Krankenkassen: Junge Erwachsene immer stärker belastet
Zürich – Die Krankenkassenprämien steigen um durchschnittlich 2,2 Prozent. Einen doppelt so hohen Prämienanstieg, nämlich knapp 4 Prozent, müssen die jungen Erwachsenen hinnehmen. Die Krankenkassen haben – einmal mehr – den Prämienrabatt von jungen Erwachsenen deutlich gekürzt. Innert fünf Jahren ist dieser Rabatt mehr als halbiert worden. Die Auswertungen berücksichtigen alle Versicherungsmodelle, Franchisen und Altersgruppen. Das Bundesamt für Gesundheit berechnet die Erhöhung jeweils nur auf Basis der Standard-Franchise, was noch für gerade jeden siebten Schweizer aussagekräftig ist.
Morgen Donnerstag gibt Bundesrat Alain Berset die Krankenkassenprämien 2013 bekannt. Basierend auf den provisorischen Prämien von rund 80 Prozent der Versicherten hat der Internet-Vergleichsdienst comparis.ch einen Prämienanstieg von 2,2 Prozent errechnet. Die Berechnung ist nach Mitgliederzahlen der Krankenkassen gewichtet und berücksichtigt alle Kantone, Altersgruppen, Franchisenstufen und Versicherungsmodelle. Damit bestätigt sich die erste Prognose von comparis.ch: Im Vergleich zu früheren Jahren und zur durchschnittlichen Kostenentwicklung steigen die Prämien nur moderat.1 «Allerdings droht nächstes Jahr ein neuer Prämienschock. Seit dem Nein zu Managed Care ist der politische Sparwille gänzlich abhanden gekommen. Qualität und Innovation haben ihren Preis, lautet die Devise. In Wirklichkeit werden den Leistungserbringern gerade kostspielige Geschenke gemacht wie jüngst der Pharmabranche. Und Spezialärzte erhalten unbegrenzt neue Praxiszulassungen», erklärt Felix Schneuwly, Krankenkassen-Experte bei comparis.ch.
Seit Jahren massive Prämienerhöhungen für junge Erwachsene
Überdurchschnittlich hoch ist der Prämienanstieg bei der Altersgruppe der jungen Erwachsenen. Für diese steigen die Prämien um knapp 4 Prozent und damit fast doppelt so stark wie für die Gesamtbevölkerung. Bereits in den vergangenen Jahren sind die Prämien der jungen Erwachsenen überdurchschnittlich gestiegen: Auf das Jahr 2012 hin 60 Prozent stärker als die Prämien der Erwachsenen und auf das Jahr 2011 hin 56 Prozent. Die überdurchschnittlichen Prämienerhöhungen der jungen Erwachsenen führen zu einer Kürzung der Rabatte bei dieser Altersgruppe: Im Jahr 2002 hat die Prämienreduktion der jungen Erwachsenen auf die Erwachsenenprämie noch 22 Prozent betragen. Im Jahr 2008 haben die jungen Erwachsenen noch einen Rabatt von 16 Prozent erhalten, 2013 werden es noch knapp 7 Prozent sein. 2)
Den Grund für die Kürzung des Rabatts sieht Schneuwly im widersprüchlichen Willen des Gesetzgebers: «Einerseits will man einen Rabatt für die jungen Erwachsenen, da sie sich oft noch in der Ausbildung befinden oder geringe Einkommen haben. Andererseits geht das Krankenversicherungsgesetz von der Einheitsprämie aus und bindet die jungen Versicherten in den Risikoausgleich ein, was letztlich einen Prämienrabatt verunmöglicht.». Der Krankenkassen-Experte fordert darum, dass hier Klarheit geschaffen wird, bevor man sich weiteren Fragen wie jenen der Kinderprämien annimmt. «Wenn man eine Gruppe aus sozialpolitischen Gründen entlastet, sollte der Staat dieses Geld in Form von Prämienverbilligungen zur Verfügung stellen, damit nicht andere Gruppen durch höhere Prämien mehr belastet werden.»
Grosse kantonale Unterschiede
Die Krankenkassenprämien steigen je nach Kanton unterschiedlich stark. Die stärksten Prämienerhöhungen sind in Appenzell Ausserrhoden mit über 5 Prozent (rund 140 Franken pro Jahr) zu erwarten. In Appenzell Innerrhoden steigen die Prämien gegen 4 Prozent (rund 90 Franken pro Jahr), in Glarus über 3 Prozent (rund 100 Franken pro Jahr). Unterdurchschnittlich sind die Prämienerhöhungen in Zug (1 Prozent, resp. rund 40 Franken pro Jahr).
Unterschiedliche Berechnungsmethoden
Die schweizweit durchschnittliche Prämienerhöhung in Prozent, die das Bundesamt für Gesundheit (BAG) jeweils bekannt gibt, wird etwas tiefer ausfallen als der von comparis.ch berechnete Wert. Das BAG nimmt für den Durchschnittswert des Prämienanstiegs die Prämien des Standardmodells mit 300er Franchise und Unfalldeckung für Erwachsene. Noch knapp jede siebte Person in der Schweiz hat diese Versicherungsdeckung. Die Berechnung des BAG entspricht damit schon lange nicht mehr der Realität. Für diese kleine Versichertengruppe berechnet comparis.ch im Übrigen einen Prämienanstieg von rund 2 Prozent. Zudem ist das BAG bei seiner Berechnung bisher davon ausgegangen, dass gewisse Versicherte die Krankenkasse wechseln. «comparis.ch kritisiert die BAG-Praxis seit Jahren als Schönfärberei. Für die Versicherten wäre es hilfreicher, wenn man sich mit mehr Energie den wahren Kostenblöcken und -treibern im Gesundheitswesen zuwenden würde», so Schneuwly. Schliesslich entscheiden die Versicherten erst aufgrund der eigenen Prämien, ob sie die Kasse wechseln wollen oder nicht.
Kaum Unterschiede zwischen provisorischen und definitiven Prämien
Die Auswertungen von comparis.ch basieren auf provisorischen Prämien. Auswertungen in den vergangenen Jahren haben gezeigt, dass es jeweils nur wenige minimale Unterschiede zwischen den provisorischen und den definitiven Prämien gibt. Ein Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle bestätigt diesen Befund. 3) (comparis.ch/mc/ps)
1) Vgl. Medienmitteilung «Prämienanstieg von unter 3 Prozent zu erwarten» vom 10. Juli 2012, abrufbar unter: http://www.comparis.ch/~/media/files/mediencorner/medienmitteilungen/2012/krankenkasse/krankenkassen-pr%c3%a4mien-2013.pdf
2) Berechnungsbasis: Ungewichtete Prämien der jeweiligen Jahre. Für 2013 sind die provisorischen Prämien für rund 80 Prozent der Versicherten verwendet worden.
3) Bericht abrufbar unter:
http://www.efk.admin.ch/images/stories/efk_dokumente/publikationen/evaluationen/Evaluationen%20%2827%29/9397_BE_Publikation.pdf (S. 33)