Freihandelsabkommen mit China brächte Firmen Konkurrenzvorteile
Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann.
Shanghai – Das angestrebte Freihandelsabkommen mit China wäre nicht der erste derartige Vertrag, den die Schweiz abschliesst. Für die Exportwirtschaft wäre er aufgrund der Grösse und der wirtschaftlichen Dynamik Chinas aber nicht einfach eines unter vielen Abkommen, sondern eines der bedeutendsten.
Beim Abschluss von Freihandelsabkommen geht es der Landesregierung primär darum, die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Schweiz zu fördern. Das war bei den ersten Abkommen in den 90er-Jahren so, als man mit den Verträgen gleichzeitig die Wirtschaftsreformen in den osteuropäischen Länder stärken konnte. Und daran hat sich auch einige Jahre später bei Verträgen mit Ländern im Mittelmeerraum nichts geändert.
Dort ist die Schweiz zusammen mit den anderen EFTA-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein einfach der EU gefolgt und hat mit eigenen Abkommen verhindert, dass ihre Unternehmen gegenüber jenen in der EU, welche mit Ländern wie Ägypten und Tunesien bereits tiefere Zölle und weniger Handelshemmnisse vereinbart hatte, an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Würden die derzeit laufenden Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen mit China erfolgreich abgeschlossen, wäre die Situation nochmals eine andere. Denn damit würde den Schweizer Unternehmen gegenüber den Wettbewerbern in der EU gar ein Wettbewerbsvorteil entstehen.
Stärkeres Wachstum dank Abkommen
Die EU dürfte auch einer der Gründe Chinas sein, mit der kleinen Schweiz jetzt überhaupt über Handelserleichterung zu sprechen – und das erst noch mit einem zügigen Verhandlungsfahrplan. Denn mit einem Vertrag mit der Schweiz könnte Peking Brüssel zeigen, dass es auch mit einem europäischen Partner am Verhandlungstisch in der Lage ist, in Freihandelsfragen für alle Seiten annehmbare Lösungen auszuarbeiten.
Der Schweiz kann das recht sein. Vor einigen Jahren hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) nämlich berechnet, dass der Handel mit Freihandelspartnern in den ersten vier Jahren nach Inkrafttreten des jeweiligen Abkommens fast doppelt so schnell gewachsen ist als im Durchschnitt.
Ein deutlich über dem Durchschnitt liegenden Zuwachs in neu mit Freihandelsabkommen verbundenen Ländern kann gemäss Seco auch bei den Direktinvestitionen festgestellt werden. Auch dieser Tatsache darf eine hohe Bedeutung für die Schweizer Volkswirtschaft beigemessen werden, denn in einem Land mit kleinem Binnenmarkt sind viele Unternehmen auf eine Expansion im Ausland angewiesen.
Abkommen wirft auch Schatten
Kein Wunder also, dass Bundesrat Johann Schneider-Ammann in den vergangenen Tagen auf seiner Reise in China in zahlreichen Ministerbüros für das Freihandelsabkommen geweibelt hat. Erklärt hat er sein Engagement explizit damit, dass ein Freihandelsabkommen die Beschäftigung in der Schweiz stärke und dadurch Arbeitsplätze erhalten oder gar geschaffen würden.
Eine solche Rechnung dürfte in einer volkswirtschaftlichen Gesamtbetrachtung richtig sein. Aus anderer Perspektive freilich wirft das Freihandelsabkommen aber auch dunkle Schatten. Bereits vor seinem Abflug nach Peking haben Hilfswerke und Entwicklungsorganisationen Schneider-Ammann aufgefordert, trotz der Freude über mögliche wirtschaftliche Vorteile Menschenrechtsfragen nicht zu vergessen.
Keine falschen Zugeständnisse
Und weil von einem Vertrag meistens beide Seiten profitieren – China pocht insbesondere auf einen besseren Marktzugang für landwirtschaftliche Produkte – haben sich auch bereits die Bauern zu Wort gemeldet. Sie haben Angst, dass mit einem Freihandelsabkommen ihre Erzeugnisse von chinesischer Billigware verdrängt werden. Auf solche Stimmen werden Bundesrat Schneider-Ammann und die Delegation, die mit China verhandelt, hören müssen, um nicht die falschen Zugeständnisse an China zu machen. Denn solche könnten einerseits zwar einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen herbeiführen, anderseits aber auch zur Folge haben, dass das Freihandelsabkommen im Parlament scheitert.
Konsumentenloyalität hilft Bauern
Dass Schneider-Ammann während seiner China-Reise mehrfach betonte, Aspekte der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit bei den Treffen mit chinesischen Amtskollegen angesprochen zu haben, zeigt, dass er sich bewusst ist, dass er sich nicht ausschliesslich um das Wohlergehen der Exportwirtschaft kümmern sollte, wenn er ein Freihandelsabkommen aushandelt.
Wie berechtigt die Angst der Bauern vor chinesischen Produkten ist, wird wohl erst der ausgehandelte Vertrag zeigen. Ausserdem können sich die Bauern auch auf die Loyalität der Schweizer Konsumenten verlassen. Diese sind offensichtlich ja durchaus bereit, für Produkte aus einheimischer Produktion etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Den Beweis dafür hat diese Woche der Grossverteiler Coop abgegeben. Er erklärte, zusammen mit den Produzenten die Geflügelbestände ausbauen zu wollen, weil derzeit die Nachfrage nach Schweizer Pouletfleisch das Angebot übersteige. (awp/mc/pg)