SNB könnte Liquidität sogar noch weiter erhöhen
SNB-Vizepräsident Thomas Jordan.
Zürich – Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat am Mittwoch erneut geldpolitische Massnahmen zur Ausdehnung der Liquidität bzw. zur Schwächung des Schweizer Frankens ergriffen und will – wenn nötig – weitere Massnahmen ergreifen. «Wir können die Liquidität sogar noch weiter erhöhen. Wir prüfen aber auch eine Reihe von weiteren Massnahmen – und handeln dann, wenn wir davon überzeugt sind, dass der Moment gekommen ist», sagte Direktoriumsmitglied Thomas Jordan dem «Tages-Anzeiger» vom Donnerstag.
«In der derzeitigen Situation kann keine Massnahme mehr ausdrücklich ausgeschlossen werden», sagte Direktoriumsmitglied Jean-Pierre Danthine gleichentags in einem Interview mit «Le Temps».
«Franken massiv überbewertet»
Jordan betrachtet den Franken sowohl gegenüber Euro und Dollar als «massiv überbewertet». Das stelle eine Bedrohung für die Schweizer Wirtschaft dar und sei mit starken Abwärtsrisiken für die Preisstabilität verbunden. Auf die Frage nach möglichen Deflationsgefahren, meinte er: «Dies ist denkbar und abhängig von der weiteren Entwicklung der Wirtschaft und der Finanzmärkte.» «Betrachtet man die Gesamtsituation, so sind die Inflationsrisiken praktisch verschwunden», so Danthine. Die aktuelle Verfassung der Weltwirtschaft und die Frankenstärke würden im Gegenteil «zu Rezessionsrisiken und einem negativen Preisdruck» führen.
«Starker Franken Ausdruck der gesunden Wirtschaft»
Zum Franken sagt Danthine, dass die derzeitige Stärke Ausdruck der relativen Gesundheit der Schweizer Wirtschaft sowie des Status der Währung als «Sicherer Hafen» sei. Sobald sich Anzeichen einer wirtschaftlichen Verlangsamung zeigen würden, würde sich an den Märkten eine natürliche Reaktion einstellen. Bezüglich möglicher Interventionen am Devisenmarkt blieb Jordan unbestimmt und sagte lediglich: «Wir prüfen weitere Massnahmen für den Fall, dass sie sich als notwendig erweisen. Wie sie konkret aussehen werden, kann ich Ihnen nicht im Voraus sagen.»
«Eine Art quantitative Lockerung»
Die SNB hat laut Jordan «im Moment Möglichkeiten, die Geldpolitik expansiver zu gestalten, ohne am Devisenmarkt zu intervenieren». «Und wir sind zum Schluss gekommen, dass die Erhöhung der Liquidität in der gegenwärtigen Situation die geeignete Massnahme ist.» Man habe die Liquidität zuletzt in kürzester Zeit massiv ausgeweitet und werde diese nun nochmals signifikant erhöhen. «Man kann dies auch als eine Art quantitativer Lockerung bezeichnen. Über diesen Kanal erzielen wir eine geldpolitisch Wirkung.» Die getroffenen Massnahmen «sind nicht unmittelbar wirksam», so Danthine im Interview weiter. Sie würden sich vorerst auf die Zinssätze und danach auf die Wirtschaft auswirken. Die vorläufige Einstellung der Repo-Geschäfte bedeute beispielsweise täglich 5 Mrd CHF zusätzlich im Markt.
Frankenanbindung an Euro vorübergehend vorstellbar
Auch eine vorübergehende Anbindung an den Euro wäre offenbar vorstellbar. Jordan sagte dazu: «Grundsätzlich können wir alle Massnahmen ergreifen, die langfristig mit der Erfüllung unseres Mandates vereinbar sind – nämlich eine unabhängige Geldpolitik im Interesse des Landes zu führen und die Preisstabilität unter Berücksichtigung des Konjunktur zu erhalten.» Danthine hält eine Anbindung des Frankens an den Euro als «sicher nicht die einfachste Massnahme – weder auf politischer noch auf rechtlicher Ebene».
«Aus Schweizer Sicht ist die Situation dramatisch»
Bezüglich Schweizer Wirtschaft gibt sich Jordan pessimistisch. «Aus Schweizer Sicht ist die Situation dramatisch…. Auf jeden Fall werden wir in der zweiten Hälfte dieses Jahres deutliche Bremsspuren sehen.» Was die Situation auf dem Immobilienmarkt angeht, so sei die seit eineinhalb Jahren praktizierte Zinspolitik der «nötigen Disziplin nicht förderlich». Die SNB habe aber keine Anzeichen für einen substanziellen Zufluss ausländischer Gelder auf den hiesigen Immobilienmarkt. (awp/mc/ps)