Arabische Länder benötigen Jobs, Jobs, Jobs
Mubarak ist weg, die Probleme sind geblieben: junge Ägypter demonstrieren in Kairo fast täglich für mehr Arbeitsplätze (Bild vom 21. März 2011, gaf).
Aus Kairo berichtet Gérard Al-Fil.
Kairo – Im Frühling 2011 gibt es kaum noch ein arabisches Land, in dem nicht der Frust der «verlorenen Generation», vor der IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn bereits Anfang 2009 warnte, im Alltag zu spüren ist. Neue Proteste finden jetzt auch im Südosten Syriens statt.
Gerade hat die italienische Küstenwache vor Sizilien 50 Ägypter aufgegriffen. Fast täglich machen sich Menschen aus Nordafrika, Männer und Frauen, Kinder und Greise, auf, um in waghalsigen Bootsfahrten die «Festung Europa» auf dem Seeweg zu erreichen. Illegal.
Ägypten im Machtvakuum
Sechzig Prozent der 300 Millionenen Araber sind jünger als dreissig Jahre. Ägyptens «ancien régime» unter Mubarak mag seit einem Monat unter dem Eindruck wochenlanger Proteste verschwunden sein. Die zum Himmel schreienden sozialen Probleme sind geblieben. «Wer kann, verlässt Hals über Kopf das Land», heisst es am Nil. Weil die Touristen nur zögerlich zurück kehren, hat sich die Lage für viele junge Ägypter sogar verschlechtert. Ein Fünftel der Deviseneinnahmen stammen aus dem Feriensektor. Der gesamte volkswirtschaftliche Verlust wird seit der Revolution auf 20 Mrd. Dollar beziffert.
Am Nil ist das mit 84 Millionen Menschen bevölkerungsreichste arabische Land nicht in der Lage, ausreichend Arbeitsplätze zu schaffen. Innerhalb von sechs Monaten sollen Parlaments- und Präsidentenwahlen abgehalten werden, bis dahin wird es kaum neue Impulse für die Volksirtschaft geben.
Eine Militärregierung verwaltet das Land mit Billigung der Bevölkerung interimistisch. Dennoch demonstieren auf Kairos Strassen junge Menschen weiterhin täglich für mehr Jobs, und dafür, dass die gesperrten Milliarden des Mubarak-Clans, der sich offenbar im Badeort Scharm El-Sheich aufhält, endlich dem Volke zugute kommen. «Wir werden nicht aufhören, auf unsere Misere lautstark aufmerksam zu machen», sagt IT-Student Ahmed. Wo er einmal arbeiten will? Schulterzucken.
Die Emirate als Modellstaat?
Erstaunlich: in den sechs arabischen Ölstaaten am Persischen Golf sieht es auf dem Arbeitsmarkt nicht wesentlich besser aus. «Ölförderung schafft nur eine Handvoll Arbeitsplätze. Entscheidend ist, wie die Einnahmen aus dem Erdölexport investiert werden», sagt die Emirate-Handelsministerin Scheicha Lubna Al-Qassimi. Dennoch: die VAE haben ihre Wirtschaft früh diversifiziert, Frehandelszonen für nahezu alle Wirtschaftszweige geschaffen. Dubai beheimatet das siebtgrösste Aluminumwerk der Welt und den grössten Containerhafen der Region. Die Hälfte der Mitarbeiter bei Emirate-Banken sind weiblich.
Ein hoher Frauenanteil in der Arbeitswelt war schon immer Indikator für wirtschaftlichen Fortschritt. Und in diesem Punkt muss die arabische Welt noch gewaltig zulegen, um nicht in dauerhafte Unruhen zu versinken.