Chinas Konjunktur zusehends schwächer
Peking – Die konjunkturellen Vorzeichen für die weltweit zweitgrösste Volkswirtschaft China stehen alles andere als gut. Jüngst enttäuschten neue Konjunkturdaten reihenweise, teils sogar massiv. Ob die chinesische Regierung jedoch mit wachstumsstimulierenden Massnahmen reagieren wird, gilt unter Experten als umstritten. Denn zum Teil ist die Wachstumsabschwächung gewollt, um ein Überhitzen der Wirtschaft und Preisblasen an den Vermögensmärkten zu verhindern. Allerdings verschafft die zuletzt spürbar gesunkene Inflation Spielraum für wachstumsstärkende Massnahmen.
Nach sehr schwachen Zahlen vom chinesischen Aussenhandel, die bereits am Donnerstag veröffentlicht wurden, sorgte am Freitag ein Reigen von Konjunkturdaten für Enttäuschung. So ist die Industrieduktion im April so schwach wie seit drei Jahren nicht mehr gewachsen. Auch die Binnennachfrage scheint zu schwächeln: Die Einzelhandelsumsätze wuchsen im April so gering wie seit Anfang 2011 nicht mehr. Die wichtigen Anlageinvestitionen der Unternehmen legten mit 20,2 Prozent zwar im internationalen Vergleich stark zu. Für chinesische Verhältnisse – die Investitionen gelten als der stärkste Wachstumstreiber im Reich der Mitte – sind die Zahlen aber schwach. So ist die Investitionsneigung der Unternehmen zurzeit so gering wie seit fast zehn Jahren nicht mehr.
Experte: Abkühlung bewusst herbeigeführt
Spekulationen über zusätzliche Konjunkturprogramm der chinesischen Regierung teilen jedoch nicht alle Experten. «Die derzeitige Abkühlung wird von der Politik bewusst herbeigeführt, indem sie beispielsweise strenge Massnahmen gegen Immobilienspekulationen ergreift», schreibt Analyst Charlie Lay von der Commerzbank. Zudem verweist der Experte auf die Möglichkeit, dass die schwachen Zahlen zum Teil dem chinesischen Neujahrsfest geschuldet sein könnten. Im Dreimonatsschnitt zeige sich zumindest der Aussenhandel immer noch robust, unterstreicht Lay. Auch dürfte die Talsohle bald erreicht sein, wenngleich die Aus- und Einfuhren – nicht zuletzt wegen der europäischen Schuldenkrise – schwach bleiben dürften.
Inflation deutlich gesunken
Positiv werten Ökonomen unterdessen die zuletzt deutlich gesunkene Inflation in China. Im April gab die Jahresrate weiter auf 3,4 Prozent nach. Mitte 2011 hatte sie noch fast doppelt so hoch bei 6,5 Prozent gelegen. «Ein nachlassender Inflationsdruck gibt den Behörden mehr Handlungsspielraum, um das Wirtschaftswachstum zu unterstützen», kommentierte die Fondsgesellschaft Fidelity. So könnte die chinesische Notenbank den Mindestreservesatz für Bankeinlagen senken oder die Regierung fiskalpolitische Instrumente einsetzen. Die Experten nennen unter anderem eine Förderung des Infrastrukturbaus oder Steuersenkungen. (awp/mc/pg)