Google baut an Facebook-Alternative
Google-CEO Larry Page.
Mountain View – Google startet die Aufholjagd zu Facebook. Mit dem Projekt Google+ will der Internet-Gigant einen Gegenpol zum weltgrössten Online-Netzwerk setzen. Als Stärke des neuen Dienstes führt Google ins Feld, dass die Nutzer Informationen mit ausgewählten Menschen teilen statt mit allen ihren Online-Bekannten.
«Man steht zu unterschiedlichen Leuten in unterschiedlichen Beziehungen», erläuterte für Software-Entwicklung zuständige Google-Manager Vic Gundotra am Dienstag im Firmenblog. Im richtigen Leben teile man das eine mit Freunden von der Uni, anderes mit den Eltern – «und fast nichts mit dem Chef», argumentierte er. «Das Problem ist, dass heute jeder im Web den Stempel «Freund» aufgedrückt bekommt, und das Teilen von Inhalten unter diesem Freundschaftsbrei leidet.»
Kritik an Facebooks Datenschutzpolitik
Gundotra spielte damit auf Facebook an. Das weltgrösste soziale Netzwerk hatte zuletzt unter anderem mit versehentlichen und absichtlichen Massenparty-Aufrufen seiner Nutzer in Deutschland und Kritik an der Datenschutzpolitik für Negativschlagzeilen gesorgt. Mit rund 600 Millionen Nutzern weltweit hat Facebook aber bereits eine kritische Masse erreicht, die auch einen einstiegen starken Konkurrenten wie MySpace dahinsiechen lässt.
Kreise von Nutzern anlegen
Mit Google+ lassen sich sogenannte «Circles» (zu deutsch Kreise) von Nutzern anlegen, etwa für den Austausch mit Familienmitgliedern oder den Arbeitskollegen. Der Dienst besteht aus mehreren Bausteinen. Bei «+Sparks» trägt man seine Interessen ein und bekommt dann einen einen Strom an Web-Inhalten zu dem Thema. Mit der Videoplattform YouTube und einem Dienst wie Google News hat der Internet-Konzern hier aus dem Vollen schöpfen. Will man etwas zu dem Thema beitragen, erreicht man die Google-Nutzer mit den selben Hobbys. Die Funktion von Facebooks «Gefällt mir»-Knopf übernimmt dabei die kürzlich gestartete Google-Alternative «+1».
Fotos gleich nach der Aufnahme uploaden
Bei «+Hangouts» sind Videochats in grösserer Gruppe möglich oder eine Unterhaltung per Text. Ein weiterer zentraler Baustein heisst «+mobil». Man kann jedes Mal, wenn man etwas bei Google+ einträgt, seinen Standort angeben. Und um das Teilen von Fotos von unterwegs zu erleichtern, gibt es die Funktion «+Sofort-Upload»: «Mit eurer Erlaubnis fügt Google+ eure Fotos gleich nach der Aufnahme zu einem privaten Album in der Cloud hinzu, und macht sie für alle eure Geräte verfügbar.» Von dort kann man sie mit ausgewählten Menschen teilen.
Gegenentwurf zu Facebook
Seit Monaten war darüber spekuliert worden, dass Google an einem Gegenentwurf zu Facebook arbeitet. Bisherige Vorstösse in die Welt der sozialen Netzwerke wie der Dienst Buzz hatten sich eher als Fehlschlag erwiesen, das Google-Netzwerk Orkut war nur in einigen Ländern erfolgreich. Google ist aber praktisch gezwungen, Facebook etwas entgegenzusetzen, weil immer mehr Leute immer mehr Zeit dort verbringen – Zeit, die Google entgeht. Beide Internetfirmen machen ihr Geld mit Werbung und deshalb ist es für sie überlebenswichtig, dass möglichst viele Menschen ihre Seiten besuchen.
Facebook und Microsoft arbeiten an «Sozialer Internet-Suche»
Facebook experimentiert zudem gemeinsam mit dem Google-Erzrivalen Microsoft an einer «Sozialen Internet-Suche», bei der Informationen aus dem Bekanntenkreis eines Nutzers stärker im Vordergrund stehen. Damit kam das Google-Kerngeschäft direkt ins Visier – der Internet-Konzern verdient sein Geld immer noch vor allem mit Anzeigen im Umfeld der Suchergebnisse. Google-Mitbegründer Larry Page soll bei seiner Rückkehr an die Konzernspitze im Frühjahr den Erfolg bei sozialen Online-Diensten zu einer Top-Priorität ausgerufen haben. Google+ läuft vorerst lediglich im Testbetrieb mit einer kleinen Schar an Nutzern. «Das Projekt kann momentan nur auf Einladung genutzt werden», schrieb Gundotra. Wann es für die Allgemeinheit freigeschaltet wird, ist unklar. (awp/mc/ss)