Allianz-Studie: Chinas Arbeitskräftereservoir sinkt rapide
Zürich – Die jüngste Volkszählung weist eine chinesische Bevölkerung von rund 1,34 Milliarden Menschen aus, die deutlich altert und deren durchschnittliches Wachstum sich im letzten Jahrzehnt im Vergleich zur vorangegangenen Dekade nahezu halbiert hat. Die 1978 eingeführten Ein-Kind-Politik hatte zur Folge, dass schätzungsweise 400 Millionen Kinder weniger geboren wurden. Dies wird sich noch in diesem Jahrzehnt auf dem chinesischen Arbeitsmarkt auswirken.
„Selbst eine Lockerung oder Aufhebung der Ein-Kind-Politik könnte einen Rückgang des chinesischen Arbeitskräftepotentials nur abmildern, aber nicht mehr verhindern“, sagt Prof. Michael Heise, Chefvolkswirt und Leiter Unternehmensentwicklung der Allianz. Die aktuelle Studie des Allianz Demographic Pulsesagt den Wendepunkt auf dem chinesischen Arbeitsmarkt für das Jahr 2013 voraus. Weil die Löhne steigen, beginnen chinesische Unternehmen bereits damit, arbeitsintensive Produktion ins Landesinnere oder nach Vietnam, Bangladesch und Kambodscha zu verlagern.
Ursache Ein-Kind-Politik?
Wie stark China zunehmend altert, zeigt der Allianz Demographic Pulse an folgenden Zahlen: Heute kommen auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter 19 Über-60-Jährige. Bis 2050 dürften es bereits 64 sein. Angesichts dieser dramatischen Entwicklung wird eine weitere Lockerung oder die Abschaffung der Ein-Kind-Politik gefordert. Es ist aber nicht klar, ob nur sie für fallende Geburtenraten in China verantwortlich ist, oder ob diese nicht auch als Folge der wirtschaftlichen Entwicklung zu werten ist, die auch sonst in der Welt zu geringeren Geburtszahlen führt.
Auch andere Länder wie die Schweiz altern stark
Ein Beispiel für diesen allgemeinen Trend sind die deutlich fallenden Geburtenraten in osteuropäischen Ländern ab den neunziger Jahren, nach Zusammenbruch der Sowjetunion und Wirtschaftsreformen. In Ländern wie Thailand, der Türkei oder Tunesien, dessen Bruttoinlandsprodukt pro Kopf etwa dem Chinas entspricht, sind die Geburtenraten unter den Wert gefallen, der für die Aufrechterhaltung der Bevölkerungszahl notwendig wäre, nämlich 2,1 Kindern pro Frau. Auch in der Schweiz ist die Geburtenrate seit Anfang der 1960er Jahre rückläufig und liegt UN-Angaben zufolge bereits seit 1970 unterhalb des Reproduktionsfaktors. Zwischen 2002 und 2004 betrug die durchschnittliche Geburtenrate pro Frau nur noch 1,42 Kinder und war damit nicht einmal halb so hoch wie fünfzig Jahre zuvor, als die Geburtenrate bei durchschnittlich 2,49 Kindern lag. In den letzten Jahren hat sich die Geburtenrate zwar leicht erholt, ist mit 1,47 Kindern jedoch nach wie vor weit unterhalb des Niveaus, das zum Erhalt der Bevölkerung notwendig wäre.
Renteneintrittsalter in der Diskussion
Wenn die verantwortlichen Stellen in China erwägen, die Ein-Kind-Politik zu lockern, um damit die gesellschaftliche Alterung zu dämpfen, sind ihre Herausforderungen ganz ähnlich wie die von Familienpolitikern in der Schweiz, Deutschland, Österreich oder Italien. Die Geburtenraten verharren langfristig auf einem niedrigen Niveau und der Trend ist durch finanzielle Anreize allein kaum umzukehren – seien es in China verringerte Bußgelder bei Missachtung der Ein-Kind-Politik oder in Deutschland Kindergelderhöhungen. „Der kapitalgedeckten privaten Vorsorge kommt angesichts dieser Entwicklung stetig wachsende Bedeutung zu, wenn der Lebensstandard auch im hohen Alter aufrechterhalten werden soll“, betont Rudolf Alves, Leiter Leben der Allianz Suisse. Um die Sozialsysteme finanzieren zu können, spiele auch die Erhöhung des Rentenalters eine wichtige Rolle. Sollte in China das Renteneintrittsalter auf 65 Jahre erhöht werden, würde dies die demographische Wende am Arbeitsmarkt um weitere drei Jahre in die Zukunft verlagern und der Altersquotient könnte langfristig deutlich gesenkt werden.
In der Europäischen Union wird dieser Wendepunkt trotz Rentenalter 65 bereits im Jahr 2012 erreicht. „In der Schweiz läuft diese Entwicklung trotz der anhaltend hohen Zuwanderung fast parallel, so dass auch wir uns der Diskussion um eine Erhöhung des Rentenalters nicht verschliessen können“, so Alves. Denn im Jahr 2025 werden bereits sieben Prozent der Schweizer Bevölkerung zwischen 60 und 64 Jahren sein und die durchschnittliche Lebenserwartung auf 84 Jahre ansteigen. Dies bedeute für die Finanzierung der Sozialsysteme eine grosse Herausforderung. (Allianz Suisse/mc/ps)
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