Wissenschaft unterstreicht den Nutzen von Volatilität als Anlageklasse
Von Christian König, lic oec HSG, Pubic Distribution, Commerzbank Zürich
Viele Investoren setzen Volatilität zu Diversifikations- und Absicherungszwecken ein. Studien zeigen, warum diese Vorgehensweise Sinn ergibt. Die Depotabsicherung respektive -diversifizierung ist insbesondere in der langfristig orientierten Vermögensbildung von zentraler Bedeutung. Gerade die vergangenen fünf Jahre haben diese Notwendigkeit einmal mehr unterstrichen. Zunächst löste die US-Immobilienkrise ein globales Börsenbeben aus, ehe das Schuldendesaster der Eurozone die Märkte kräftig aus dem Tritt brachte. Immer mehr Investoren versuchen, das Portfolio mit Hilfe von Volatilität gegen derartige Rückschläge an den Kapitalmärkten zu wappnen. Diese Kennzahl gibt in Prozent die innerhalb eines bestimmten Zeitraums erwartete Schwankungsbreite von Wertpapierkursen wider.
Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen den Nutzen der Vola als Hedging-Instrument. Den CBOE Volatility Index (VIX), ein Gradmesser für die Schwankungsbreite des US-Aktienbarometers S&P 500 nahm das Center for International Securities and Derivatives Markets (CISDM) an der University of Massachusetts unter die Lupe. Die Studie zeigt, dass Volatilität die Abwärtsrisiken in einem Portfolio schmälern kann. «Insbesondere hätten investierbare VIX-Produkte dafür eingesetzt werden können, die während der Finanzkrise 2008 so dringend benötigte Diversifikation zu erzielen», bringt Autor Edward Szado die Ergebnisse auf den Punkt. Allerdings betont der Wissenschaftler, dass der Einsatz zeitlich begrenzt sein sollte. Eine dauerhafte Long-Position in Volatilität führt in der Regel zu negativen Resultaten. Verantwortlich hierfür ist die so genannte «Mean Reversion». Sie sagt aus, dass die implizite Kursschwankungsbreite im Zeitverlauf immer wieder zu ihrem Mittelwert zurückkehrt. Eine Eigenschaft, die auch für den VSTOXX gilt. Er bündelt die auf Sicht von 30 Tagen in Optionen eingepreiste Volatilität des EURO STOXX 50. Insofern gilt dieser Index auch als «Angstbarometer» für den europäischen Aktienmarkt. Grund: Sobald die Börsen in ein unruhigeres Fahrwasser geraten und die Marktteilnehmer mit stärkeren Bewegungen rechnen, schlägt die Volatilität nach oben aus. Daher entwickelt sich der VSTOXX deutlich gegenläufig zum EURO STOXX 50 (siehe Grafik 1). Unter anderem dieser Umstand macht ihn als Absicherungsvehikel interessant.
Neue Untersuchung aus Frankreich
Genau hier setzt das EDHEC-Risk Institute in einer aktuellen Untersuchung an. Das 76 Seiten umfassende Werk geht dem «Nutzen von Volatilitätsderivaten im Management von Aktien-Portfolios» auf den Grund. Die Franzosen kommen zu dem Ergebnis, dass die Ergänzung eines Depots um eine Long-Exposure in Volatilität zu einer «substanziellen Verbesserung der risikoadjustierten Performance des Portfolios führt.» In einer Langzeit-Reihe weisen die beiden Autoren, Renata Guobuzaite und Lionel Martellini, unter anderem nach, dass Volatilität und Aktienkurse in unterschiedliche Richtungen tendieren. Sie untersuchten dazu die Entwicklung von VSTOXX und EURO STOXX 50 für den Zeitraum Januar 1999 bis April 2011. «Basierend auf dieser Analyse bestätigen die Ergebnisse eine substanziell negative Korrelation von -0,74», so die beiden Wissenschaftler. In besonders turbulenten Zeiten weitet sich die gegenläufige Entwicklung sogar aus. Im Jahr 2008, als die globale Finanzkrise die Märkte nach unten drückte, zog die negative Korrelation zwischen VSTOXX und EURO STOXX 50 auf -0,80 an – der bis dato tiefste Wert. «Diese Ergebnisse zeigen, dass die Vorteile aus einer Diversifikation mit Hilfe von Volatilitätsindizes sich manifestieren, wenn sie am meisten benötigt werden», folgert das Autorenteam.
Anleger, die ihr Depot mit Hilfe des VSTOXX absichern möchten, stossen jedoch auf eine Reihe von Schwierigkeiten. Zunächst ist der Index nicht direkt investierbar. Abhilfe können hier Futures leisten. Die Terminbörse Eurex handelt sowohl Optionen als auch so genannte Mini-Futures auf den VSTOXX. Da beide Arten ein festes Verfalldatum haben, sind Volafans auf den regelmässigen Austausch des zugrunde liegenden Kontrakts angewiesen. Dieser auch bei Rohstoffinvestments gängige Rollvorgang kann den Ertrag einer Position negativ beeinflussen. Konkret entstehen Verluste, sobald der angesteuerte Future im Kurs höher steht, als der auslaufende. Experten sprechen hier vom Contango (siehe Grafik 2). Neigt sich die Terminkurve dagegen nach unten, das heisst längere Laufzeiten sind günstiger zu haben als kürzere, steht der Markt in der Backwardation. Die EDHEC-Studie befasst sich intensiv mit der Rollproblematik und geht davon aus, dass die VSTOXX-Terminkurve zwischen April 2008 und April 2011 zu mehr als drei Vierteln im Contango stand. «Das zeigt, dass eine Rollover-Strategie typischerweise einen negativen Ertrag verursacht», so die Experten. Ihrer Meinung nach haben die Vorteile der Positionierung in Volatilität mit Hilfe von Terminkontrakten dennoch Bestand.
Intelligenter Zugang in eine begehrte Anlageklasse
Dieses Urteil nehmen sich offenbar immer mehr Investoren zu Herzen. Das zeigt zumindest ein Blick in die Umsatzstatistik der Eurex. Mitte 2012 waren knapp 1,5 Milliarden Euro in die dort kotierten Volatilitätsderivate investiert. Innert zwölf Monaten nahm das Volumen damit um mehr als 80 Prozent zu. Auf reges Interesse stossen auch die von der Commerzbank im vergangenen Jahr lancierten Lösungen für diese spezielle Anlageklasse. Mit Hilfe der innovativen Faktor-Zertifikate können sich Anleger in Volatilität positionieren. Zum Angebot zählen sowohl Produkte auf den VIX als auch den VSTOXX. Grundsätzlich setzten diese Vehikel auf den nächstfälligen Terminkontrakt des jeweils zugrunde liegenden Barometers. Ein eigens entwickeltes Indexkonzept sorgt dafür, dass die Form der Terminkurve keinen Einfluss auf den Wert der Produkte nimmt. Mit Hilfe der Faktor-Zertifikate lässt sich wahlweise auf eine steigende (Long) als auch auf eine fallende (Short) Kurschwankungsbreite setzen. Je nach Risikoneigung ist neben der direkten (1:1) auch eine gehebelte Partizipation mit dem Faktor 2 möglich. Anders als beim klassischen Warrant oder Mini-Future bleibt der Hebel über die unbegrenzte Laufzeit hinweg konstant. Ein weiterer Pluspunkt: Die Volatilität des Basiswertes spielt bei Faktor-Zertifikaten keine Rolle. An den Besonderheiten dieser Anlageklasse können die preisgekrönten Vorteile gleichwohl nichts ändern. Unter anderem neigt Volatilität zu besonders starken Ausschlägen, welche die Zertifikate – mit oder ohne Hebel – naturgemäss abbilden. Insofern drohen herbe Verluste, falls Anleger von solchen Vola-Spitzen auf dem falschen Fuss erwischt werden.
Faktor-Zertifikate auf implizite Volatilität
Valor | Symbol | ISIN | Basiswert |
13197440 |
CBLVST | DE000CZ33SR5 | Faktor 1x Long VSTOXXF Index |
13327915 |
CBLVS2 | DE000CZ33TV5 | Faktor 2x Long VSTOXXF Index |
13197439 |
CBSVST | DE000CZ33SQ7 | Faktor 1x Short VSTOXXF Index |
13327914 |
CBSVS2 | DE000CZ33TU7 | Faktor 2x Short VSTOXXF Index |
13197438 |
CBLVIX | DE000CZ33SP9 | Faktor 1x Long VIXF Index |
13327913 |
CBLVX2 | DE000CZ33TT9 | Faktor 2x Long VIXF Index |
13197437 |
CBSVIX | DE000CZ33SN4 | Faktor 1x Short VIXF Index |
13327912 |
CBSVX2 | DE000CZ33TS1 | Faktor 2x Short VIXF Index |
Grafik 1: Vola-Spitzen in Krisenzeiten
Historische Kursentwicklung VSTOXX / EURO STOXX 50
Quelle: Reuters
Grafik 2: Klassisches Contango
Terminkurve VSTOXX
Quelle: Reuters
Grafik 3: Run auf Volatilität
Eurex-Umsatz mit Volatilitätsderivaten
Quelle: Eurex