Griechenland und Schweiz diskutieren über Steuerabkommen
Staatssekretär Michael Ambühl.
Bern – Die Regierungen Griechenlands und der Schweiz werden in den nächsten Wochen entscheiden, ob sie Verhandlungen über ein Steuerabkommen aufnehmen wollen. Dies teilte das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) nach einem Treffen hochrangiger Diplomaten beider Länder mit.
Staatssekretär Michael Ambühl erörtete am Donnerstag mit dem griechischen Generalsekretär im Finanzministerium, Ilias Plaskovitis, die Möglichkeiten eines Steuerabkommens, wie es die Schweiz vor einigen Wochen mit Deutschland und Grossbritannien unterzeichnet hat. Ein solches Abkommen würde die Regularisierung von Vermögen griechischer Steuerpflichtiger auf Schweizer Bankkonten in der Vergangenheit vorsehen sowie eine Quellensteuer auf künftigen Kapitaleinkünften einführen. Die Steuererträge würden von der Schweiz auf anonymer Basis an die griechischen Behörden überwiesen. Im Gegenzug würde Griechenland den schweizerischen Finanzinstituten einen besseren Marktzugang gewähren.
Offensichtliches Interesse Griechenlands
Entschieden wurde am Donnerstag in Bern nichts: Die Regierungen der beiden Länder würden «in den kommenden Wochen über die konkrete Aufnahme von Verhandlungen entscheiden», hiess es in der Mitteilung lediglich. Das Interesse Griechenlands liegt auf der Hand: Ausländische Experten schätzen, dass reiche Griechen seit März 2010 mindestens 200 Milliarden Euro in die Schweiz verschoben, um es vor dem Zugriff der griechischen Steuerbehörden zu schützen. Könnte Griechenland auf diesen Geldern Steuern erheben, wäre dies ein willkommener Beitrag zur Stabilisierung des Staatshaushalts. Auch Exponenten der EU finden, dass es deshalb gut wäre, wenn die Schweiz künftig für Griechenland eine Abgeltungssteuer eintreiben würde. Dies sagte etwa der Fraktionschef der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Martin Schulz.
Vorbehalte der EU-Kommission
Auch EU-Steuerkommissar, Algirdas Semeta, zeigte Verständnis für die Mitgliedstaaten, die auf diese Weise hinterzogene Steuergelder eintreiben wollen. Den Schweizer Steuerabkommen mit Deutschland und Grossbritannien und auch einem möglichen solchen Abkommen mit Griechenland steht er aber kritisch gegenüber. Zurzeit lässt er untersuchen, ob die Abkommen mit Deutschland und Grossbritannien nicht im Widerspruch zur EU-Richtlinie (Gesetz), zur Zinsbesteuerung oder dem bilateralen Zinsbesteuerungsabkommen Schweiz-EU stehen. Sollten Widersprüche identifiziert werden, könnte die EU-Kommission in letzter Konsequenz ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die beiden EU-Mitglieder einleiten.
Dorn im Auge Brüssels
Der EU-Kommission sind die Abkommen auch ein Dorn im Auge, weil EU-Mitgliedsstaaten, die wie die Schweiz ein Bankgeheimnis kennen, die Abkommen als Hebel nutzen könnten, um den angestrebten automatischen Informationsaustausch zu hintertreiben. Besonders Luxemburg und Österreich wird diese Absicht unterstellt. Nach Ansicht von Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey wird zwar die Menge griechischen Geldes auf Schweizer Konten überschätzt. Sie zeigte sich vor einem EU-Parlamentsausschuss am 11. Oktober aber offen, den Abschluss eines solchen Abkommens mit Griechenland zu prüfen. (awp/mc/ps)