Deutsche Börse und NYSE Euronext in Fusionsgesprächen
Soll bei der fusionierten transatlantischen Börse VRP werden: Reto Francioni, CEO Deutsche Börse AG.
Frankfurt am Main – Die Börsen sind wieder im weltweiten Fusionsfieber. Nachdem am Mittwochmorgen die Handelsplätze in London und Toronto ihre Fusion angekündigt hatten, zogen am Nachmittag die NYSE Euronext und die Deutsche Börse nach. Beide Seiten bestätigten in Frankfurt und New York «fortgeschrittene Gespräche» über einen möglichen Zusammenschluss.
«Derzeit ist auch nicht sicher, ob es zum Abschluss einer Vereinbarung kommt oder – im Falle einer solchen Vereinbarung – zu einer Transaktion», informierten der Frankfurter Marktbetreiber und die transatlantische Börse NYSE Euronext. Jedwede Transaktion bedürfe zudem noch der Zustimmung der Vorstände und Kontrollgremien, der Wettbewerbsbehörden und der Aktionäre. Aus dem Aufsichtsrat der Deutschen Börse wurde «Befremden» geäussert, wie es ein Mitglied gegenüber der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX formulierte. «In den Ausschüssen und den Sitzungen des Aufsichtsrats war die New York Stock Exchange bislang kein Thema gewesen», sagte das Mitglied. «Ein solches unabgestimmtes Vorgehen des Vorstandes entspricht nicht den Corporate-Governance-Regeln und zeigt mal wieder, dass der Vorstand macht, was er will.»
Niederauer als Konzernchef vorgesehen
Laut den Mitteilungen beider Unternehmen ist geplant, dass die Deutsche Börse und NYSE Euronext ihr Geschäft im Rahmen eines Aktientausches mit Hilfe einer neu gegründeten und in den Niederlanden ansässigen Gesellschaft bündeln. Im Falle einer solchen Einigung würden die Anteilseigner der Deutschen Börse 59 bis 60 Prozent am neuen Unternehmen halten. Konzernchef soll allerdings NYSE-Lenker Duncan Niederauer werden, Deutsche-Börse-Chef Reto Francioni würde Verwaltungsratschef. Die Zentralen sollen in Frankfurt und New York sein. Der rechtliche Sitz des neuen Unternehmens seien die Niederlande. NYSE Euronext und Deutsche Börse erhoffen sich den Angaben zufolge Kostensynergien in Höhe von 300 Millionen Euro. Zudem werde eine deutliche Steigerung der Umsätze erwartet etwas durch Clearing-Dienstleistungen oder wegen der Zusammenarbeit der globalen Kassa- und Derivategeschäfte der beiden Börsen.
Auch Analysten überrascht
Analysten äusserten sich überrascht über die erneut hochschwappende Fusionswelle unter den Börsen. Analyst Christian Muschick von der Investmentbank Silvia Quandt sieht die geplante Fusion zwischen Deutscher Börse und NYSE Euronext positiv. «Gut ist vor allem, wenn Niederauer wie angekündigt Vorstandschef wird, denn dann wird der Fokus auf die Kunden der Börse gelegt, was zur Unternehmensstrategie der NYSE gehört und bei der Deutschen Börse bislang gefehlt hat.» Dass die Aktionäre der Deutschen Börse bis zu 60 Prozent am neuen Konzern beteiligt würden, entspräche der höheren Marktkapitalisierung des Frankfurter Konzerns. Die geplanten Kostensynergien von 300 Millionen Euro hält er für realistisch, auch wenn noch Details fehlten.
Aktienkurse springen nach Handelswiederaufnahme nach oben
Ein weiterer Analyst meinte mit Blick auf die Kostensynergien: «Die 300 Millionen Euro entsprechen rund 8 Prozent der gemeinsamen Kostenbasis, was nicht allzu viel ist. Spannend ist aber vor allem, wie der neue Konzern auf der Umsatzseite vorankommen will. Da fehlen noch konkretere Aussagen.» Die Kurse beider Aktien zogen nach ihrer Wiederaufnahme zum Handel an: Der Kurs der NYSE Euronext legte zuletzt in New York um 13,53 Prozent auf 37,93 Dollar zu. Der Kurs der Deutsche-Börse-Aktie stieg im nachbörslichen Handel beim Wertpapierhandelshaus Lang & Schwarz um 7,16 Prozent auf 62,60 Euro. (awp/mc/ps)
(awp/mc/upd/ps)