An Unabhängigkeit der SNB wird nicht gerüttelt
Bern – Die Unabhängigkeit der Schweizerischen Nationalbank (SNB) wird nicht beschnitten. Der Nationalrat hat Vorstösse abgelehnt, mit denen der SNB engere Zügel angelegt werden sollten. Den Entscheiden vorausgegangen ist ein teilweise harter Schlagabtausch zur Affäre Hildebrand. Über zweieinhalb Stunden stritt der Nationalrat darüber, wie die Vorkommnisse zu werten sind, die am 9. Januar zum Rücktritt von SNB-Präsident Philipp Hildebrand geführt haben.
In der von Zwischenrufen, Pfiffen und Applaus unterbrochenen Debatte war für die SVP der Fall klar: Hildebrand hat als Führungskraft auf der ganzen Linie versagt. Die Devisengeschäfte seiner Frau und sein Verhalten haben der Glaubwürdigkeit der Nationalbank schweren Schaden zugefügt. Statt dies in der nötigen Schärfe zu verurteilen, würden die anderen Parteien und die Medien den Überbringer der Nachricht, Nationalrat Christoph Blocher (SVP/ZH), an den Pranger stellen, erklärten die SVP-Vertreter. Versagt hat Hildebrand nach Ansicht der SVP aber auch in der Währungspolitik, indem er die Währungsreserven «in sinnlosen Euro-Käufen aufblähte», was im Jahr 2010 zu einem SNB-Verlust von 21 Milliarden Franken geführt habe.
SVP isoliert
Für die meisten Redner der anderen Parteien beging Hildebrand mit den Devisentransaktionen zwar «moralische Fehler» oder verhielt sich «ungeschickt». Reglemente oder gar Gesetze habe er aber nicht verletzt, sagten insbesondere Vertreter von FDP und GLP. Kritisiert wurde aber die ungenügende Reglementierung der Eigengeschäfte. Und die SP rügte das Verhalten des Bankrats als «nonchalant». Nun müsse dafür gesorgt werden, dass der Bankrat seine Aufsichts- und Kontrollfunktionen in Zukunft wahrnehme. Ausserdem müsse die SNB ihre Bemühungen verstärken, den Franken/Euro-Kurs Richtung 1.40 CHF zu heben.
Einer Meinung waren sich die Redner mit Ausnahme jener aus den Reihen der SVP, dass die Volkspartei die ausserordentliche Debatte zur Affäre Hildebrand nur beantragte, um die Nationalbank zu schwächen und auf einen anderen geld- und währungspolitischen Kurs zu zwingen.
Gegen eine PUK
Eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) wie sie die SVP will, lehnt die Mehrheit ab. Es reiche wenn die Geschäftsprüfungskommissionen die Ereignisse ausleuchteten. Eine PUK käme viel zu spät, unter anderem weil der Entscheid für oder gegen eine PUK frühestens in der Sommersession getroffen werden kann. Nach Ansicht von FDP-Präsident Fulvio Pelli geht es der SVP gar nicht um die Suche nach der Wahrheit. Indem die SVP systematisch Gerüchte streue und ständig die Polemik fördere, wolle sie einzig die Institutionen schwächen, sagte Pelli. Die Motionen der SVP zeigten, dass es der SVP um einen währungspolitischen Kurswechsel gehe.
Auch die Finanzministerin kritisierte das Gebahren der SVP. Sie rief dazu auf nicht zuzulassen, dass gut funktionierende Institutionen und deren Repräsentanten miesgemacht würden. So werde letztendlich schlecht gemacht, was die Schweiz auszeichne und erfolgreich mache.
Widmer-Schlumpf: Erfolgreiche Institutionen nicht schlecht reden
Zu den Schweizer Erfolgsrezepten gehört laut Widmer-Schlumpf auch die Unabhängigkeit der Nationalbank. Daran solle nicht gerüttelt werden. Und auch die Aufsicht solle nicht grundlegend verändert werden. Es reiche, wenn der Bankrat das nun verschärfte Reglement durchsetze. Noch viel weniger soll der Gesetzgeber laut Widmer-Schlumpf direkt in die Geld- und Währungspolitik der SNB eingreifen. Der Nationalrat folgte diesem Appell und lehnte alle Vorstösse ab, welche die Unabhängigkeit der SNB beschneiden wollten. Mit 129 zu 52 Stimmen lehnte er eine Motion ab, in der die SVP gesetzliche Grundlagen forderte, um der Zentralbank in Bezug auf Währungseinkäufe «klare, disziplinierende» Aufsichtsregeln auferlegen zu können.
Mit 129 zu 53 Stimmen sagte der Rat Nein zu einer zweiten Motion, in der die SVP der SNB eine Eigenmittel- und Währungsreservequote von mindestens 40% vorschreiben und den Verkauf der verbliebenen Goldreserven verbieten wollte.
Rolle der Kantone nicht stärken
Noch weniger Unterstützung fand die Motion von Ruedi Lustenberger (CVP/LU), die mit 147 zu 24 Stimmen bei 11 Enthaltungen abgelehnt wurde. Lustenberger wollte den Kantonen im Bankrat mehr Einfluss gewähren. So könnten diese dafür sorgen, dass die Gewinnausschüttung an die Kantone nicht ins Stocken gerate. Die Parteien und der Bundesrat vertraten in dieser Frage die Ansicht, dass die Politik der SNB nicht durch den Gewinnanspruch der Kantone beeinflusst werden soll.
Fortsetzung im Ständerat am Donnerstag
Stillschweigend hat der Nationalrat ein Postulat angenommen, in dem Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL) eine Überprüfung des währungspolitischen Instrumentariums verlangte. Der Bundesrat, der das Postulat befürwortete, wird nun in einem Bericht darlegen, ob und in welcher Form die Instrumente der Nationalbank erweitert werden sollen. Die Diskussion zur Affäre Hildebrand und der Nationalbank geht bereits am Donnerstag weiter: Auch im Ständerat ist zur Affäre Hildebrand eine ausserordentliche Session traktandiert. (awp/mc/upd/ps)