pierre Danthine, Direktoriumsmitglied Schweizerische Nationalbank SNB
Zürich – Das Too-big-to-fail-Problem ist heute noch alles andere als gelöst. Noch sei der Zwang, systemrelevante Banken staatlich zu stützen, nicht vom Tisch. UBS oder Credit Suisse würden erneut eine staatliche Rettung erhalten, sollte die Eurokrise eskalieren und das Bankensystem in die Tiefe reissen, erklärte SNB-Vizedirektor Jean-Pierre Danthine im Gespräch mit der «Finanz und Wirtschaft» (Interview Online verfübbar). «Falls das von Ihnen skizzierte Extremszenario wirklich eintreffen sollte und die Finanzstabilität gefährdet würde, müssten wir wohl im Interesse des Landes eingreifen», sagte Danthine wörtlich. Denn ihr unkontrollierter Untergang hätte einen massiven negativen Einfluss auf die schweizerische Volkswirtschaft.
Seit der Rettung der UBS sind ziemlich genau vier Jahre vergangen. Um eine weitere Bankenrettung zu vermeiden, müssen die systemrelevanten Schweizer Grossbanken bis 2019 ihr verlustabsorbierendes Kapital auf mindestens 19% aufbauen. «Heute ist lediglich klar, dass wir noch nicht am Ziel sind, sondern in einer Übergangsphase stecken.» Seine Hoffnung sei, dass die Banken dereinst sogar noch mehr Eigenkapital halten. «Die Krise von 2008 sollte ihnen eine Lehre gewesen sein», fügt Danthine an.
Ganz unabhängig von erhöhten regulatorischen Anforderungen ist nach Ansicht von Danthine klar, dass die Banken nach wie vor unterkapitalisiert sind. «Beide Grossbanken ermutigen wir, mit dem Kapitalaufbau fortzufahren. Bis wir das Ziel erreicht haben, kann ich mich nicht zufriedengeben.» Die Credit Suisse habe auf jeden Fall aufgeholt, erklärt der SNB-Vize mit Blick auf die jüngsten Anstrengungen der Bank, die von einer öffentlichen Schelte der Währungshüter ausgelöst wurden.
Abwicklungssystem muss noch etabliert werden
Was noch fehlt, seien allerdings übernationale Standards für die Abwicklung grenzüberschreitend tätiger Banken. Hier bestehe noch grosser Handlungsbedarf. «Banken müssen untergehen können, und sowohl Bankmanager wie auch Gläubiger müssen das wissen», so Danthine. Das sei erst der Fall, wenn ein überzeugendes Abwicklungsregime etabliert sei. «Dann ist der Zwang, systemrelevante Banken staatlich zu stützen, so gut wie vom Tisch», zeigt sich der SNB-Mann zuversichtlich.
Eine Absage erteilt Danthine der Idee, den immer grösseren Finanzkolossen mit fixen Grössenbeschränkungen entgegenzuwirken. «Ich hoffe, wir kommen ohne solche von aussen verfügte Grössenbeschränkungen aus. Die Banken sollten selbst abschätzen, wie weit Skaleneffekte Vorteile bringen und ab welcher Grösse die Nachteile zu überwiegen beginnen.»
Keine Entspannung am Immobilienmarkt
Keine Entspannung ortet Danthine am Immobilienmarkt: «Wir sind nach wie vor beunruhigt», sagte Danthine, der jedoch das Wort «Blase» vermeiden will. «Ob es sich um eine Blase gehandelt hat, weiss man immer erst im Nachhinein. Aber klar ist, dass der Markt anfällig für eine Korrektur ist.» Trotzdem habe die SNB im August darauf verzichtet, beim Bundesrat um die Aktivierung des antizyklischen Kapitalpuffers zu ersuchen. «Wir streben eine sanfte Landung an, keine harte», erklärte Danthine
Bislang signalisieren die Modelle vom Immobilienmarkt keine massive Übertreibung. Die Preise für Wohnimmobilien seien lediglich leicht über dem Gleichgewichtsniveau. Die Geschwindigkeit, mit der sie steigen, sei allerdings besorgniserregend. Die SNB überprüfe die Lage von Quartal zu Quartal.
Franken noch immer ungewöhnlich stark
Der Schweizer Franken ist derzeit zum Euro immer noch ungewöhnlich stark, erinnert Danthine. «Die Erfahrung zeigt, dass sich so eine Überbewertung mit der Zeit korrigiert. In der Zwischenzeit legen wir die Währungsreserven zinsbringend an», sagt Danthine.
Die Etablierung der Euro-Mindestgrenze hat die Devisenreserven in der SNB-Bilanz auf 60% der jährlichen Wirtschaftsleistung anschwellen lassen. Kann das so weitergehen? «Ja, das ist zwar möglich», meint Danthine. Stabilitätspolitisch sei das unbedenklich. Doch irgendwann komme allerdings ein Punkt, an dem das Vertrauen in die Stärke des Frankens schwinden würde.
Die Gefahr bestehe allenfalls darin, dass die SNB eines Tages keinen Gewinn mehr an die Kantone ausschütten könnte, falls sie einen Verlust auf den Devisenreserven erleiden sollte. «Das wäre lediglich ein fiskalisches Problem für die Kantone», so der SNB-Vize.
Von einem vollständigen Auseinanderbrechen der Eurozone geht die SNB in ihren Szenarien nicht aus, erklärte Danthine weiter. (awp/mc/cs)