Fukushima: Wasserbomben auf Reaktor-Ruinen

Fukushima: Wasserbomben auf Reaktor-Ruinen

Hubschrauber transportieren Wasser für Abwurf über Fukushima aus der Luft.

Tokio – Hoffnungsschimmer, doch die Zeit rast davon: Mit allen Mitteln kämpfen Techniker und Soldaten gegen Kernschmelzen im japanischen Katastrophen-AKW Fukushima. Mit Wasser-Abwürfen aus der Luft und Spritzkanonen am Boden versuchen Soldaten, den havarierten Reaktor 3 zu kühlen. Der Betreiber Tepco wertete den Einsatz als Erfolg, weil Wasserdampf aus dem überhitzten Meiler aufstieg. Die Behörden geben dennoch keine Entwarnung. Der Kühl-Einsatz wurde am Donnerstag mit Helikoptern aus der Luft und mit Wasserwerfern vom Boden aus geführt. Doch zielgenaues Treffen war schwierig.

«Am wichtigsten ist jetzt, grosse Wassermengen auf die Reaktorblöcke 3 und 4 zu schütten, vor allem um die Kühlbecken zu füllen», sagte ein Sprecher der Atombehörde. Am Abend schafften Arbeiter zudem, erfolgreich eine 1500 Meter lange Stromleitung zum Reaktor 2 zu legen, wie die internationale Atombehörde (IAEA) mitteilte. Die Versorgung des Reaktors mit Elektrizität solle aber erst beginnen, wenn der Einsatz der Helikopter und Wasserwerfer abgeschlossen sei. Nach Angaben der IAEA ist es aber unklar, ob das Kühlsystem des Reaktors noch so intakt ist, dass es mit Strom wieder in Gang gesetzt werden kann. Ob ein Super-GAU verhindert werden kann, entscheidet sich nach Einschätzung der deutschen Strahlenschutz-Gesellschaft vermutlich bis Samstag: Wenn die Kühlversuche an Block 4 scheiterten, komme es zur Katastrophe. Hier liegen die Kernbrennstäbe ausserhalb der stählernen Schutzhülle offen in einem Abklingbecken.

Lage «extrem dramatisch»
Axpo-Chef Manfred Thumann bezeichnete die Lage als «extrem dramatisch». Was momentan in Fukushima gemacht werde, seien «Massnahmen letzter Art», sagte er in Bern. Auch Horst-Michael Prasser, Professor für Atomenergiesysteme an der ETH Zürich, bezeichnete die Situation als ernst. Wie sich die Situation entwickeln werde, wollten weder er noch Thumann beurteilen. Prasser bezeichnete es aber als gutes Zeichen, dass nun mehr Hilfsressourcen zur Verfügung stünden. So flog die französische Regierung fast 100 Tonnen Bor nach Japan. Die Chemikalie verlangsamt die Reaktion an den Brennstäben. Prasser wies aber auch auf die Gefahr weiterer Schäden durch Nachbeben hin.

Starker Anstieg der Strahlung rund um AKW
Andere Fachleute betonten, dass jeder Tag ohne volle Kernschmelze ein gewonnener sei. Nach Angaben des Direktors des Eidg. Nuklearsicherheitsinspektorats (ENSI), Hans Wanner, reichen die Schätzungen, wann die Becken leer sind und hohe Mengen Radioaktivität austreten könnte, von 24 Stunden bis 5 Tagen. Der Chef der IAEA, Yukiya Amano, reiste inzwischen zusammen mit Experten in seine japanische Heimat. Gemäss der IAEA hat sich die Lage nicht weiter zugespitzt; sie bleibe aber «sehr ernst». Allerdings berichtete die IAEA von einem starken Anstieg der Strahlung rund um das AKW. In Tokio sei der Wert aber nicht gesundheitsgefährdend.

AKW-Arbeiter «Todeskandidaten»
Die Arbeiter im Unglücks-AKW sind nach Experten-Einschätzung «Todeskandidaten». Die radioaktive Strahlung sei für sie eine «Katastrophe», die sie wohl früher sterben lasse, sagte der Präsident der deutschen Gesellschaft für Strahlenschutz Sebastian Pflugbeil. Professor Keiichi Nakagawa aus der Radiologieabteilung der Tokioter Universitätsklinik verglich ihren Einsatz mit einem «Himmelfahrtskommando im Krieg». Insgesamt waren bei Fukushima Eins seit Beginn der Katastrophe 180 Techniker im Einsatz – zuletzt reduzierte die Betreibergesellschaft den Bestand auf 50. Nach IAEA-Angaben wurden bereits 23 Menschen verletzt und mindestens 20 Mitarbeiter verstrahlt. Trotzdem meldeten sich japanische Bürger freiwillig, um die Arbeiter im AKW unterstützen, wie die Nachrichtenagentur Jiji berichtete.

Zahl der Todesopfer steigt gegen 6000
Die Sorge vor einer Atomkatastrophe drohte das Los Hunderttausender Opfer des Bebens und des Tsunamis vom vergangenen Freitag zu überdecken. Den Überlebenden setzte nun noch ein Wintereinbruch mit Schneefall zu. In den Notunterkünften kam nur wenig Trinkwasser und Heizöl an. 850’000 Haushalte waren ohne Strom, mindestens 1,5 Millionen ohne Trinkwasser. Die Zahl der offiziell registrierten Todesopfer stieg in Richtung 6000. Die Behörden gingen inzwischen von bis zu 15’000 Toten aus. Sie riefen in Tokio zum radikalen Stromsparen auf. Dort blieb der befürchtete Blackout nach Einbruch der Dunkelheit aus, weil Millionen Menschen und Unternehmen sich einschränkten. Daher kam es nur zu vorübergehenden Stromabschaltungen. (awp/mc/ss/upd/ps)

Tepco

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