Raiffeisen übernimmt Nicht-US-Geschäft von Wegelin
Konrad Hummler: «Ausserordentlich schmerzliches Vorgehen»
St. Gallen – Der Druck der USA im Steuerstreit führt zu Veränderungen in der Schweizer Bankenlandschaft. Die St. Galler Privatbank Wegelin verkauft ihr gesamtes Nicht-US-Geschäft an die Raiffeisen-Gruppe. Damit verschwindet die älteste Privatbank der Schweiz. Einzig das bestehende Geschäft mit bestehenden amerikanischen Kunden bleibt bei den Wegelin-Teilhabern. Diese stellen sich der Auseinandersetzung mit den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden.
Die ebenfalls in St. Gallen beheimatete Raiffeisen-Gruppe sei von der Privatbank kontaktiert worden, sagte Raiffeisen-CEO Pierin Vincenz am Freitag an einer Medienkonferenz in Zürich: «Raiffeisen hat die Möglichkeit, eine Transaktion dieser Grössenordnung durchzuführen». Zum Übernahmepreis wurden allerdings keine Angaben gemacht. Es handle sich um einen «fairen Preis», sagte Vincenz gegenüber AWP/Keystone-Video.
Notenstein Privatbank AG mit verwalteten Vermögen von 21 Mrd Franken
Bei der Transaktion werden sämtliche Nicht-US-Aktivitäten der Wegelin an die neu gegründete Notenstein Privatbank AG abgegeben, die von der Raiffeisen-Gruppe übernommen wird. Die Notenstein Privatbank – benannt nach einer Gesellschaft St. Galler Kaufleute aus dem 15. Jahrhundert – startet ihren operativen Betrieb am Montag mit verwalteten Vermögen in der Höhe von 21 Mrd CHF. 70% ihrer Kunden leben in der Schweiz, die restlichen 30% in Europa. Sie wird schweizweit 13 Standorte mit 700 Mitarbeitenden umfassen.
Zusätzlich mit dem Transfer soll das bisher bankintern betriebene Asset Management bei Wegelin zusammen mit der Wegelin Fondsleitung AG ausgegliedert und in eine eigene Tochter überführt werden – die «1741 Asset Management AG».
US-Steuerstreit als Auslöser – «Schmerzlicher Schritt»
Wegelin selbst begründete den Schritt in einer Mitteilung mit dem Steuerstreit mit den USA. «In der Folge der für Wegelin zunehmend bedrohlichen Situation gegenüber den USA haben sich die Verantwortlichen der Bank zu einem radikalen Schritt entschlossen», heisst es hier.
«Die ungeheuer schwierige und existenzbedrohende Lage, in welche uns die rechtliche Auseinandersetzung mit den US-Behörden gebracht hat, zwingt mich und meinen langjährigen Partner Otto Bruderer, zusammen mit allen unbeschränkt haftenden Teilhabern, zu diesem ausserordentlich schmerzlichen Vorgehen», lässt sich der geschäftsführende Teilhaber Konrad Hummler zitieren.
Die Privatbank Wegelin & Co. bleibe zur endgültigen Abarbeitung noch bestehender US-Kunden und als Gegenpartei in den Auseinandersetzungen mit den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden erhalten: «Als unbeschränkt haftende Teilhaber nehmen wir unsere Verantwortung konsequent wahr. Wir sind gewillt, die rechtlichen Auseinandersetzungen zu bestehen.»
Zwei Wegelin-Teilhaber wechseln zu Raiffeisen
Raiffeisen ihrerseits kann mit dieser Übernahme ihre schon seit längerem angestrebte Expansion im Bereich des Private Banking umsetzen. Die Gruppe hatte zuletzt um die Bank Sarasin mitgeboten, war damals leer ausgegangen. Die Notenstein Privatbank passe von ihrer strategischen Ausrichtung her «bestens» zu Raiffeisen, gab sich Vincenz überzeugt.
Geleitet wird die neue Bank vom bisherigen Wegelin-Teilhaber Hans Künzi, der mit einem zweiten der insgesamt acht Wegelin-Teilhaber zur neuen Raiffeisen-Tochter wechselt. Beide hätten bei Wegelin kaum Berührung mit dem US-Geschäft gehabt, versicherte Künzi vor den Medien. Die FINMA habe auch die Einstellung der beiden Personen bewilligt, betonte Vincenz.
Transaktion auch unter US-Recht zulässig
Der Raiffeisen-Chef gab sich auch überzeugt, dass der Kauf auch von den US-Behörden akzeptiert werden wird. Man habe sich von den US-Behörden bestätigen lassen, dass die Transaktion auch unter US-Recht zulässig sei, sagte ein von Raiffeisen beauftragter Anwalt. Die Finanzmarktaufsicht FINMA habe die Transaktion zudem schliesslich ebenfalls gutgeheissen, die ebenfalls in Kontakt mit den US-Behörden gestanden habe, ergänzte Vinzenz.
Wegelin im Visier der US-Justiz
Anfang Januar waren drei Wegelin-Banker in den USA angeklagt worden. Die New Yorker Staatsanwaltschaft wirft den drei Schweizern vor, «zusammen mit US-Steuerzahlern und anderen Personen einen Plan ausgearbeitet zu haben, um Gelder in der Höhe von 1,2 Mrd USD zu verstecken».
Die US-Ermittler beschuldigen die drei Banker, zwischen den Jahren 2005 und 2010 Kunden angeworben und ihnen unter anderem bei der Gründung von Scheinfirmen in Liechtenstein, Panama und Hong Kong geholfen zu haben. In der Anklage ist auch die Rede von einem geschäftsführenden Teilhaber.
Widmer-Schlumpf und Schneider-Ammann geben sich zugeknöpft
Das Ende der Privatbank Wegelin & Co wegen des Steuerstreits mit den USA ist von den Bundesräten Widmer-Schlumpf und Schneider-Ammann in einer ersten Reaktion nur reserviert kommentiert worden. «Es handelt sich um einen privatwirtschaftlichen Entscheid zweier Unternehmen, den wir nicht kommentieren», hiess es beim Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda.
EFD-Vorsteherin Eveline Widmer-Schlumpf hatte am Vorabend am Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos erklärt, sie rechne nach Gesprächen mit US-Finanzminister Timothy Geithner damit, dass der Bankenstreit mit den USA noch dieses Jahr beigelegt werden könne.
Auch Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann sieht in der Kapitulation der Bank Wegelin, deren Nicht-US-Geschäft von der Bank Raiffeisen übernommen wird, einen unternehmerischen Schritt. Was die Gründe sind, darüber wolle er nicht spekulieren und auch nicht kommentieren. Es müsse ein Schritt sein im Interesse der beiden Unternehmen, aber auch im Interesse der Kunden. Er sei sehr zuversichtlich, dass eine Strukturanpassung vonstatten gehe, die Effizienzgewinne, Mehrwert und einen Beitrag zur Entwicklung des Schweiz Bankenplatzes bringe.
Bankiervereinigung: «No comment»
Mario Tuor, Mediensprecher beim Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen (SIF), kommentierte die Transaktion auf Anfrage nicht. Der Fall zeige aber, wie notwendig eine Einigung mit den USA sei, damit wieder Rechtssicherheit herrsche. Die Schweizerische Bankiervereinigung enthielt sich jeden Kommentars.
«Donnerschlag für Finanzplatz St. Gallen»
Der St. Galler Volkswirtschaftsdirektor Benedikt Würth bezeichnete die Übernahme von Wegelin als «Donnerschlag für den Finanzplatz St. Gallen». Immerhin ende eine schwierige Situation für die Mitarbeitenden und Kunden gut. Raiffeisen sei aus Sicht des Kantons eine optimale Lösung. (awp/mc/pg)