Deutschland: Konjunktur zeigt trotz Unsicherheiten nach oben
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann.
Frankfurt am Main – Die Grundtendenz der deutschen Konjunktur zeigt nach Einschätzung der deutschen Bundesbank trotz der aktuell hohen Unsicherheit an den Finanzmärkten nach oben. Das Wachstum dürfte sich in der zweiten Jahreshälfte aber etwas verlangsamen, heisst es im Monatsbericht der Bundesbank vom Montag. Als Gründe werden weniger optimistische Erwartungen der Unternehmen und geringere Neuaufträge genannt. Hinzu komme eine Reihe «globaler Risikofaktoren».
Als Risiken nennt die Bundesbank die konjunkturelle Entwicklung in den USA und den Schwellenländern. Zudem verweist sie auf die hohe Nervosität an den Finanzmärkten und die staatlichen Schuldenkrisen, was das Vertrauen zusätzlich belasten könnte. Diesem ungünstigeren aussenwirtschaftlichen Umfeld stehe aber eine gefestigte Binnenkonjunktur gegenüber. Genannt werden die hohe Investitionsneigung der Unternehmen, der starke Wohnungsbau und die sehr günstige Lage auf dem Arbeitsmarkt. Die Bundesbank hält an ihrer Wachstumsprognose für 2011 von rund drei Prozent fest.
Q2-Wachstum auch aufgrund von Basiseffekten schwächer
Auch das deutlich geringere Wachstum der deutschen Wirtschaft im zweiten Quartal ist nach Einschätzung der Bundesbank für sich genommen noch kein Beleg für eine schwächelnde Konjunktur. Das zuletzt schwächere Wachstum sei vor allem Folge witterungsbedingter Produktionsausfälle Ende 2010, heisst es in dem Bericht. Die dadurch ausgelösten Nachholeffekte hätten zu einer erhöhten Erzeugung in den Wintermonaten und damit im ersten Quartal geführt, so die Bundesbank.
«Energiewende» belastet
Die deutsche Wirtschaft hatte im zweiten Quartal spürbar an Fahrt verloren. Nach einem sehr starken Wachstum um 1,3 Prozent in den ersten drei Monaten 2011 lag der Zuwachs im zweiten Vierteljahr mit 0,1 Prozent nur knapp über der Stagnation. Einige Bankvolkswirte verwiesen neben auslaufenden Nachholfeffekten am Bau auch auf eine deutlich geringere Energieproduktion als Belastungsfaktor. Als Grund nannten sie die «Energiewende» mit abgeschalteten Atomkraftwerken.
Bundesbank kritisiert Beschlüsse zur Schuldenkrise
Die Bundesbank hat die jüngsten Beschlüsse des Euro-Krisengipfel zur Schuldenkrise von Ende Juli scharf kritisiert. Mit den Entscheidungen würden umfangreiche Risiken auf diejenige Staaten und deren Steuerzahler verlagert, die finanzielle Hilfe für schwächere Länder leisteten, heisst es weiter im Monatsbericht. Zudem sieht die Bundesbank einen grossen Schritt hin zu einer Vergemeinschaftung von Risiken. Dies schwäche die Grundlagen der Währungsunion, ohne dass im Gegenzug Kontroll- und Einflussmöglichkeiten wesentlich verstärkt würden.
No-Bail-Out-Klausel nicht vollständig ausser Kraft setzen
Der ursprünglich vereinbarte Rahmen der Währungsunion drohe damit zunehmend an Konsistenz zu verlieren, so die Bundesbank weiter. Die Finanzpolitik werde weiter durch Parlamente auf nationaler Ebene festgelegt, während die resultierenden Risiken und Belastungen zusehends durch die Gemeinschaft, insbesondere die finanzstarken Länder aufgefangen würden. Ohne eine Weisungsbefugnis gegenüber der jeweiligen nationalen Haushaltspolitik drohe die Verschuldungsneigung der Euro-Länder eher noch zuzunehmen. Der Haftungsausschluss im Euroraum (No-Bail-Out-Klausel) und die Disziplinierung über die Kapitalmärkte dürften nicht vollständig ausser Kraft gesetzt werden, sondern müssten vielmehr gestärkt werden.
Ende Juli hatten die Staats- und Regierungschefs des Euroraums mit dem zweiten Rettungspaket für Griechenland weitere Änderungen zur Eindämmung der Schuldenkrise beschlossen. Insbesondere die Kompetenzen der Rettungsschirme EFSF und ESM wurden spürbar ausgeweitet. Beispielsweise soll der EFSF künftig auch Staatsanleihen am Sekundärmarkt kaufen dürfen, um finanzschwache Länder zu stützen. (awp/mc/ps)