Das kleinste Elektromobil der Welt

Das kleinste Elektromobil der Welt

Das 4 x 2 Nanometer kleine Molekül-Auto fährt auf seinen elektrisch angetriebe/Enen Rädern über eine Kupferoberfläche. (Empa)

Dübendorf – Kleiner gehts nicht: Das emissionsfreie, geräuschlose Allradfahrzeug, das Empa-Forscher gemeinsam mit niederländischen Kollegen entwickelt haben, ist Leichtbau im Extremen; das Nano-Auto besteht lediglich aus einem einzigen Molekül und fährt auf vier elektrisch angetriebenen Rädern nahezu geradlinig über eine Kupferoberfläche. Bewundern lässt sich der «Prototyp» auf dem Cover der neuesten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins «Nature».

Um mechanische Arbeit zu verrichten, greifen wir meist auf Motoren zurück. Mit diesen wandeln wir chemische, thermische oder elektrische Energie in Bewegungsenergie um, etwa um Waren von A nach B zu transportieren. Die Natur macht es gleich; in Zellen verrichten so genannte Motorproteine – zum Beispiel Kinesin und das Muskelprotein Aktin – diese Aufgabe. Meist gleiten sie an anderen Proteinen entlang, ähnlich wie ein Zug auf Schienen, und «verbrennen» dabei ATP (Adenosintriphosphat), sozusagen das chemische Benzin der belebten Natur.

Künstliche nanoskalige Transportsysteme
Ziel vieler Chemiker ist es, mit Hilfe ähnlicher Prinzipien und Konzepte molekulare Transportmaschinen zu entwerfen, die dann auf der Nanoskala bestimmte Arbeiten verrichten könnten. Wissenschaftlern der Universität Groningen und der Empa ist nun «ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu künstlichen nanoskaligen Transportsystemen» gelungen, wie das Wissenschaftsmagazins «Nature» in seiner neusten Ausgabe schreibt. Sie haben ein Molekül aus vier rotierenden Motoreinheiten – sprich: Räder – synthetisiert, das kontrolliert geradeaus fahren kann. «Dabei braucht unser Auto weder Schienen noch Benzin; es fährt mit Strom. Es dürfte das kleinste Elektromobil der Welt sein – und dann erst noch mit Allradantrieb», sagt Empa-Forscher Karl-Heinz Ernst.

Reichweite pro Tankfüllung: noch verbesserungsfähig
Der Nachteil: Das circa 4 x 2 Nanometer kleine Auto – rund eine Milliarde Mal kleiner als ein VW Golf – muss nach jeder halben Radumdrehung erneut mit Strom betankt werden – über die Spitze eines Rastertunnelmikroskops (STM, engl. für Scanning Tunneling Microscope). Ausserdem können sich die Räder aufgrund ihres molekularen Designs nur in eine Richtung drehen. «Es gibt keinen Rückwärtsgang», so Ernst lakonisch, der auch Professor an der Universität Zürich ist.

Der Antrieb des komplexen organischen Moleküls funktioniert gemäss «Bauplan» folgendermassen: Nachdem Ernsts Kollege Manfred Parschau es auf eine Kupferoberfläche sublimiert und die STM-Spitze in gebührendem Abstand darüber positioniert hatte, legte er eine Spannung von mindestens 500 Millivolt an. Nun sollten Elektronen durch das Molekül «tunneln» und dadurch reversible strukturelle Veränderungen in jeder der vier Motoreinheiten auslösen.

 In einem ersten Schritt findet eine cis-trans-Isomerisierung an einer Doppelbindung statt, eine Art Umlagerung – allerdings in eine räumlich extrem ungünstige Position, in der sich grosse Seitengruppen gegenseitig den Raum streitig machen. Als Folge davon klappen die beiden Seitengruppen aneinander vorbei und landen wieder im energetisch günstigeren Ausgangszustand – das Schaufelrad hat eine halbe Drehung absolviert. Drehen sich alle vier Räder simultan, sollte das Auto vorwärts fahren. So wollte es zumindest die Theorie aufgrund der Molekülstruktur.

Fahren oder nicht – eine Frage der Orientierung
Und genau das beobachteten Ernst und Parschau: Nach zehn STM-Anregungen hatte sich das Molekül um sechs Nanometer nach vorne bewegt – auf einer mehr oder weniger geraden Linie. «Die Abweichungen von der vorhergesagten Trajektorie kommen daher, dass es nicht ganz trivial ist, alle vier Motoreinheiten zeitgleich anzuregen», erklärt «Testfahrer» Ernst
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Dass das Molekül sich tatsächlich so verhält wie vorhergesagt, zeigte ein weiteres Experiment. Um die zentrale Achse, eine C-C-Einfachbindung – das Chassis des Autos sozusagen –, kann ein Teil des Moleküls frei rotieren. Es kann also auf der Kupferoberfläche in zwei verschiedenen Orientierungen «landen»: in einer richtigen, in der alle vier Räder sich in die gleiche Richtung drehen, und in einer falschen, in der die Räder der Hinterachse sich nach vorne, die vorderen aber nach hinten drehen – das Auto bleibt trotz Anregung stehen. Auch dies konnten Ernst und Parschau mit dem STM klar verfolgen.

«Proof of concept» erbracht
Ein erstes Ziel hat das niederländisch-schweizerische Team also erreicht, ein «proof of concept» nämlich, dass einzelne Moleküle externe elektrische Energie aufnehmen und in eine gezielte Bewegung umwandeln können. Als nächstes planen Ernst und Co., Moleküle zu entwickeln, die sich mit Licht antreiben lassen, etwa in Form eines UV-Lasers. (Empa/mc/pg)

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