Tui rutscht tief in die Verlustzone
Tui-Chef Michael Frenzel.
Hannover – Die Unruhen in Nordafrika und der Preisdruck im Container-Geschäft haben Europas grössten Reisekonzern Tui zwischen April und Juni überraschend tief in die roten Zahlen getrieben. Unter dem Strich stand im dritten Geschäftsquartal ein Verlust von rund 41 Millionen Euro nach einem Gewinn von 4 Millionen ein Jahr zuvor, wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte. Sowohl das Reisegeschäft als auch die Container-Reederei Hapag-Lloyd schrieben Verluste.
Das Management um Vorstandschef Michael Frenzel kappt nun die Gewinnziele. Das Konzernergebnis soll allerdings weiterhin positiv ausfallen. Die in den vergangenen Monaten schwach gelaufene Tui-Aktie reagierte dennoch mit einem Kurssprung auf die Nachrichten. Bis zur Mittagszeit legte das Papier um 3,33 Prozent auf 4,837 Euro zu und gewann damit doppelt so stark wie der MDax. Analyst Stefan Kick von Silvia Quandt Research zeigte sich von den Hapag-Lloyd-Zahlen trotz des Verlusts positiv überrascht.
Starke Nachfrage nach Urlaubsreisen
Im dritten Quartal trieb die starke Nachfrage nach Urlaubsreisen den Konzernumsatz deutlich nach oben. Die Erlöse kletterten um neun Prozent auf 4,4 Milliarden Euro. Der um Sondereffekte bereinigte operative Gewinn (EBITA) ging allerdings um elf Prozent auf 96 Millionen Euro zurück. Hier schlugen die Unruhen in Ägypten und Tunesien mit 32 Millionen Euro negativ zu Buche. «Auch die Tui-Hotels in Ägypten waren schlechter ausgelastet und mussten sich mit niedrigeren Preisen begnügen», sagte Tui-Finanzchef Horst Baier.
Frankreich-Geschäft harzt
Vor allem in Frankreich drückten die Krisen aufs Geschäft. Die Franzosen konnten sich nur schwerlich für den Urlaub an ihren einstigen Lieblingszielen erwärmen. Viele entschieden sich für den Urlaub im eigenen Land. In Grossbritannien haben die Menschen indes wegen der lahmenden Wirtschaftsentwicklung immer weniger Geld zum Reisen, während der Absatz in Zentral- und Nordeuropa brummt, so auch in Deutschland. Insgesamt lief das Reisegeschäft besser als von Analysten erwartet. Unter dem Strich verfehlte der Konzern jedoch die Erwartungen der Branchenexperten. Nach den ersten neun Monaten seines Geschäftsjahres steckt der Tui-Konzern unter dem Strich noch mit 231 Millionen in den roten Zahlen. Bei Reiseveranstaltern sind Verluste in dieser Zeit allerdings die Regel. Ihre Gewinne erwirtschaften sie vor allem in der Hauptreisezeit im Sommer.
Hapag-Lloyd schreibt Verlust
Erneut zu leiden hatte Hapag-Lloyd: Der Container-Reederei, die nach ihrer Schieflage in der Wirtschaftskrise zuletzt ein Rekordjahr erlebt hatte, machten der schwache US-Dollar und die hohen Treibstoffpreise das Leben schwer. Der Umsatz ging zwischen April und Juni um neun Prozent auf 1,5 Milliarden Euro zurück. Tui ist an Hapag-Lloyd noch mit gut 38 Prozent beteiligt und musste nun einen anteiligen Verlust von fünf Millionen Euro verbuchen. Ein Jahr zuvor hatte die Reederei noch 75 Millionen Euro zum Tui-Ergebnis beigesteuert.
Keine Fortschritte bei Hapag-Verkauf
Mit dem Verkauf seiner Hapag-Lloyd-Anteile ist der Konzern noch nicht viel weitergekommen. «Wir prüfen weiter alle Optionen», sagte Finanzchef Baier. Demnach erwägt Tui weiterhin sowohl einen Börsengang als auch den direkten Verkauf der Beteiligung an Investoren. Sein Engagement bei Hapag-Lloyd, das neben der Beteiligung nun noch aus einer Hybridanleihe besteht, fuhr der Konzern seit Ende März um eine halbe Milliarde auf 1,5 Milliarden Euro zurück. Im kommenden Jahr hat Tui das Recht, die verbliebene Reederei-Beteiligung dem Konsortium «Albert Ballin» um die Stadt Hamburg und dem Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne zu verkaufen, das schon jetzt die Mehrheit an der Reederei hält.
Tui-Konkurrenz von Nordafrika-Krise mehr betroffen
Die Tui-Spitze begrub unterdessen die Hoffnung, dass die Reederei dem Konzern in diesem Jahr mehr Gewinn einbringen könnte als im Vorjahr. Das anteilige Ergebnis werde schwächer ausfallen, sagte Finanzchef Baier. Auch für das Reisegeschäft wird der Vorstand pessimistischer: Das bereinigte EBITA soll trotz höherer Umsätze nur noch den Vorjahreswert von 589 Millionen Euro erreichen. Bisher hatte die Konzernführung eine leichte Steigerung in Aussicht gestellt. Den wichtigsten Tui-Rivalen Thomas Cook (Neckermann Reisen, Condor) hatte die Nordafrika-Krise deutlich schwerer getroffen. Nachdem der Vorstand die Gewinnziele für dieses Jahr mehrfach nach unten korrigiert hatte, nahm Unternehmenschef Manny Fontenla-Novoa vergangene Woche seinen Hut. (awp/mc/ps)