Schicksalsabstimmung in Griechenland

Schicksalsabstimmung in Griechenland

Giorgos Papandreou, griechischer Ministerpräsident.

Berlin – Europa schaut gebannt nach Athen: Die neue griechische Regierung muss eine dramatische Vertrauensfrage im Parlament gewinnen, um neue Milliardenhilfen zu bekommen. Scheitert Ministerpräsident Giorgos Papandreou bei der Abstimmung in der Nacht zu Mittwoch, droht die erste Staatspleite eines Euro-Landes.

Die Proteste auf Athens Strassen gegen den radikalen Sparkurs gingen am Dienstag weiter. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich optimistisch, dass Griechenland doch noch gerettet werden kann. «Wir werden alles tun, dass der Euro als Ganzes stabil bleibt», sagte Merkel in Warschau. Deutschland sei zur Solidarität mit Griechenland bereit, wenn Athen die geforderten Einsparungen beschliesse. Weiter unklar ist, ob private Banken und Versicherungen – wie von Berlin gefordert – sich freiwillig an der Griechenland-Rettung beteiligen. An den Finanzmärkten gewannen die Optimisten wieder die Oberhand. Die Hoffnung auf eine Lösung der griechischen Schuldenkrise hievte den Dax am Dienstag über die Schwelle von 7200 Punkten.

Ergebnis der Abstimmung am frühen Mittwochmorgen erwartet
Zur Bewältigung der Krise kommt die EU-Kommission Athen auch mit europäischen Fördergeldern entgegen. Geld aus den milliardenschweren EU-Töpfen zur Regionalförderung soll – unabhängig von den Euro-Rettungspaketen – schneller ausgezahlt werden. «Ich werde den EU-Gipfel bitten, Griechenland besser zu unterstützen», kündigte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Brüssel an. Der griechische Premier Papandreou hatte die Vertrauensfrage nach der Bildung seiner neuen Regierung gestellt. Das Ergebnis wurde für den frühen Mittwochmorgen erwartet. Papandreous Sozialisten haben eine knappe Mehrheit von 155 der 300 Abgeordneten im Parlament in Athen.

Erneut Proteste
Ist die Hürde genommen, muss das Parlament bis Ende Juni erneut abstimmen. Dann wird es um das neue 78 Milliarden Euro schwere Sparprogramm gehen. Billigt das Parlament dies nicht, steht Griechenland am Abgrund. Das Land hat Geld nur noch bis Mitte Juli. Die Bewegung der «Empörten Bürger» setzte ihre Proteste gegen das Sparprogramm im Umfeld des Athener Parlaments fort. Die Polizei zog starke Einheiten im Zentrum zusammen. Die Bewegung organisiert sich hauptsächlich über das Internet. Tausende Menschen demonstrieren seit fast einem Monat jeden Abend friedlich vor dem Parlament. Seit einigen Tagen sind aber auch Extremisten zu sehen, darunter Neonazis und gewaltbereite Autonome.

«Alle haben Interesse an der Stabilisierung von Griechenland»
Nach Ansicht von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) muss Europa den Griechen langfristig eine Zukunftsperspektive bieten. Dazu könne man die Mittelmeerländer an der Energiewende für mehr Ökostrom beteiligen. «Griechenland hat eine viel höhere Anzahl von Sonnenstunden im Jahr als wir in Deutschland und könnte Strom zu uns exportieren», sagte Schäuble in der «Zeit». Er geht unverändert davon aus, dass die Banken zur Finanzierung Griechenlands einen Beitrag leisten. «Alle haben Interesse an der Stabilisierung von Griechenland», sagte Schäuble. Nach Berechnungen des Bankenverbandes haben deutsche Banken den Griechen zwischen 10 Milliarden bis 20 Milliarden Euro geliehen.

Steinbrück: «Schuldenerlass lediglich Frage der Zeit»
Die Bemühungen der EU-Spitzen zur Lösung der Krise könnten durch die Rating-Agenturen torpediert werden. Sie drohten erneut damit, dass auch bei einer freiwilligen Gläubigerbeteiligung griechische Staatsanleihen als Zahlungsausfall bewertet werden könnten. Ob die Umschuldung freiwillig erfolge, spiele eine untergeordnete Rolle. Bei einer Laufzeitverlängerung einer Anleihe würden Investoren schlechter gestellt. «Entscheidend ist: Wie steht der Investor im Vergleich zu dem da, was ihm versprochen wurde, als er sein Geld investiert hat», sagte der Leiter des Länderbereichs Europa von Standard & Poor’s, Moritz Krämer, der «Welt». Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück rechnet deshalb mit einem Schuldenerlass für Griechenland. «Es geht längst nicht mehr um das ‹Ob› eines echten Schuldenerlasses, sondern nur noch um das ‹Wie'», schrieb der SPD-Politiker in einem Beitrag für die «Zeit». (awp/mc/upd/ps)

EU-Kommission

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