«Information Governance soll durchgängige Nachvollziehbarkeit und Kontrolle erreichen – auch im Web»

«Information Governance soll durchgängige Nachvollziehbarkeit und Kontrolle erreichen – auch im Web»

Dr. Ulrich Kampffmeyer, Gründer und Geschäftsführer von PROJECT CONSULT.

Zürich – Zum qumram Web-Archive Community-Event vom 21. Juni 2012 haben wir den Referenten Dr. Ulrich Kampffmeyer, Gründer und Geschäftsführer der Hamburger Unternehmensberatung PROJECT CONSULT vorab ein paar Fragen gestellt.

Frage: Die übers Internet ausgetauschten Informationen steigen seit Jahren an. Gleichzeitig gewinnt die «Information Governance» für viele Organisationen ein immer grösseres Gewicht. Wie verhalten sich diese beiden Sachverhalte Ihrer Meinung nach zu einander?

Dr. Ulrich Kampffmeyer: Absolut kontrovers. Die Informationsflut ist auf Grund der Menge und der unterschiedlichen Eingangskanäle nicht mehr kontrollierbar.  Der Ruf nach mehr Kontrolle, nach mehr Governance, verhallt daher im realen Leben. Die Situation verschlechtert sich sogar, da neben traditionellen Kanälen wie Telefon, Fax, E-Mail und postalischem Brief inzwischen Portale, RSS, SMS, Communities, Messenger und andere Medien getreten sind. Die Aufgabe von Information Governance, auch als Information Management Compliance (IMC) zu sehen, ist wieder eine durchgängige Nachvollziehbarkeit und Kontrolle zu erreichen.

Welches sind Ihrer Meinung nach die hauptsächlichen Nutzen und Herausforderung der Durchsetzung von Information Governance im Web?

Information Governance im Web ist nur eine Facette der generellen Information Governance und die einfachste Variante wäre, dem öffentlichen Web einfach keine Informationen anzuvertrauen. Dies ist aber nicht mehr möglich, da das Web nicht nur die private Kommunikation verändert hat, sondern auch in die geschäftliche Kommunikation massiv vorgedrungen ist. Es sind im Prinzip zwei grosse Herausforderungen: einmal zu kontrollieren, was überhaupt ins Web gelangt. Dies ist nicht allein technische Frage, sondern hier geht es auch um die Schaffung von Verantwortungsbewusstsein, Umsetzung von einfach handhabbaren Regeln und anderen organisatorischen Massnahmen. Zum zweiten geht es darum, zu ermitteln und nachzuvollziehen, was im Web in Bezug auf das eigene Unternehmen, die Produkte, die Märkte, die Mitarbeiterkommentare, usw. passiert. Hier geht es zunächst um Fragen des Monitorings, der Nachvollziehbarkeit und dann der Dokumentation. Dies lässt sich nur durch die Kombination organisatorischer Massnahmen mit technischen Lösungen zusammen realisieren. Vor allem gilt es aber zunächst überhaupt einen Plan zu haben, was warum und wie gemacht werden muss. Am Anfang der Governance-Massnahmen steht immer eine Vision, ein Konzept, eine Richtlinie. Diese zu erstellen, zu vermitteln, umzusetzen und nachzuhalten allein ist schon eine Herausforderung für sich.

Welche Ansätze zur Web-Archivierung sind Ihrer Meinung nach die richtigen im Kontext der Information Governance?

Die Web-Archivierung ist nur ein Aspekt der Information Governance. Man muss hier auch unterscheiden, ob es um die Archivierung von Transaktionen oder Journalen im E-Business geht mit dem Anspruch, Anforderungen von Handels- und Steuerrecht zu erfüllen, ob Angebote und Foreneinträge aus Produkthaftungsgründen dokumentiert werden sollen, oder ob ganze Webseiten im Zuge von Systemwechseln oder aus historischen Gründen bewahrt werden sollen. Je nach Anforderung gilt es hier entweder Inhalte unveränderbar und nachweisbar «einzufrieren» oder ganze Seiten sogar lauffähig und recherchierbar weiterhin vorzuhalten. Die verwendeten Systeme fügen noch eine Reihe von Anforderungen hinzu, ob es sich um einfache HTML-Seiten handelt, einen Sharepoint, ein CMS, ein Portal mit Views in andere Seiten, ein Digital Asset Management, eine Datenbank oder was auch immer. Schnell kommt man durch Personalisierung und Individualisierung von Web-Angeboten auch hier an die Grenzen der Dokumentationsfähigkeit. Je nach Anforderung und Plattform wird die Web-Archivierung anders aussehen. Bei der Information Governance sind die Anforderungen zu definieren und Aufgabe einer Web-Archivierungslösung ist es, sehr flexibel darauf reagieren zu können – zumal sich die Anforderungen im Laufe des Lebenszyklus und gerade bei langen Zeiträumen der Vorhaltung ändern.

Begriffe wie Big Data, eDiscovery, Social Business oder Cloud sind in aller Munde. Die Internet-Technologien nehmen dabei ein wesentliches Gewicht ein. Welchen Beitrag leistet die Web-Archivierung dazu?

Viele dieser Begriffe sind nur neue Etiketten. Die grundsätzlichen Anforderungen sind eigentlich über die Jahre gleich geblieben. Formate, Plattformen und Nutzungsmodelle haben sich geändert, jedoch die Anforderungen an die Aufbewahrung und Archivierung sind geblieben. Irgendwo oder durch irgendwen wird entschieden, was aufbewahrt werden muss. Dies kann eine Person sein, aber immer mehr solcher Entscheidungen werden durch Regeln und Prozesse getroffen, müssen angesichts der Informationsflut auch automatisiert werden! Formate und Berechtigungen sind hierbei weitere Problemfelder. Für eine langfristige Verfügbarmachung gilt es, stabile Formate zu wählen und keine personenbezogenen Berechtigungen zu erlauben. Alle sogenannten «modernen» Technologie-Ansätze wie Cloud, Mobile, Apps, Big Data etc. «kümmern» sich nicht um das Thema langfristige Archivierung. Man geht davon aus, immer alles online zu halten und im Zweifelsfall die Anwendung aufzurufen, mit der die Information erzeugt wurde.  Dies ist kein Archivierungskonzept, wie es in der Vergangenheit üblich war. Wenn man der Cloud vertraut und ständig migriert, werden auch Inhouse-Lösungen obsolet – wenn denn das Thema «Compliance» mitspielt. Deshalb trennen sich zur Zeit zwei Welten der Web-Archivierung: einmal Archivierung gleich im Web und Inhouse-Archivierung von Webinhalten. Moderne Web-Archivierungssoftware muss beide Strategien unterstützen, weil es auch hier keine Trennung der Welt in Schwarz/Weiss gibt, sondern wir uns auf eine hybride, kooperative Umgebung einstellen müssen. Web-Archivierung jedweder Couleur muss dabei als Infrastruktur verstanden werden, die einheitlich und transparent allen Anwendungen zur Verfügung steht. Überhaupt das Bewusstsein zu schaffen, dass archiviert werden muss, ist dabei die erste Hürde, die genommen werden muss!» (uvision/mc/ps)

Das Interview mit Reto Zbinden im Vorfeld des «qumram Web-Archive Community-Event» finden Sie hier.

Eckdaten des qumram Web-Archive Community-Events

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