VöV: Bahnkunden drohen 27% höhere Billettpreise
Bern – Wird die Infrastruktur der Bahn so ausgebaut, wie es der Bundesrat will, müssen öV-Benutzer bis 2018 schlimmstenfalls 27% mehr bezahlen. Dies hat der Verband öffentlicher Verkehr (VöV) berechnet. Er schlägt ein alternatives Modell vor, das die Mehrwertsteuer erhöhen und auch Autofahrer zur Kasse bitten will.
Pro Jahr müssten Bahnkunden gemäss Bundesratsvariante für ihre Billette 3,5 bis 4% mehr berappen. Dies zeigt ein 36-seitiger Bericht, den der VöV am Dienstag veröffentlicht hat. Diesem Szenario zugrunde liegt der Vorschlag des Bundesrats zur Finanzierung der Bahninfrastruktur (FABI). Um 300 Mio CHF pro Jahr sollen demnach die Trassenpreise erhöht werden – Kosten, die laut VöV auch an die Kunden weitergegeben werden müssen, damit das Angebot ausgebaut werden kann. Die Vernehmlassung zur FABI ist am Freitag letzter Woche zu Ende gegangen. Fazit: Praktisch niemand zeigte sich bereit, für den Ausbau zu bezahlen.
Alternativmodell für Trassenpreise
Der Verband schlägt nun eine Alternativmodell vor. Statt um 300 Mio sollen die Trassenpreise nur um 150 Mio CHF erhöht werden. Die restlichen 150 Mio CHF sollen durch ein zusätzliches Mehrwertsteuerprozent eingenommen werden. Damit, so die Berechnung, würden die Billettpreise bis 2018 lediglich um 20% steigen – pro Jahr zwischen 2,6 und 3,1%. Zudem will der VöV die Erhöhung der Trassenpreise staffeln und in fünf statt zwei Schritten vornehmen: um jeweils 30 Mio CHF pro Jahr von 2013 bis 2017. So könne die Erhöhung der Billettpreise «kundenfreundlicher gestaltet werden», schreibt der Verband. Ganz umsonst gibt es für Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer aber nichts. «Den öV zum Nulltarif gibt es nicht», wird VöV-Direktor Ueli Stückelberger in der Mitteilung zitiert. Die Akzeptanz durch die Kunden sei jedoch «enorm wichtig».
«Abwanderung auf die Strasse» befürchtet
Der Verkehrsverband warnt denn im Bericht auch vor den nicht absehbaren Reaktionen der Kunden. Vermutlich würde «eine Abwanderung auf die Strasse stattfinden», was dort zu Kapazitätsproblemen führen und die Umwelt stärker belasten würde, heisst es. Gefordert wird deshalb, dass der motorisierte Individualverkehr im Gleichschritt mit dem öV verteuert wird. Dafür soll der Bund Massnahmen ergreifen. Untersucht wurde für den Bericht das öV-Preisniveau insgesamt – namentlich Teuerung, Trassenpreiserhöhung und Eigenbedarf der Transportunternehmen. Ausgeklammert wurden alle Fragen, welche einzelne Produkte wie General- und Halbtaxabos betreffen. Der VöV weist darauf hin, dass es massive Auswirkungen auf die berechneten Zahlen hätte, wenn sich eine der Annahmen – etwa Teuerung oder Produktivitätssteigerung – verändern würde.
Gegenvorschlag zur VCS-Verkehrsinitiative
Die Erhöhung der Trassenpreise – also der Preise, die ein Eisenbahnunternehmen für die Benutzung des Schienennetzes zahlt -, ist Teil der bundesrätlichen Strategie zum Ausbau der Bahninfrastruktur. Der Bundesrat will einen Fonds schaffen, der aus den bisherigen Quellen des FinöV-Fonds gespiesen werden soll. 300 Mio CHF sollen die Kantone bezahlen, und 250 Mio sollen über eine Änderung der Abzüge bei den Bundessteuern fliessen. Der Fonds ist als Gegenvorschlag zur VCS-Verkehrsinitiative gedacht. Diese sieht eine neue Verteilung der Einnahmen aus der Mineralölsteuer vor. Vom Anteil, der nicht in die Bundeskasse fliesst, würde je die Hälfte dem Schienenverkehr und dem Strassenverkehr zukommen. Heute werden drei Viertel für die Strasseninfrastruktur eingesetzt.
VCS reagiert umgehend
Der VCS reagierte am Dienstagmorgen umgehend. Er schrieb von einer «übermässigen» Verteuerung der Billettpreise und forderte Bund und Verkehrsunternehmen dazu auf, die Aufschläge deutlich zu reduzieren. Sonst könnten Bahnfahrer auf die Strasse ausweichen. Etwas mehr Sympathien als für das bundesrätliche Modell hat der VCS für die Variante des VöV – insbesondere für die Verteuerung des Autoverkehrs. Die Stiftung für Konsumentenschutz kritisierte, die Infrastrukturkosten würden auf die Reisenden abgewälzt, was zu «unzumutbaren Tariferhöhungen» führe. Zuerst müsse eine politische Diskussion stattfinden, und weitere Finanzierungsmodelle müssten geprüft werden. (awp/mc/ps)