EU-Gipfel: Frist für Bankenaufsicht gesetzt – Griechenland behält Euro
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. (Bild © Europäische Union, 1995-2012)
Brüssel – Mit einem Minimalkompromiss zur umstrittenen Bankenaufsicht haben die Europäer den tiefen Riss zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden des Kontinents übertüncht. Die EU-Staats- und Regierungschefs einigten sich nach zähen Marathonverhandlungen darauf, den rechtlichen Rahmen für das Riesenvorhaben bis zum 1. Januar 2013 zu schaffen. Wann die Kontrolleure dann im kommenden Jahr tatsächlich ihre Arbeit aufnehmen, ist aber weiter unklar. Die Europäische Zentralbank (EZB) solle so schnell wie möglich die Aufsicht einrichten, sagte EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy. Die «Chefs» der 17 Euroländer versicherten am Freitag in Brüssel, dass Griechenland ungeachtet seines riesigen Schuldenbergs die Euro-Währung behalten soll.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zog ein positives Fazit des zweitägigen Spitzentreffens: «Wir haben das erreicht, was wir uns vorgenommen haben.» Sie setzte sich mit ihrer Forderung nach mehr Zeit für die Aufsicht durch, um diese gründlicher vorbereiten zu können: «Das Ziel ist eine Bankenaufsicht, die diesen Namen auch verdient.» Merkel überwand auch Meinungsverschiedenheiten mit dem engen Partner Frankreich. Auch Präsident François Hollande reklamierte einen Gipfel-Erfolg für sich: «Es gibt keinen ungenauen Kalender: Es gibt den 1. Januar.» Die neue Aufsicht soll am Ende alle 6000 Geldhäuser in den 17 Euro-Ländern kontrollieren.
Kein präziser Fahrplan für Bankenaufsicht
Die EU hatte bisher keinen präzisen Fahrplan für die Einführung der Aufsicht. Während die «Südländer» wie Spanien auf das Startdatum 1. Januar 2013 drängten, pochte Deutschland auf genügend Zeit zur Umsetzung und für Nachbesserungen. Merkel will eine «differenzierte Art und Weise» der Überwachung. Während grosse Banken direkt von der EZB kontrolliert würden, könnten andere der nationalen Bankenaufsicht unterliegen. Van Rompuy betonte, die Aufsicht solle «in jede Bank der Eurozone schauen können». Mehr Klarheit beim Fahrplan soll der EU-Gipfel im Dezember bringen.
Die Aufsicht ist Voraussetzung dafür, dass marode Geldhäuser künftig aus dem Rettungsfonds ESM mit milliardenschweren Finanzspritzen gerettet werden können. Die Bedingungen dafür müssen noch von den Euro-Kassenhütern festgelegt werden – weitere Konflikte sind programmiert. Als Hauptkandidat für diese Hilfen gilt Spanien.
Noch kein Hilfsantrag von Spanien
Wann Madrid den seit Monaten erwarteten neuen Hilfsantrag für neue Unterstützung für den Gesamtstaat stellen wird, blieb offen. Der konservative Regierungschef Mariano Rajoy sagte: «Wenn ich die Entscheidung zu treffen habe, werde ich es tun. Ich werde im Interesse der spanischen Bürger handeln.» Madrid bekam von den Europartnern bereits Milliardenhilfen für den Bankensektor zugesagt. Man spricht von rund 40 Milliarden Euro.
Die Euroländer sicherten dem pleitebedrohten Griechenland Unterstützung zu – aber nur unter Bedingungen. «Wir erwarten, dass Griechenland seine haushalts- und strukturpolitischen Reformen fortsetzt», heisst es in einer Erklärung.
Griechenland soll in Währungsunion bleiben
Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker sagte: «Es ist nun endgültig klargestellt, dass niemand daran denkt und auch niemand gefordert hat, Griechenland aus der Währungsunion auszuschliessen.» Frankreichs Präsident Hollande fügte hinzu: «Jetzt darf sich die Frage der Anwesenheit Griechenlands in der Eurozone nicht mehr stellen, sie darf sich nicht mehr stellen.»
Im Kampf gegen die schwere Schuldenkrise gibt es nach Einschätzung Van Rompuys Fortschritte. Auf den Finanzmärkten sei eine «gewisse Beruhigung» auszumachen. Bei Staatsanleihen gingen die Zinsunterschiede zu Deutschland nach unten. Dieses Jahr werde die Wirtschaft in der Eurozone im Schnitt stagnieren, im kommenden Jahr werde es nur ein schwaches Wachstum geben.
Hollande für gemeinsames Budget
In der Debatte um die langfristige Absicherung der Eurozone stellte sich Hollande hinter den Vorschlag eines gemeinsamen Budgets der 17 Euroländer. Befürchtungen von Nicht-Euro-Staaten habe er zerstreut: «Ich habe diese Länder beruhigt.» Auch Deutschland strebt ein gemeinsames Eurozonen-Budget an. Merkel sprach von einem «Solidaritätsfonds». Van Rompuy hatte ein gemeinsames Budget oder einen gemeinsamen Finanztopf der Eurostaaten vorgeschlagen. Endgültige Beschlüsse zum Umbau der Eurozone sollen ebenfalls Mitte Dezember fallen.
In Deutschland übte die Opposition Kritik an Merkels Gipfel-Strategie. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte, die Kanzlerin feiere es «als Erfolg, den Start einer europäischen Bankenaufsicht weit in das nächste Jahr verzögert zu haben. Auf Druck der Bundeskanzlerin bleibt der europäische Finanzmarkt schwach reguliert und schwach beaufsichtigt».
Der Gipfel bekräftigte im Konflikt zwischen Syrien und der Türkei seine Unterstützung für Ankara. «Der Europäische Rat verurteilt nachdrücklich, dass von syrischen Streitkräften Granaten auf türkisches Gebiet abgeschossen wurden», heisst es in einer Erklärung. (awp/mc/upd/ps/cs)