Malerei global gesehen

 


Aussenseiter und Popart höchster Güte treffen in der idyllischen Kartause in Ittingen aufeinenander. Wer sich ein Stück Globalisierung zusammen mit dem zauberhaften Rosengarten der Kartause erhaschen will, der reist ins Kunstmuseum des Kantons Thurgau.

Die Ausstellung Richard Phillips / Adolf Dietrich. Malerei und Aneignung präsentiert Werke zweier Künstler, die auf den ersten Blick gegensätzlicher nicht sein könnten: der 1964 in Massachusetts geborene und international hoch dotierte Pop-Art-Künstler Richard Phillips und der 1957 in Berlingen verstorbene Aussenseiterkünstler Adolf Dietrich. Gezeigt werden die grossen Gemälde des Amerikaners nach Motiven von Adolf Dietrich sowie eine von Richard Phillips zusammengestellte Auswahl von Werken Dietrichs. Das Zusammentreffen führt zu einem komplexen, sich jeder Kategorisierung entziehenden Dialog.

Parallel zur Ausstellung zeigt das Kunstmuseum Thurgau eine der wichtigsten Privatsammlungen von Werken Dietrichs und macht sie für die Dauer der Ausstellung erstmals der Öffentlichkeit zugänglich.

Adolf Dietrich gilt heute als einer der führenden Schweizer Maler des 20. Jahrhunderts, andererseits wird er seltsamerweise auch als naiver Künstler bezeichnet. Richard Phillips hingegen ist ein zeitgenössischer Maler, der mit der Wahl provokativer Themen, einem einzigartigen Stil und der Intensität seiner gigantischen Kompositionen bis an die Grenzen des Mediums gegangen ist. Phillips malt Porträts nach Vorlagen aus dem öffentlichen Bilderreservoir, Dietrichs Werk konzentriert sich ganz auf die liebevolle Gestaltung der unberührten Natur. Wie kam es zu dieser Wahlverwandtschaft?

Richard Phillips
Richard Phillips

Phillips’ erste Begegnung mit Dietrichs Werk ist einer Begebenheit in der Zürcher Kronenhalle zu verdanken, als der mit ihm befreundete Peter Fischli ihn nach einem gemeinsamen Essen in den zweiten Stock entführte, um ihm die dort hängenden Gemälde zu zeigen. Als sie zu Dietrichs Zeichnung „Zwei Eichhörnchen“ kamen, war Phillips augenblicklich gefesselt von der intensiven Präsenz der Darstellung: „Die emotionale Tiefe und subtile Beobachtungsgabe haben mich sehr berührt.“, erzählt er. Phillips entschloss sich, Dietrichs Bilder- und Formensprache quasi von innen her, im Nachmalen, zu erlernen. Im Jahr 2003 entstand so das erste Gemälde nach Dietrich mit dem Titel „Similar to Squirrels. After A. Dietrich“, eine ins grosse Format transformierte Kopie einer Reproduktion von Dietrichs Gemälde „Zwei Eichhörnchen“ aus dem Jahr 1932. Daraus entwickelte sich eine tiefe Auseinandersetzung mit Dietrichs Werken, die seither andauert. Die Ausstellung thematisiert sowohl Unterschiede als auch Ähnlichkeiten. Dietrich wie Phillips nutzen dieselben Sujets für ihre Werke: Tiere, Menschen und Landschaften. Gleichzeit überhöhen beide die Gegenständlichkeit stilistisch zu einem Grad von Künstlichkeit, die weit über die Darstellung der Realität hinaus geht.

Die Begegnung der beiden führt zu einer radikalen Neuinterpretation. Phillips Arbeiten werden oft als zu wörtlich übertragen kritisiert, während Dietrichs Kunst als naiv gilt. Durch den Aneignungsprozess werden nun beide Werke unter ein neues Licht gestellt. Dies unterstreicht nicht nur die klassische Qualität von Richard Phillips’ Bildern, sondern offenbart auch die radikalen Qualitäten von Adolf Dietrichs Kompositionen. Ein reich bebilderter Katalog dokumentiert die Ausstellung und gibt mit Texten von Richard Phillips und Dorothee Messmer sowie einem Interview zwischen Beatrix Ruf und dem Künstler einen vertieften Einblick in die Beweggründe, die zu diesem einzigartigen Projekt führten.

Werke von Adolf Dietrich aus einer Privatsammlung
Parallel zur Ausstellung präsentiert das Kunstmuseum Thurgau ein weiteres Highlight: Eine der wichtigsten Thurgauer Privatsammlungen von Werken Dietrichs wird erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das beachtliche Konvolut einzigartiger Gemälde wird während der Ausstellung in den Räumen des Kunstmuseums gezeigt.

Richard Phillips – Adolf Dietrich. Malerei und Aneignung (Painting and Misappropriation)
29. Mai bis 28. August 2011 Kartause Ittingen

Schreibe einen Kommentar