Ralf Beyeler, Telecom-Experte comparis.ch
Ralf Beyeler, Telecom-Experte comparis.ch
von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Beyeler, Comparis hat in einer Umfrage ermittelt, dass heute ungefähr 2,9 Mio Personen in der Schweiz ein Smartphone besitzen. Was macht aus ihrer Sicht den Erfolg der Smartphones aus?
Ralf Beyeler: Das Internet wird grundsätzlich immer wichtiger und viele wollen auch unterwegs nicht auf die Internet-Dienste verzichten. Insbesondere dürften auch soziale Netzwerke wie Facebook dazu beitragen, denn man möchte auch unterwegs wissen, was die Kollegen und Freunde gerade schreiben. Heutige Smartphones sind einfacher zu bedienen und es macht Spass, mit den Fingern auf dem Touchscreen herumzuspielen. Und auch nicht zu vergessen: Heute ist die Nutzung bezahlbar, zumindest wenn man das Smartphone im Inland braucht.
Ende 2007 waren Smartphones noch die Ausnahme. Wie ist die Entwicklung in den folgenden Jahren verlaufen?
Wir haben die Leute befragt, wann sie ihr erstes Smartphone gekauft haben. Vor Ende 2007 hatten lediglich 3% der heutigen Smartphone-Besitzer ihr erstes Smartphone gekauft. Ab 2008 ging es aufwärts. Die meisten Smartphone-Besitzer haben noch nicht allzulange ein Smartphone, denn 60% der Smartphone-Besitzer haben ihr erstes Gerät in den Jahren 2010 und 2011 gekauft.
» Es dürfte in Zukunft mehr Smartphone-Nutzer geben, allerdings erwarte ich, dass 2012 weniger Personen ihr erstes Smartphone kaufen werden als 2011.» Ralf Beyeler, Telecom-Experte comparis.ch
Wie geht es weiter? Ist überhaupt noch ein Markt für Mobiltelefone vorhanden, wie wir sie aus früheren Jahren kennen?
Auch in Zukunft gibt es Leute, die wollen ein ganz einfaches Handy kaufen, um damit telefonieren zu können oder SMS auszutauschen. Diese Gruppe darf man nicht unterschätzen. Es dürfte in Zukunft mehr Smartphone-Nutzer geben, allerdings erwarte ich, dass 2012 weniger Personen ihr erstes Smartphone kaufen werden als 2011. Schwieriger als einfache Handys dürften es traditionelle Mittelklass-Handys ohne Touchscreen haben.
Bei den jungen Erwachsenen zwischen 15 und 19 Jahren beträgt der Smartphone-Anteil 80 Prozent. Je älter die Personen aber sind, desto kleiner wird der Smartphone-Anteil. Welche Erklärungen gibt es für Sie?
Es überrascht mich nicht. Die heutigen Jugendlichen sind mit dem Computer aufgewachsen und haben sich meist schon sehr früh in der digitalen Welt bewegt. Ich kann verstehen, dass junge Erwachsene diese Dienste viel stärker auch unterwegs nutzen wollen.
Apple hat den Smartphones mit dem iPhone zum grossen Durchbruch verholfen. Welchen Anteil haben die Geräte mit dem Android-Betriebssystem am heutigen Boom?
Zwischen Apple und den Herstellern von Smartphones mit dem Android-Betriebssystem hat ein Wettkampf um neue Funktionen stattgefunden. Die Smartphones mit Android-Betriebssystem sprechen teilweise auch Kunden an, die durch die Lifestyle-Welt des iPhones nicht angesprochen werden. Sowohl Apple wie auch Android-Geräte haben zum Smartphone-Boom beigetragen.
«Es kann zwar zu Überraschungen kommen, doch ich bin sehr skeptisch, dass Windows Mobile einen bedeutenden Marktanteil ergattern wird.»
Obwohl die Konkurrenz ein Smartphone nach dem anderen auf den Markt wirft, ist das iPhone unbestrittener Marktleader. Wird Apple diesen Vorsprung auf Dauer halten können?
Apple dürfte es schwer haben, die heutige dominante Stellung zu halten. Das iPhone wird zwar auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, doch Android dürfte weiter aufholen. Das iPhone spricht eine begrenzte Kundengruppe an. Android-Geräte gibt es von mehreren Herstellern in zahlreichen Ausführungen, die verschiedene Kundengruppen ansprechen. Preisbewusste Kunden können zudem auch günstige Android-Handys kaufen.
Hat Windows Mobile eine Chance, den riesigen Rückstand auf die Konkurrenz aufzuholen?
Es kann zwar zu Überraschungen kommen, doch ich bin sehr skeptisch, dass Windows Mobile einen bedeutenden Marktanteil ergattern wird. Ich schätze, dass der Zug für Windows Mobile abgefahren ist.
Was werden aus heutiger Sicht die nächsten Entwicklungsschritte der Smartphones sein?
Dies ist schwierig zu beantworten. Die Geräte werden laufend technisch verbessert: Dazu gehören höhere Bildschirm-Auflösungen, schnellere Prozessoren mit mehreren Kernen, schnellere Datenübertragung und bessere Kameras. Wichtig wäre für die Kunden auch, dass die Akkus länger halten würden. Ich denke jedoch, dass das Akkuproblem vorerst nicht gelöst werden kann, da die Geräte immer leistungsfähiger werden.
«Es ist erstaunlich: Die allermeisten Kunden telefonieren mit einem Angebot von Swisscom, Orange oder Sunrise. Diese Angebote sind teurer als die Angebote von kleineren Anbietern.»
Schweizer Privatkunden sind nicht nur bereit, viel Geld für ihre Smartphones auszugeben, sie zahlen auch viel für ihre Abos – zu viel, wie Comparis Anfang Jahr wieder errechnet hat. Gerade mal 2 % der Kunden telefonieren und surfen demnach mit dem für sie günstigsten Abonnement. Sie haben das Sparpotenzial auf 2,3 Mrd Franken jährlich hochgerechnet, nach 1,7 Mrd im Jahr zuvor. Woher diese markante Steigerung?
Es ist erstaunlich: Die allermeisten Kunden telefonieren mit einem Angebot von Swisscom, Orange oder Sunrise. Diese Angebote sind teurer als die Angebote von kleineren Anbietern. Die kleineren Anbieter sind im Jahr 2011 noch günstiger geworden, während die grösseren Anbieter etwa gleich teuer geblieben sind. Dadurch steigt das Sparpotenzial.
Sind die Kunden einfach zufrieden mit ihrem Anbieter oder vielmehr träge?
Die jährliche Kundenzufriedenheitsumfragen von comparis.ch zeigen, dass die Kunden mit ihrem Anbieter eigentlich zufrieden sind. Allerdings dürften die Kunden auch träge sein. Und nicht vergessen darf man auch, dass Sunrise und Orange immer noch Knebelverträge haben. Wenn man sich an den von den Anbietern vorgegebenen Prozess hält, ist eine Kündigung mit Mitnahme der Telefonnummer sehr schwierig. Besser ist es, per eingeschriebenen Brief zu kündigen und darauf zu bestehen, dass die Kündigung akzeptiert wird. Sollte der Anbieter die Kündigung nicht akzeptieren, dann sollte man sich viel häufiger wehren, z.B. indem sie sich an die für Kunden kostenlose Ombudsstelle Ombudscom wendet.
Für die Anbieter besteht demnach nicht viel Ansporn, die Tarife zu senken?
Swisscom, Sunrise und Orange leben gut mit der bisherigen Situation. Werden die Preise gesenkt, dürften vor allem die bestehenden Kunden auf die günstigeren Tarife wechseln. Die Anbieter würden damit viel Umsatz vernichten. Da die Kosten unverändert bleiben bzw. aufgrund der Werbemassnahmen sogar noch steigen, schlagen sich günstigere Tarife direkt auf den Gewinn des Anbieters nieder. Ausserdem hat es in der Vergangenheit kein Schweizer Anbieter geschafft, mit einer Billigstrategie viele Kunden zu gewinnen. Weshalb sollte ein Anbieter dieses Risiko eingehen?
Herr Beyeler, besten Dank für das Interview.
Zur Person:
Ralf Beyeler ist seit 2001 Telecom-Experte bei comparis.ch. Er beschäftigt sich seit der Liberalisierung des Marktes im Jahr 1998 mit Tarifen, Produkten sowie Anbietern aus der Telecom-Branche. Das Urteil von Ralf Beyeler wird von Lesern und Anbietern gleichermassen geschätzt. Er beobachtet den Telecom-Markt genau und schreibt regelmässig über Telekommunikation, betreibt einen Blog, ist auf Twitter aktiv und verfasst Artikel und Kolumnen für verschiedene Publikationen.