Bundespräsidentin zieht Bilanz zur Halbzeit

Bundespräsidentin zieht Bilanz zur Halbzeit

Bern – Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf hat am Dienstag die sommerliche Flaute im Bundeshaus genutzt, um Zwischenbilanz zu ihrem Präsidialjahr zu ziehen und sich zur Lage des Finanzplatzes zu äussern. Dieser fordert die Finanzministerin auch als Bundespräsidentin.

«Wenn ich CD sage, denkt niemand an Musik», sagte Widmer-Schlumpf in Anspielung auf die Käufe von CDs mit Bankkundendaten. «Wir liefern offensichtlich immer wieder Stoff für die Medien.» In diesen Tagen gibt vor allem die Herausgabe von Daten Schweizer Bankangestellter an die US-Behörden zu reden. Widmer-Schlumpf betonte, dass die Verantwortung bei den Banken und der Finanzmarktaufsicht (FINMA) liege. Der Bundesrat habe die Banken zwar ermächtigt, Daten zu liefern. Dies jedoch unter der Auflage, dass der Datenschutz und das Arbeitsrecht eingehalten würden. Es gelte nun zu klären, was überhaupt geschehen sei.

Gespräch mit Bankmitarbeitenden
Die Finanzministerin will sich zu diesem Zweck auch mit betroffenen Bankmitarbeitenden treffen. Die umstrittenen Datenlieferungen werten möchte sie nicht: «Ich muss wissen, was geschehen ist, bevor ich schockiert bin», sagte sie auf die Frage, ob es nicht schockierend sei, dass Banken auf Kosten der Mitarbeitenden ihre Haut retteten. Ähnlich vorsichtig äusserte sich die Finanzministerin zum Fall eines Schweizer Bankers, dessen Kinder laut einem Medienbericht in den USA festgehalten und befragt worden sein sollen. Der Bund habe sich um Klärung bemüht, doch bisher lägen überhaupt keine Informationen dazu vor.

Noch nie eingeknickt
Widmer-Schlumpf wehrte sich weiter gegen den Vorwurf, sie habe bei den Verhandlungen mit dem Ausland zu viele Konzessionen gemacht: «Die Schweiz ist noch nie eingeknickt.» Abkommen beruhten aber immer auf einem Kompromiss.

Was die USA betrifft, ist die Kompromissbereitschaft offenbar ausgeschöpft: Auf Forderungen nach der Lieferung von Bankkundendaten ausserhalb von Amts- oder Rechtshilfeverfahren werde die Schweiz nicht eingehen, versicherte Widmer-Schlumpf. In Frage kämen nur Lösungen im Rahmen des geltenden Rechts.

Ökologische Steuerreform
Auch in der zweiten Jahreshälfte wird Widmer-Schlumpf als Finanzministerin gefordert sein. Der Bundesrat will im Herbst die Weichen stellen für eine ökologische Steuerreform und entscheiden, ob in der Schweiz Steuerhinterziehung strenger geahndet werden soll.

Das Volk entscheidet seinerseits an der Urne über die Steuerabkommen mit Deutschland, Grossbritannien und Österreich, falls das Referendum zustande kommt. Sagt das Volk Nein, würde der Bundesrat das Modell der Abgeltungssteuer wohl nicht weiter verfolgen. Stimmt das Volk dagegen zu, will er andere Länder dafür gewinnen – auch im Fall, dass Deutschland das Abkommen ablehnen sollte.

François Hollande eingeladen
Als Bundespräsidentin beschäftigen Widmer-Schlumpf neben dem Automobilsalon oder dem Eidgenössischen Hornusserfest vor allem internationale Kontakte. Für die zweite Jahreshälfte hat sie den französischen Präsidenten François Hollande eingeladen. Ob das Treffen in Bern oder Paris stattfindet, ist noch offen.

Auf dem Programm stehen weiter ein Treffen mit dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti und der Besuch des polnischen Präsidenten Bronislaw Komorowski. In der bisherigen Amtszeit habe sie bereits zahlreiche wertvolle Kontakte knüpfen können, sagte Widmer-Schlumpf. Zuletzt etwa am Empfang der Queen anlässlich der olympischen Spiele in London.

Präsidialjahr zu kurz
Um aus den vielen Treffen konkreten Nutzen zu ziehen, ist das Präsidialjahr aus Sicht von Widmer-Schlumpf indes zu kurz. Wie andere vor ihr würde sie ein zweijähriges Bundespräsidium bevorzugen. Dies hat das Parlament jedoch abgelehnt. Zufrieden zeigte sich die Bundespräsidentin dagegen mit der Diskussionskultur im Bundesrat. Bereits seit letztem Jahr diskutiere der Bundesrat über grössere Projekte vermehrt in Etappen, was sich bewähre. Es sei nicht ihr Anspruch gewesen, alles zu ändern, sagte sie auf die Frage, was sich unter ihrer Leitung im Gremium denn nun geändert habe. «Das ist nicht so meine Art.» (awp/mc/pg)

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