EU-Beschluss zu Athen-Paket voraussichtlich am Mittwoch
Horst Reichenbach, Chef EU-Taskforce für Griechenland.
Brüssel – Für die Zukunft des krisengeschüttelten Griechenland werden in dieser Woche entscheidende Weichen gestellt. Nach dem historischen Schuldenschnitt werden die Euro-Länder über das zweite Hilfspaket im Umfang von 130 Milliarden Euro entscheiden. Wie Diplomaten am Montag kurz vor Beginn eines Treffens der Euro-Finanzminister in Brüssel berichteten, müssten in einzelnen Mitgliedstaaten noch parlamentarische Hürden genommen werden, so dass die endgültige Entscheidung voraussichtlich am Mittwoch fallen werde.
Ausserdem will eine Expertengruppe der EU dem Land helfen, die seit Jahren schrumpfende Wirtschaft anzukurbeln und den maroden Staatsapparat mit Reformen auf Vordermann zu bringen. Die «Task Force» traf am Montag in Athen ein. Am Donnerstag will der deutsche Chef Horst Reichenbach dann seinen Bericht mit konkreten Vorschlägen vorlegen. Die griechische Wirtschaft schrumpft seit mehr als vier Jahren ununterbrochen. Allein 2011 erreichte die Rezession den Rekordwert von rund minus 7 Prozent. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 21 Prozent.
180 Projekte unter der Lupe
Insgesamt hat die Expertengruppe 180 Projekte in den Sektoren Verkehr, Tourismus und Energie sowie Landwirtschaft ins Visier genommen. Die «Task Force» will zunächst nach Möglichkeiten suchen, wie für Griechenland bereitstehende Gelder aus EU-Fonds in Höhe von rund 15 Milliarden Euro eingesetzt werden könnten. Investitionen sind dringend nötig. Zugleich wird aber damit gerechnet, dass die Experten auch weitere Kürzungen und Reformen in allen Bereichen des Staates vorschlagen werden. Mit diesen neuen Massnahmen sollen bis 2014 weitere zehn Milliarden Euro gespart werden.
Euro-Finanzminister beraten in Brüssel
Am Montag wollten die Euro-Finanzminister in Brüssel abermals über die Rettung Griechenlands vor der Staatspleite beraten. Die 17 obersten Kassenhüter des Eurogebiets hatten bereits am vergangenen Freitag rund 35 Milliarden Euro aus dem zweiten Hilfspaket auf den Weg gebracht, um den Schuldenschnitt für private Gläubiger wie Banken, Versicherungen und Fonds abzusichern. Das insgesamt 130 Milliarden schwere Hilfspaket ist zwar grundsätzlich bereits gebilligt, muss aber noch endgültig verabschiedet werden.
Das neue Paket soll dafür sorgen, dass Griechenlands Schuldenberg von rund 160 Prozent der Wirtschaftsleistung bis Ende des Jahrzehnts auf ein Niveau von rund 120 Prozent schrumpft. Dieser Wert gilt als halbwegs tragfähig, erlaubt sind aber eigentlich nur 60 Prozent. Zuletzt beliefen sich die Verbindlichkeiten nach vorläufigen Zahlen der Europäischen Statistikbehörde Eurostat auf rund 347 Milliarden Euro.
Reduktion des Schuldenbergs um 105 Mrd Euro
Griechenland hatte sich in der vergangenen Woche mit der grössten Staatsumschuldung aller Zeiten Luft im Kampf gegen die Pleite verschafft. Nach langwierigen Verhandlungen hatte das griechische Finanzministerium am Freitag eine hohe Beteiligung an dem Forderungsverzicht privater Gläubiger bekanntgegeben. Um 105 Milliarden Euro soll sich der Schuldenberg dadurch im Endeffekt verringern. Das Land hängt bereits seit 2010 am internationalen Finanztropf; das damals verabschiedete 110-Milliarden-Euro-Hilfspaket erwies sich aber rasch als nicht ausreichend.
Der Umtausch der alten gegen die neuen Staatsanleihen hat unterdessen begonnen. Die neuen Papiere haben eine Laufzeit von bis zu 30 Jahren und niedrigere Zinsen. Formal bedeutet der Umtausch alter Anleihen in neue einen Forderungsverzicht von 53,5 Prozent. Wegen längerer Laufzeiten und niedrigerer Zinsen ergeben sich aber weitere Belastungen für die Gläubiger.
IWF-Abstimmung über Griechenland-Hilfe für Donnerstag geplant
Der Internationale Währungsfonds (IWF) will Medienberichten zufolge voraussichtlich an diesem Donnerstag über seine Beteiligung an dem neuen Hilfspaket für Griechenland entscheiden. Für diesen Tag ist den Berichten zufolge vorläufig eine Abstimmung des Exekutivrates zu dem 28 Milliarden Euro umfassenden Kredit angesetzt, für den sich IWF-Chefin Christine Lagarde am vergangenen Freitag ausgesprochen hatte.
Eine Sprecherin in Washington bestätigte Berichte, wonach knapp ein Drittel der rund 30 Milliarden Euro umfassenden Beteiligung am ersten Hilfspaket für Griechenland nicht abgerufen worden sei. Kritiker bemängeln, dass der internationale Krisenhelfer daher nur rund 18 Milliarden Euro an «frischem Geld» für das 130 Milliarden schwere zweite Hilfspaket zur Verfügung stelle. Der IWF weist die Kritik zurück: Der Exekutivrat müsse über den neuen Kredit als Ganzes abstimmen – unabhängig von älteren Zusagen. (awp/mc/upd/ps)