Michael Sauter, CEO compliant concept
Michael Sauter, CEO compliant concept
von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Sauter, compliant concept hat ein neuartiges Bett entwickelt, mit dem Druckgeschwüren vorgebeugt werden kann. Wie funktioniert dieses neuartige Pflegebett?
Michael Sauter: Eine gesunde, mobile Person bewegt sich im Schlaf 2-4 Mal pro Stunde reflexartig, um sich selber vor Druckgeschwüren zu schützen. Bei Patienten, die sich selber nicht mehr genügend bewegen, übernimmt das Bett diese Aufgabe und stimuliert dabei die Eigenbewegung des Patienten. Dazu haben wir einen aktiven Lattenrost entwickelt, der sich an der Bewegung eines mobilen Menschen orientiert.
Wie kamen Sie auf die Idee, ein „intelligentes“ Bett für bettlägerige Patienten zu entwickeln?
Während meiner Doktorarbeit an der ETH Zürich entwickelte ich spezielle gelenklose Mechanismen. Diese Technologie erlaubt komplexe Funktionalitäten sehr einfach und kostengünstig umzusetzen. Am Anfang tüftelten wir an einem adaptiven Autositz. Doch was bei einem Autositz möglich ist, ist auch mit einem Bett möglich. 2008 hatte ich die Möglichkeit, meine Ideen Prof. Dr. med. Walter O. Seiler, dem „Dekubitus Papst“, vorzustellen. Seit diesem Tag ist Prof. Seiler Teil des Teams und wir arbeiten gemeinsam am intelligenten Bett.
«Wir haben kürzlich sehr erfolgreich medizinische Tests am Paraplegiker Zentrum in Nottwil abschliessen können.» Michael Sauter, CEO compliant concept
Wann wird das Bett auf dem Schweizer Markt erhältlich sein?
Mitte nächstes Jahr wird das Bett auf den Markt kommen. Wir haben kürzlich sehr erfolgreich medizinische Tests am Paraplegiker Zentrum in Nottwil abschliessen können.
Wie gross ist das Marktpotenzial hierzulande?
In den Schweizer Pflegeheimen gibt 87‘000 Pflegeplätze. Rund 40% der Bewohner sind Druckgeschwür gefährdet. Bei rund 10% der Bewohner macht der Einsatz dieses Systems Sinn.
Und wie gross ist das Interesse seitens Pflegeheime, Spitäler etc.?
Vor allem Pflegeheime stehen vor einer grossen Herausforderung. Die wachsende Pflegebedürftigkeit, der Mangel an Fachpersonal und der Kostendruck stehen im Widerspruch mit unseren hohen Anforderungen an die Pflegequalität. Man weiss heute, was alles zu tun wäre, um Druckgeschwüren vorzubeugen. Doch oftmals fehlen die Zeit und das Personal, um alle Massnahmen umzusetzen. Wir bieten eine Lösung an, die eine qualitativ bessere Pflege von bettlägerigen Bewohnern zu tieferen Kosten erlaubt. Die Nachfrage, unser System zu testen, ist daher gross. Noch brauchen wir aber etwas Zeit, bis wir liefern können.
«Man weiss heute, was alles zu tun wäre, um Druckgeschwüren vorzubeugen. Doch oftmals fehlen die Zeit und das Personal, um alle Massnahmen umzusetzen.»
compliant concept ist ein Spin-off der Empa und der ETH. Der Sitz Ihres Unternehmens ist im Technologiezentrum glaTec auf dem Empa-Areal in Dübendorf. Wie eng arbeiten Sie und Ihre Mitarbeiter mit den beiden Forschungsstätten zusammen?
Das Technologiezentrum glaTec auf dem Empa Gelände ist für uns ein Glückfalls. Wir profitieren sehr von der Infrastruktur und der Nähe zur Forschung. Man spürt auch, dass die Spin-offs ein grosses Anliegen der Empa Direktion sind. Meiner Meinung nach gibt es keinen besseren Technologietransfer als durch Spin-offs. Insgesamt bietet die Schweiz hervorragende Bedingungen für Start-up Unternehmen. Das KTI oder auch das Institut für Jungunternehmen in St.Gallen leisten hervorragende Arbeit.
Mit welchen wichtigen Partnern sind Sie Kooperationen eingegangen?
Wir sind Kooperationen mit über 10 Partnern eingegangen, darunter sind Bettenhersteller und eine Vertriebsfirma, die heute schon sehr erfolgreich in diesem Markt tätig sind. Dazu kommen die medizinischen Partner, wie das Schweizer Paraplegiker Zentrum in Nottwil, das Universitätsspital in Basel und die Pflegewissenschaften in St.Gallen. Die Partner sind für uns sehr wichtig. Wir wollen uns auf unsere Kernkompetenzen konzentrieren und nicht Kompetenzen, die auf dem Markt verfügbar sind, duplizieren.
Ihre Innovation ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden: KTI Medtech Award 2010, Nominee W.A. de Vigier Stiftung 2011, Heuberger Winterthur Jungunternehmerpreis, Venture Idea 2010. Was bedeuten Ihnen diese Auszeichnungen?
Die Auszeichnungen zeigen, dass unser Businessmodel und unsere Technologien mehrfach geprüft und als gut befunden worden sind. Daneben bringen diese Publizität mit sich und motivieren uns. Jedoch die grösste Auszeichnung sind zufriedene, zahlende Kunden. Diese Auszeichnung gehen wir als nächstes an.
Die erste Finanzierungsrunde konnten Sie Mitte Jahr erfolgreich abschliessen. Zwei Privatinvestoren und ein Bankinstitut haben 1 Mio. Franken investiert. Wieviel Überzeugungsarbeit war dafür notwendig?
Überzeugungsarbeit ist immer nötig. Ansonsten würde etwas schief laufen. Wir wollen Investoren, die uns und unser Businessmodel hinterfragen. Das bringt uns weiter. Sicherlich ist es uns ein wenig einfacher gefallen, da einer der Privatinvestoren aus der Branche kommt. Das hat den Prozess beschleunigt.
Welche Möglichkeiten eröffnen sich durch den Innovationsvoucher von 330’000 Franken, den Ihr Unternehmen kürzlich von der KTI erhalten hat?
Je länger man sich mit der Altenpflege beschäftigt und mit jedem Gespräch mehr mit der Pflege erkennt man weitere Bedürfnisse, die heute nicht oder nur schlecht erfüllt sind. Der Innovationsvoucher hilft uns gezielt unsere Lösungen weiterzuentwickeln.
Erste Umsätze wollen Sie noch dieses Jahr mit der Vermarktung eines selber entwickelten Monitoring-Systems generieren. Um was für ein Produkt handelt es sich dabei?
Dieses Produkt hilft die Pflegemassnahmen viel gezielter zu planen. Die Risikoeinschätzung in Bezug auf Druckgeschwüre ist nach wie vor sehr kritisch. Dieses Gerät liefert die notwendige Information zu. Dies kommt nicht nur dem Bewohner zu Gute, sondern auch der Pflege, die nur noch dort Prophylaxemassnahmen vornehmen muss, wo es wirklich nötig ist.
«Die USA ist zum Beispiel ein super spannender Markt, nicht nur wegen der Grösse. Das Anreizsystem ist viel klarer als in der Schweiz.»
Welches sind nun die nächsten Schritte von compliant concept? Welche geographischen Märkte könnten für Sie besonders interessant sein?
Die wachsende Problematik in der Altenpflege ist nicht nur ein Schweizer, sondern eine weltweites Phänomen. Die USA ist zum Beispiel ein super spannender Markt, nicht nur wegen der Grösse. Das Anreizsystem ist viel klarer als in der Schweiz. Dennoch wollen wir zuerst unsere Lösungen gemeinsam mit unserem Vertriebspartner in der Schweiz etablieren und danach den Schritt in die USA wagen.
Wo sehen Sie das Unternehmen in zehn Jahren?
Wie das Unternehmen in zehn Jahren aussieht ist schwer vorhersehbar. Sicherlich wünsche ich mir, dass unser Unternehmen weiter wächst und wir mit der gleichen Leidenschaft Lösungen entwickeln, die dem Kunden und den Menschen helfen. Wir freuen uns jedenfalls auf die nächsten zehn dynamischen Jahre.
Wie schätzen Sie die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Führungsnachwuchses ein?
Als CEO eines Jungunternehmens kann ich diese Frage nur schlecht beantworten.
Wie wichtig ist Diversity für Ihr Unternehmen und welche Massnahmen sind in Ihrem Unternehmen zum Thema geplant oder schon umgesetzt?
Die Bedeutung von Diversity wird sicherlich für unser Jungunternehmen zunehmen. Massnahmen sind heute noch keine geplant oder umgesetzt.
Herr Sauter, herzlichen Dank für das Interview.
Zur Person:
Michael Sauter, Dr. sc, Dipl. Masch.-Ing. ETH, Jahrgang 1977, Schweizer
Michael Sauter ist Mitgründer und Geschäftsführer von compliant concept. Michael Sauter hat bis 2003 Maschinenbau studiert und hat 2008 seine Doktorarbeit im Bereich der Leichtbaustrukturen an der ETH Zürich abschlossen. Im Anschluss daran entwickelte er die Basistechnologie von compliant concept während seiner Anstellung als Projektleiter an der Empa weiter.
Michael Sauter wurde als Gewinner des von venturelab durchgeführten Startup-Wettbewerbs eingeladen, als Teil der «Schweizer Startup-Nationalmannschaft 2011» ein zehntägiges Business-Development-Programm in den USA zu besuchen.
compliant concept
Die compliant concept ist AG ein Spin-off der Empa und der ETH Zürich und hat sich zum Ziel gesetzt die Pflege von bettlägerigen Patienten mit innovativen Lösungen zu vereinfachen und auch in Zukunft bezahlbar zumachen.
Das Jungunternehmen wurde in den letzten Jahren mehrfach ausgezeichnet, unter anderem erst kürzlich als «Nomineé» der de Vigier Stiftung 2011 für Idee und bisherige Umsetzung eines potenziellen Erfolgsunternehmens. Im vergangenen Jahr erhielt es neben dem «Empa Innovation Award» auch den Swiss KTI Medtech Award, 2009 heimste es den Heuberger Winterthurer Jungunternehmerpreis ein.