Hartes Ringen um Nutzung der letzten natürlichen Gewässer

Hartes Ringen um Nutzung der letzten natürlichen Gewässer
Kleinwasserkraftwerk.

Wie viele Kleinwasserkraftwerke verträgt die Schweiz?

Bern – Es gibt in der Schweiz nur noch wenige Flüsse und grosse Bäche, die nicht für die Wasserkraft genutzt werden. Wegen der Förderprogramme für erneuerbare Energien drohen nun auch die letzten naturnahen Gewässer gestaut, zugebaut oder abgeleitet zu werden.

Die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) führt dazu, dass sich Kraftwerke, an deren Realisierung bisher niemand gedacht hat, wirtschaftlich lohnen. Dies schreibt das Bundesamt für Umwelt (BAFU) in seinem Bericht zur Revision der Gewässerschutzverordnung, die bis heute Freitag in der Anhörung war.

Naturschutzorganisationen in der Kritik
Gegen die Nutzung noch unverbauter Flüsse und Bäche wehren sich vor allem Naturschutzorganisationen, obwohl sie dafür im aktuellen politischen Klima Kritik einstecken müssen. «Es ist nicht sinnvoll, die letzten natürlichen Fliessgewässerstrecken zu opfern, nur um verhältnismässig wenig zusätzlichen Strom zu produzieren», schreibt etwa Pro Natura in ihrer Stellungnahme. In diesem Verhältnis zwischen Schutz und Nutzen liegt die Krux. Auf der anderen Seite wittern nämlich Kleinkraftwerkbetreiber ein Geschäft, da mit der KEV die Differenz zwischen kostendeckenden Preisen und Marktpreis vergütet wird, was ein Kleinkraftwerk wirtschaftlich macht. Die Zahlen sprechen für sich: Nachdem kleinere Wasserkraftwerke während Jahren stillgelegt und vom Netz genommen wurden, waren Mitte letzten Jahres fast 500 Projekte für die KEV angemeldet. Der Wasserwirtschaftsverband wollte dazu gegenüber der SDA nicht Stellung nehmen.

Klare Strategie von Kantonen gefordert
Der Bundesrat möchte nun mit der noch vor der Katastrophe von Fukushima aufgegleisten Änderung der Gewässerschutzverordnung den Druck von den noch ungenutzten Gewässerstrecken nehmen. Gemäss der neuen Bestimmung haben die Kantone dafür zu sorgen, dass grössere naturnahe Fliessgewässerabschnitte möglichst ungeschmälert erhalten bleiben. «Die Kantone sollen bei der Beurteilung nicht eingeschränkt werden. Wir möchten aber, dass sie eine klare Strategie haben», sagte Marianne Zünd, Sprecherin des Bundesamts für Energie (BFE), auf Anfrage. Nicht alle hätten heute Kriterien für die Abwägung zwischen Schutz und Nutzung von Fliessgewässern. Damit sticht die Regierung in ein Wespennest: Die Kantone wehren sich vehement und verlangen die Streichung der neuen Bestimmung in der Gewässerschutzverordnung. Die Förderung erneuerbarer Energien kranke auf Bundesebene an einem «Konstruktionsfehler», sagte Fadri Ramming, Geschäftsführer der Konferenz kantonaler Energiedirektoren (EnDK), gegenüber der SDA.

«Keineswegs ein technisches Problem»
«Auf der einen Seite soll sie voll ausgebaut werden, auf der anderen Seite steht die Verwaltung auf der Bremse.» Zudem handle es sich keineswegs um ein technisches Problem: Die Abwägung zwischen Naturschutz und Energieproduktion sei eine politische Frage und müsse auch politisch gelöst werden. Ramming kritisiert auch, dass das Problem mit der KEV längst bekannt war. Bei der jüngsten Revision des Gewässerschutzrechts, die erst seit wenigen Monaten in Kraft ist, wurde es aber nicht in Angriff genommen. «Das Problem ist auf Bundesebene kreiert worden. Es geht nicht an, die Lösung auf die Kantone abzuschieben», sagte der EnDK-Geschäftsführer. Darin wird er sogar von Umweltorganisationen unterstützt. Es sei nicht angemessen, wenn die Kantone die falschen Anreize der KEV ausbaden müssten, schreibt der WWF in seiner Stellungnahme. Die Organisation empfiehlt, das Problem in der Energieverordnung, die ebenfalls revidiert wird, zu lösen. (awp/mc/ps)

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