Finanzbranche: Weniger Prestige und tiefere Boni erwartet
Zürich – Fast die Hälfte der Beschäftigten in der Schweizer Finanzbranche ist der Ansicht, dass ihr Beruf in den nächsten fünf Jahren massiv an Prestige verlieren wird. Parallel dazu werden auch die Gehälter und Boni noch deutlich schrumpfen.
Für 2011 haben beispielsweise 61,9 Prozent der Befragten keinen oder einen tieferen Bonus als im Vorjahr erhalten. Dies sind zwei Erkenntnisse aus der ersten Online-Befragung über die Berufsaussichten in der Schweizer Finanzbranche. Eine Erhebung, die vom Finanzportal finews.ch und der Kommunikationsagentur Communicators im Juni 2012 bei über 500 Beschäftigten im Finanzsektor durchgeführt wurde. Das Image der Finanzbranche hat in den letzten Jahren bereits stark gelitten. Insgesamt 44,9 Prozent der Befragten finden, dass das Prestige der Berufe in Banken und Versicherungen in den nächsten fünf Jahren noch weiter sinken wird, und 8,3 Prozent der Umfrageteilnehmer gehen sogar von einem «drastischen» Rückgang aus.
Berufsaussichten «mittelmässig»
In ihrer Gesamtbeurteilung stuften 53,8 Prozent der Befragten die Berufsaussichten als «mittelmässig» ein und 15,6 Prozent raten von der Arbeit in der Finanzbranche ab. Nur gerade 2,1 Prozent der Umfrageteilnehmer stufen die Aussichten noch als «sehr gut» ein. Für 28,6 Prozent sind sie noch «intakt». Im Gleichschritt dazu erwarten 42,1 Prozent der Befragten, dass die Fixlöhne sinken werden, 12,9 Prozent rechnen gar mit markanten Rückgängen. Noch deutlicher ist diese Einschätzung bei den Boni, wo insgesamt 77,1 Prozent der Umfrageteilnehmer mit einem Rückgang rechnen.
Nicht-wertschöpfende Bereiche auf dem Vormarsch
Insbesondere das Investmentbanking und die rückwärtigen Bereiche (Backoffice) werden künftig die geringsten Karrierechancen bieten, wie 70,0 Prozent respektive 47,3 Prozent der Befragten finden. Demgegenüber werden die Bereiche Legal & Compliance (71,7 Prozent), Informatik (48,1 Prozent) sowie Private Banking/Wealth Management (40,9 Prozent) in den nächsten fünf Jahren grössere Karrierechancen bieten. Mit Ausnahme der Vermögensverwaltung haben damit nicht-wertschöpfende Tätigkeitsbereiche die grössten Karrierechancen.
Die Online-Umfrage wurde von insgesamt 520 Beschäftigten oder Studierenden in der Schweizer Finanzbranche beantwortet. Es handelt sich dabei um die erste Erhebung dieser Art, die in der Schweiz durchgeführt wurde. Mit welcher Skepsis die Beschäftigten ihrem eigenen Berufsstand begegnen, äussert sich auch darin, dass 43,7 der Befragten nur «vielleicht» wieder in die Finanzwelt einsteigen würden. Und 35,6 Prozent der Umfrageteilnehmer raten Schul- und Studienabgängern sogar kategorisch ab, bei Banken und Versicherungen anzuheuern.
Jeder fünfte Mitarbeiter erhielt keinen Bonus
Ernüchterung herrscht auch bei den Salären. Im vergangenen Jahr haben 22,6 Prozent der Beschäftigten keinen Bonus erhalten und bei 25,7 Prozent lag er 20 Prozent unter dem Vorjahr. Nur 17,3 Prozent erhielten einen höheren Bonus. Bei 68,7 Prozent der Umfrageteilnehmer machte der Bonus zwischen 1 und 25 Prozent des Jahres-Fixeinkommens aus.
Weniger Stellen in fünf Jahren
Mehr als drei Viertel aller Befragten (78,9 Prozent) erwarten, dass es in fünf Jahren weniger Stellen in der Schweizer Finanzbranche geben wird. Für den Einstieg werden künftig vermehrt spezialisiertes Finanzfachwissen (62,9 Prozent der Nennungen), Sozialkompetenz (55,4 Prozent) sowie fundierte Sprachkenntnisse wie Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch (54,4 Prozent) gefragt sein. Ebenfalls an Gewicht werden die permanente Weiterbildung sowie die Networking-Fähigkeiten (mit je 52,5 Prozent) gewinnen.
Fachausbildungen gefragt
Kaum mehr gefragt (3,8 Prozent) ist die militärische Offiziersausbildung; einen erstaunlich geringen Stellenwert hat auch Social-Media-Kompetenz (16,3 Prozent). Für das vermehrte Spezialwissen, das sich Finanzleute zulegen müssen, werden insbesondere Fachausbildungen an Bedeutung gewinnen, wie aus der Umfrage hervorgeht. Dazu zählen Zusatzausbildungen wie CFA oder Eidgenössische Diplome (49,4 Prozent) sowie Abschlüsse (MAS, CAS, DAS) in den Bereichen Banking & Finance (48,3 Prozent), Compliance Management/Controlling (44,2 Prozent). Nach wie vor hoch im Kurs stehen Universitätsabschlüsse, wie Rechtswissenschaften (45,6 Prozent), Betriebswirtschaft (44,6 Prozent) und Informatik (37,3 Prozent). Die bevorzugten Ausbildungselemente untermauern die Tatsache, dass nicht-wertschöpfende Bereiche wie Legal & Compliance und Informatik die grössten Karrierechancen bieten. (finews/mc/hfu)
Die Umfrage wird jährlich wiederholt werden.
Umfrageangaben
Teilnehmer: 520
Geschlecht: 87% Männer, 13% Frauen
Alter:
19,3% 20-30 Jahre
48,9% 30-45 Jahre
28,7% 45-60 Jahre
3,1% über 60 Jahre