Siemens peilt weiteres Wachstum an
Siemens-Konzernchef Peter Löscher.
München – Trotz der unsicheren Lage der Weltkonjunktur und der Turbulenzen traut sich der Elektrokonzern Siemens erneut ein Umsatzplus zu. «Wir sind gut gerüstet für ein moderates Umsatzwachstum im Geschäftsjahr 2012 und das mittelfristige Überschreiten der 100-Milliarden-Schwelle», sagte Vorstandschef Peter Löscher am Donnerstag in München und sprach von einem «unruhigem wirtschaftlichem Umfeld». Moderat bedeute ein Plus zwischen 3 und 5 Prozent. Die industrialisierten Länder dürften langsamer wachsen als die Schwellenländer.
Das Wachstum insgesamt verliere an Geschwindigkeit. «Ich sehe aber kein Rezessionssenario.» Im laufenden Geschäftsjahr soll der Auftragseingang abermals den Umsatz übertreffen. Trotz anhaltenden Preisdrucks rechnet Siemens mit erneut «starken Ergebnissen seiner Geschäften.» Basis für die Gewinnprognose ist der Gewinn der Sektoren aus den fortgeführten Geschäften, der ohne den Effekt aus dem Verkauf der Areva-Beteiligung im vergangenen Geschäftsjahr bei gut 6 Milliarden Euro lag.
Umbau im Gesundheitssektor
Mit dem Verkauf und ohne die Strafzahlung an das französische Unternehmen lag dieser Kennwert bei 7,5 Milliarden Euro und fiel damit so hoch aus wie von Siemens angepeilt. Den Aktionären will Siemens eine Dividende von 3,00 Euro zahlen, nach 2,70 Euro im Vorjahr. Für sein Gesundheitsgeschäft plant der Konzern einen Umbau, der aber ohne betriebsbedingte Kündigungen auskommen soll. Branchenkreisen zufolge dürfte eine dreistellige Anzahl an Mitarbeitern in Deutschland betroffen sein.
Umsatz und Gewinntreiber war erneut die Geschäfte im Energie- und Industriesektor. Dort ist Siemens mit seinen Kraftwerken, Turbinen, Windkraftanlagen und Maschinen Industrieautomatisierungen schon seit geraumer Zeit erfolgreich unterwegs. Aufgrund eines Grossauftrags für ein Kraftwerk in Indien im Vorquartal, das laut Beobachtern allein mehr als eine Milliarde Euro Auftragswert hatte, fiel die der Auftragseingang im vergangenen Quartal um zwei Prozent auf 21,2 Milliarden Euro.
Millionenschwere Abschreibungen
Wie erwartet lasteten im Schlussquartal millionenschwere Abschreibungen auf dem Gewinn. In seinem kränkelnden Solargeschäft, das Siemens neu aufgestellt hat, buchte der Konzern eine Wertminderung von 231 Millionen Euro. Die Hoffnungen in das Geschäft haben sich bisher nicht erfüllt, da die Solarthermie, auf die Siemens sich konzentriert, derzeit gegenüber der Photovoltaik das Nachsehen hat. Die verkaufte IT-Sparte SIS brachte noch Belastungen von sechs Millionen Euro.
Siemens schlägt sich im Vergleich zur Konkurrenz wacker
Im Vergleich zu den Wettbewerbern schlug sich Siemens wacker, ist aber vorsichtiger beim Ausblick als etwa der US-Erzrivale General Electric (GE) . Das Industrieschwergewicht sitzt auf einem Rekordauftragsbestand von 191 Milliarden US-Dollar (139 Milliarden Euro), bei Siemens sind es 96 Milliarden Euro. Konzernchef Paul Immelt stellte für das kommende Jahr ein Plus im zweistelligen Bereich in Aussicht, bezogen auf den operativen Gewinn. Die Schweizer ABB die unter anderem in der Energietechnik mit Siemens konkurriert konnte zwar im vergangenen Jahresviertel ihren Umsatz und Gewinn steigern, wagt aber derzeit keinen konkreten Ausblick.
Die niederländische Philips, wie Siemens aktiv im Gesundheits- und Lichtgeschäft, erlitt im vergangenen Quartal einen heftigen Gewinneinbruch, krankt aber an teils hausgemachten Problemen und versucht sich mit einem Umbau samt Stellenstreichungen wieder auf das richtige Gleis zu setzen.
Gewinnerwartungen verfehlt
Der Umsatz legte in der Zeit zwischen Juli und September um neun Prozent auf 20,4 Milliarden Euro zu. Das Sektorenergebnis, in dem sich das Ergebnis der drei Kerngeschäftsfelder Industrie, Energie und Gesundheit widerspiegelt, stieg um 174 Prozent auf 2,17 Milliarden Euro. Unter dem Strich stand ein Gewinn von 1,23 Milliarden Euro. Im Vorjahr hatte allerdings eine milliardenschwere Abschreibung auf das US-Diagnostikgeschäft kräftig belastet und Siemens unter dem Strich sogar ins Minus gedrückt. Während Auftragseingang und Umsatz höher ausfielen, als von dpa-AFX befragte Analysten geschätzt hatten, wurden die Erwartungen an den Gewinn verfehlt.
Das Schwergewicht Siemens gilt wegen seiner breiten Produktpalette von Zügen, Elektromotoren über Ausrüstung zur Industrieautomatisierung, Windenergieanlagen, Kraftwerken bis hin zu Hörgeräten als Gradmesser für die deutsche und europäische Industrie. Am Aktienmarkt wurden die Zahlen verhalten aufgenommen. Die Aktie des Dax-Schwergewichts sackte vorbörslich in einem schwachen Gesamtmarkt um drei Prozent ab.
Osram Börsengang weiter für «späteren Zeitpunkt» angepeilt
Siemens plant den Börsengang seiner Lichttochter Osram weiterhin zu «einem späteren Zeitpunkt». Die Vorbereitungen dafür liefen unverändert weiter, sagte Siemens-Vorstandschef Peter Löscher am Donnerstag zur Bilanzvorlage. Weitere Details gab es zunächst nicht. Im vierten Quartal verdiente Osram mit 54 Millionen Euro 11 Millionen Euro weniger als im Vorjahr. Trotz eines Umsatzplus von sechs Prozent konnte das Geschäft unter anderem die höheren Rohstoffpreise nicht wettmachen.
IPO ursprünglich für herbst 2012 geplant
Wegen der Kapriolen an den Finanzmärkten hatte Siemens den Schritt an die Börse im September auf unbestimmte Zeit verschoben. Eigentlich sollte die hundertprozentige Tochter im Herbst zum Teil an die Börse gebracht werden und einen Milliardenbetrag erlösen. Osram benötigt Geld für den Ausbau der modernen Leuchtdioden-Technik. Neben den Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten behindern auch offene Fragen über das künftige Geschäft bei Osram die Platzierung des Unternehmens auf dem Parkett. Siemens-Finanzchef Joe Kaeser hatte bereits im Sommer eingeräumt, es sei schwer abzuschätzen, ob der Lichtmarkt lediglich von kurzfristigen Schwankungen bei der Nachfrageschwankungen beeinflusst werde, oder ob er das Hoch des Zyklus bereits hinter sich gelassen habe. (awp/mc/upd/ps)