Steuerabkommen: Kretschmann beisst in Bern auf Granit
Nicht hier um zu verhandeln: Winfried Kretschmann, Ministerpräsident Baden-Württemberg (Bild: winfried-kretschmann.de).
Bern – Grosser Bahnhof für Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann am Montag in Bern. Vier Bundesratsmitglieder empfingen ihn zum Antrittsbesuch, darunter Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf. Am Steuerabkommen mit Deutschland werde nichts Mehr geändert, wurde ihm allerdings klargemacht. Dennoch betonte Kretschmann, der als einziger am Nachmittag vor die Medien trat, die Beziehungen zwischen Baden-Württemberg und der Schweiz seien intensiv und freundschaftlich. Und: Er sei nicht hier, um zu verhandeln.
Verhandlungspartner im Steuerabkommen sind Bern und Berlin – und nicht Stuttgart. Baden-Württemberg kann aber im deutschen Bundesrat mithelfen, das Abkommen zu blockieren. Kretschmann stört, dass Steuersünder mit dem Inkrafttreten des Steuerabkommens am 1. Januar 2013 genügend Zeit hätten, ihr Geld aus der Schweiz woanders hinzuverschieben, wo es unbehelligt bliebe. Ihm sei von Widmer-Schlumpf versichert worden, diese so genannten Abschleicher würden registriert.
Skepsis gegenüber Steuerabkommen
Ob Baden-Württemberg dem Steuerabkommen mit der Schweiz zustimmen werde, sei noch nicht entschieden, sagte Kretschmann, der sich in verschiedenen Medien bisher negativ dazu geäussert hatte. Im Moment tendiere «die Waage zu Nein». Allerdings sei vereinbart worden, dass sich Baden-Württemberg und die Schweiz vor den letzten Weichenstellungen noch einmal austauschen. Die grün-rote Koalitionsregierung in Baden-Württemberg mit Kretschmann als erstem und einzigem grünen Regierungschef eines Bundeslandes spielt eine wichtige Rolle im Ratifizierungsprozess des von der Bundesregierung in Berlin bereits beschlossenen Abkommens.
Im Bundesrat, der deutschen Länderkammer, können Linke und Grüne das Abkommen blockieren. Baden-Württemberg kann mit seinen sechs – von total 69 – im Bundesrat vertretenen Stimmen aber theoretisch auch aus dem linken Lager ausscheren. Dass Bern Stuttgart so weit ködern kann, bezweifeln die allermeisten Beobachter.
Nichts Konkretes im Fluglärmstreit
Im Fluglärmstreit um die Zahl der Anflüge über Süddeutschland auf Zürich-Kloten habe man sich konkret nicht angenähert, aber man wolle einvernehmlich zu einer Lösung kommen, sagte Kretschmann. Er und Bundesrätin Doris Leuthard hätten einander die Positionen dargelegt. Deutschland und die Schweiz wollten ursprünglich einmal bis zum Sommer einen Fluglärm-Staatsvertrag aushandeln. Die Verhandlungen gingen nun weiter. Die Vorbereitungen der Delegationen brauchten aber noch Zeit, sagte Leuthards Sprecherin Annetta Bundi der Nachrichtenagentur sda. Die nächste Verhandlungsrunde werde in den kommenden Wochen stattfinden. Gesprochen haben Leuthard und Kretschmann auch über den Ausbau der Rheintalbahn in Deutschland und die NEAT.
Am Nachmittag traf sich Kretschmann auch mit Bundesrat Didier Burkhalter, der die Schwerpunkte in der Schweizer Aussenpolitik bereits verschoben hat zu Gunsten einer intensiveren Pflege der Nachbarländer.
Wichtige Wirtschaftspartner
Das erste Treffen Kretschmanns hatte bereits am Vormittag mit Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann stattgefunden. Das Resultat: Die Schweiz und Baden-Württemberg wollen ihre Zusammenarbeit bei Bildung, Forschung, Innovation und Entwicklung verstärken. Baden-Württemberg ist mit einem Handelsvolumen von 32,8 Mrd CHF (2011) ein wichtiger Handelspartner für die Schweiz. Rund ein Drittel aller Schweizer Exporte nach Deutschland gehen nach Baden-Württemberg, während rund ein Viertel aller Schweizer Importe aus Deutschland aus diesem Bundesland stammen. (awp/mc/ps)