Deutsche Wirtschaft steht vor kräftigem Aufschwung
Berlin – Die deutsche Wirtschaft wird in diesem Jahr um 1,0 Prozent und im nächsten Jahr um 2,4 Prozent wachsen und steht damit vor einem kräftigen Aufschwung. Dies prognostiziert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) in seinen „Frühjahrsgrundlinien 2012“.
Der Aufschwung wird vor allem von der Binnenwirtschaft getragen. Zum Winterhalbjahr war die Erwerbstätigkeit in Deutschland auf einem historischen Höchststand und die Zahl der Arbeitslosen war so niedrig wie seit der deutschen Wiedervereinigung nicht mehr. „Wegen des guten Arbeitsmarkts werden die Löhne kräftig steigen und so den privaten Konsum deutlich antreiben“, sagte DIW-Konjunkturchef Ferdinand Fichtner bei der Vorstellung des Gutachtens in Berlin.
Im Winterhalbjahr 2011/2012 ist die deutsche Wirtschaft allerdings kaum gewachsen. Nicht nur die Nachfrage aus dem Ausland verlief infolge der Schuldenkrise gedämpft. Auch die privaten Haushalte und die Unternehmen haben sich mit Ausgaben zurückgehalten. Zuletzt hat sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft aber wieder aufgehellt – vor allem, weil eine Eskalation der Schuldenkrise zunächst eingedämmt wurde. Im weiteren Verlauf dürfte die deutsche Wirtschaft wieder Fahrt aufnehmen.
Arbeitsmarkt robust, aber weniger dynamisch
Die Konjunkturdelle im Winterhalbjahr 2011/2012 hat auf dem Arbeitsmarkt bisher keine Spuren hinterlassen. Im Gegenteil: Trotz schwacher Wirtschaftsentwicklung haben die Unternehmen bis zuletzt Beschäftigung aufgebaut. Auf Dauer werden die Unternehmen nach Einschätzung des DIW Berlin die damit verbundene schwächere Gewinnentwicklung aber nicht hinnehmen: „Der Aufbau der Beschäftigung dürfte im Sommerhalbjahr 2012 vorübergehend zum Stillstand kommen, einen deutlichen Rückgang der Erwerbstätigen sehen wir aber nicht“, so DIW-Konjunkturexperte Simon Junker. Insgesamt dürfte die Arbeitslosenquote nach Einschätzung des DIW Berlin in diesem Jahr bei 7,0 Prozent liegen, im nächsten Jahr mit 6,7 Prozent sogar noch einmal etwas darunter.
Privater Konsum wächst kräftig
Die gute Arbeitsmarktsituation treibt den privaten Verbrauch an: Auch wenn die Konsumenten sich zuletzt vor dem Hintergrund der Schuldenkrise im Euroraum etwas zurückgehalten haben, dürften die Konsumausgaben nun wieder deutlich zulegen. „Die zunehmende Arbeitsplatzsicherheit und vor allem die kräftig steigenden Löhne dürften dieses und nächstes Jahr zu hohen Zuwächsen beim privaten Konsum führen und so die Inlandsnachfrage stärken“, so Junker.
Inflation bleibt hoch
Die Inflation dürfte nach DIW-Einschätzung mit etwa zwei Prozent in diesem und nächstem Jahr für deutsche Verhältnisse relativ hoch sein. Die Ursache: Die Nachfrage in Deutschland brummt und die Unternehmen können höhere Kosten, etwa aufgrund der steigenden Löhne oder hoher Rohstoffpreise, an die Verbraucher weitergeben. „Für einen kräftigen Aufschwung sind die Inflationsraten aber alles andere als bedenklich“, sagte Fichtner. Entscheidender ist nach DIW-Einschätzung, dass die Europäische Zentralbank ein wachsames Auge auf die Finanzmärkte hat.
Stärkere Haushaltskonsolidierung wünschenswert
Die Defizitquote im Staatshaushalt hat sich bereits im Jahr 2011 deutlich zurückgebildet und wird in diesem Jahr auf 0,7 und im nächsten Jahr auf 0,3 Prozent zurückgehen. Damit dürfte die Einhaltung der gesetzlichen Schuldenbremse nicht gefährdet sein. Die DIW-Experten kritisieren jedoch, dass die Rückführung der Defizite nur langsam vorangeht: „Vor allem im Jahr 2013 ist der Rückgang des Defizits nur der guten Konjunktur zu verdanken und nicht den Sparbemühungen der Regierung“, sagte Junker. „Eine etwas stärkere Konsolidierung wäre angesichts des immer noch unterfinanzierten Bundeshaushalts schon wünschenswert.“
Weltwirtschaft: Schwächephase erst nächstes Jahr überwunden
Während die deutsche Wirtschaft vor einem kräftigen Aufschwung steht, wird die Weltwirtschaft nach Einschätzung des DIW Berlin im laufenden Jahr nur gedämpft wachsen – vor allem in den Industrieländern. „Zwar hat die Gefahr einer Eskalation der Schuldenkrise abgenommen, aber in vielen Euro-Ländern sind die Sparprogramme eine Belastung für die Konjunktur“, erläuterte Fichtner.
Jüngste Anzeichen für eine konjunkturelle Belebung in den USA überzeugen die DIW-Forscher nicht: „Der Arbeitsmarkt ist noch immer in schlechter Verfassung und die Menschen sind hoch verschuldet – wo soll denn da Wachstum herkommen?“, bemerkte Fichtner skeptisch. Die DIW-Forscher setzen eher auf eine etwas kräftigere Entwicklung in den großen aufstrebenden Volkswirtschaften wie China oder Brasilien: „Die Geldpolitik in den Schwellenländern ist wieder deutlich expansiver“, so Fichtner. „Dies dürfte dort im weiteren Verlauf wieder zu höherem Wachstum führen, das auch den deutschen Exporten zu Gute kommt.“ (DIW/mc/pg)