Die Islamic Finance expandiert und stösst auf Widerstände
Will Paris ins Rennen gegen London als europäisches Islamic Finance-Zentrum schicken: Frankreichs Wirtschaftsministerin Christine Lagarde.
von Gérard Al-Fil
Für die Islamic Finance scheint die Finanzkrise ausgestanden. Laut Credit Suisse wurden im 2010 Islamic Bonds, auch Sukuk genannt, weltweit im Wert von fast 55 Mrd. Dollar platziert. Dieses Niveau übertraf nicht nur die Krisenjahre 2008/2009, sondern auch das bislang beste «Sukuk-Jahr» 2007, als für rund 30 Mrd. Dollar Scharia-konforme Bonds begeben wurden. Auch schrieben im 2010 die meisten Scharia-Geldhäuser am Persischen Golf wieder schwarze Zahlen. Weltweit erreichte die Islamic Finance die Marke von einer Billion Dollar.
Ausser in Nahost und Fernost, wo letztes Jahr 87 Prozent aller Sukuk begeben wurden, sind Islamic Bonds in den letzten Jahren auch in Deutschland, England und Luxemburg emittiert worden bzw. sie werden dort gehandelt. In Frankreich könnte, offiziell unterstützt von Wirtschaftsministerin Christine Lagarde, noch im 2011 die erste Islamische Bank an der Seine gegründet werden, um gegen London, das Mekka der Islamic Finance im Westen, zu konkurrenzieren. In Afrika expandiert der Markt um «Koran und Kapital“ neu in Ägypten, Kenia und Uganda.
Koreanische Christen nehmen Sukuk ins Visier
Ausgerechnet eines der innovativsten Finanzierungsinstrumente stösst in Südkorea auf Widerstand. Dort behaupteten radikale christliche Gruppen jüngst, Islamic Bonds dienten der «Terrorfinanzierung». Deshalb sollten Banken in Seoul keine zinslosen Sukuk strukturieren. «Wenn Terroristen Bankkonten bei koreanischen Geldhäusern unterhielten, würde mich das überraschen“, sagte dazu der unabhängige Genfer Vermögensverwalter John A. Sandwick vor Kurzem der The Korea Times. «Und selbst wenn dies so wäre, könnten sie ja direkt Aktien koreanischer Top-Konzerne kaufen.“
Tatsächlich gilt die Know-Your-Customer-Regel auch im Islamic Banking, müssen Sukuk von internationalen Rating-Agenturen durchleuchtet werden, damit sie zu vergleichbaren Kosten an Börsen platzierbar sind. Um arabische Petro-Dollars nach Seoul zu locken, prüft der Gesetzgeber, Sukuk steuerlich mit konventionellen Anleihen gleich zu stellen. Die Terrorfinanz-Vorwürfe verzögerten aber das Vorhaben.
Oklahama und Süd-Dakota wollen Islamic Finance verbieten
Der Protest in Fernost mutet bescheiden an gegenüber Massnahmen der US-Bundesstaaten Oklahama und Süd-Dakota. Dort wird debattiert, die Scharia-Finanz komplett zu verbieten. John Sandwick, der von Genf aus seit Jahrzehnten eine betuchte Klientel in der Golfregion berät, meint dazu, beide US-Staaten seien «marginale Grössen“. Dennoch: Nahöstliche Banken befürchten, das Beispiel könne Schule machen.
Dabei war die amerikanische Citigroup im Jahr 1996 die erste westliche Bank, die eine islamische Tochtergesellschaft in Bahrain aus der Taufe hob. Doch das Klima gegen den Islam generell ist in den USA ohnehin angeheizt, durch Koran-Verbrennungen radikaler Pastoren und durch den republikanischen Kongressabgeordneten Peter King aus New York, der Muslime pauschal als «nicht-amerikanisch und unpatriotisch» einstuft.
Auch in der Fünften Republik könnte Ministerin Lagarde’s Traum eines heimischen système bancaire islamique schnell ausgeträumt sein. Dann nämlich, falls die stets Islam-kritische Marine Le Pen, Chefin des rechtsextremen Front National, 2012 in den Élysée-Palast einziehen sollte. Laut jüngsten Umfragen liegt sie in der Wählergunst mit 23 Prozent knapp vor Amtsinhaber Nicolas Sarkozy.