CS: Schulden grösste Herausforderung für Weltwirtschaft
Zürich – Der Anstieg der staatlichen wie auch privaten Verschuldung ist eine der grössten Herausforderungen der heutigen Weltwirtschaft. In der Publikation «Country Indebtedness – An Update» erläutern die Analysten der Credit Suisse, wie Reformen in den Pensionssystemen und die Einführung eines gemeinsamen Wechselkursmechanismus zwischen gewissen Schwellenländern zu einer langfristigen Lösung der Schuldenproblematik beitragen können.
Über das vergangene Jahr hat sich die europäische Schuldenkrise intensiviert. Gleichzeitig steuert Europa, nach Meinung der Analysten der Credit Suisse, auf eine Lösung des Problems hin – wenn auch eher zu langsam. Wie in der Publikation von Research Institute näher dargelegt, würde eine Auflösung des Euro sicherlich keine Lösung bringen, sondern zu chaotischen Zuständen in der Wirtschaft und an den internationalen Finanzmärkten führen. Neu eingeführte (oder wieder «zum Leben erweckte» alte) Währungen würden in vielen Ländern, als Folge der resultierenden Wertveränderungen in den Bilanzen von Haushalten, Unternehmen und Banken zu unmittelbaren Ausfällen, unkontrollierbaren Finanzströmen und damit einer erneuten Finanzkrise beitragen.
«Collective Action Clauses» stärken disziplinierende Rolle der Finanzmärkte
Die Lösung für Europa liegt nach Meinung der Analysten der Credit Suisse in der Kombination eines wesentlich stärkeren Stabilisierungsfonds und der Senkung der von ihm einverlangten Zinsen, der Verpflichtung von Staaten auf die quasi-permanente Erzielung zyklisch bereinigter Primärüberschüsse und, wo nötig und sinnvoll, einer gut kontrollierten Umschuldung. Die prinzipielle Einigung der EU-Regierungen, ab 2013 sogenannte «Collective Action Clauses» (kollektive Umschuldungs-Klauseln) in den zukünftig zu emittierenden Obligationen von Staaten wie auch Banken einzufügen, wird begrüsst, da die disziplinierende Rolle der Finanzmärkte gestärkt würde. Gleichzeitig weist die Studie darauf hin, dass dadurch das aktuelle Kernproblem – die heutige Überschuldung – nicht gelöst würde. Es wird schliesslich betont, dass flexible Eingriffe der Notenbanken in den Bondmarkt zur kurzfristigen Stabilisierung beitragen können, dass dies aber keine nachhaltige Lösung darstellt.
Szenarien für die Schuldenentwicklung in Industrieländern
Die Studie des Research Institute enthält zudem detaillierte Daten, Simulationen und Szenarien für die längerfristige Schuldenentwicklung in den wichtigsten Industrieländern. Es wird unter anderem darauf hingewiesen, dass die Schuldendynamik in den USA besorgniserregender verläuft als in der Eurozone. Obwohl ein Schuldenausfall der USA in der mittleren Frist fast ganz ausgeschlossen werden kann, da die Papiere in eigener Währung begeben werden, könnte durchaus eine krisenartige Entwicklung auftreten. Sollte zu den andauernd hohen Staatsdefiziten zum Beispiel eine plötzlich anziehende Inflation hinzukommen, wäre eine Kombination von rasch sinkenden Obligationenkursen und einem Einbruch des Dollars nicht unwahrscheinlich. Die Konsequenzen für die Weltwirtschaft und die internationalen Aktienmärkte wären ohne Zweifel negativ. Die Analysten der Bank geben ihrer Hoffnung Ausdruck, dass die Schuldenproblematik in den USA vor dem Eintreffen eines derartigen Krisenszenarios angegangen würde. Die jüngsten Entscheide des US-Kongresses, die nach Redaktionsschluss der Publikation getroffen wurden, lassen jedoch gewisse Zweifel aufkommen.
Mögliche Massnahmen zur Lösung der Schuldenproblematik
In der Studie werden auch konkrete Massnahmen erläutert, die zur langfristigen Lösung der Schuldenproblematik beitragen könnten. Einerseits wird anhand detaillierter Ländervergleiche der Wirkungsgrad diverser Reformen in der Alters- und Gesundheitsvorsorge bezüglich der Schuldeneindämmung beschrieben. Die Quintessenz dieser Analyse ist, dass die Stabilisierung der Pensionssysteme mit gezielten Massnahmen wohl etwas leichter zu bewerkstelligen ist als die Eindämmung der Ausgaben in der Gesundheitsvorsorge. In allen Fällen sind Reformen dann erfolgreicher, wenn sie den Beschäftigungsgrad der alternden Bevölkerung erhöhen. Die Autoren sehen einen wichtigen Lösungsansatz darin, mittels einer sorgfältig ausgestalteten Flexibilisierung des Rentenalters Anreize zur längeren Beschäftigung zu schaffen.
Globales «Ausbalancieren»
Auch die internationale Wirtschaftspolitik könnte einen Beitrag zur Lösung der Schuldenproblematik liefern. Die Autoren weisen darauf hin, dass die hohe staatliche (und private) Verschuldung in vielen Industrieländern unter anderem durch die hohen Ersparnisüberschüsse in Schwellenländern ermöglicht wurde. Ein globales «Ausbalancieren» von Konsum und Sparen zwischen Industrie- und Schwellenländern würde den Schuldenaufbau erschweren. Ein Hindernis für diesen Anpassungsprozess stellt die Neigung von Schwellenländern dar, ihre Währungen künstlich unterbewertet zu halten. Dieses Problem wird durch den Wettbewerb unter den Schwellenländern selbst verschärft. Aufgrund einer detaillierten Analyse bilateraler und multilateraler Handelsströme wurden in der Studie Gruppen von Ländern eruiert, die durch die Einführung eines gemeinsamen Wechselkursmechanismus (Abkommen zwischen den einzelnen Ländern, um die Stabilität der Wechselkurse zu wahren und damit die Handelsströme zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten) die negativen Wirkungen dieses Wettbewerbs bereinigen könnten.
Historische Erkenntnisse als Basis für die Entwicklung eines Risikoindikators
Schliesslich werden historisch interessierte Leser in «Country Indebtedness – An Update» ein faszinierendes Kapitel über die Historie von Schuldenausfällen und deren Ursachen finden. Darin wird erläutert, dass entweder grosse wirtschaftliche Schocks (wie die Finanzkrise des Jahres 2008) oder politische Entwicklungen Schuldenkrisen ausgelöst haben. Dabei geht typischerweise ein Schuldenausfall mit dem Verlust von politischem Einfluss, bei grossen Mächten mit Zersetzung ihres «hegemonialen» Anspruchs, einher. Auch dieser politökonomische Mechanismus deutet darauf hin, dass für die derzeit grössten Schuldnerländer nicht mit einem baldigen Schuldenausfall gerechnet werden muss. Erhöhte und krisenartige Spannungen an den Finanzmärkten können aber nicht ausgeschlossen werden. Analysten aus dem Bereich Credit Research haben u.a. aufgrund der historischen Muster für das Auftreten von Schuldenkrisen einen Länderrisikoindikator entwickelt, welcher ebenfalls in der Publikation präsentiert wird.
Die aus Sicht der Analysten vielversprechendsten Reformmassnahmen sowie die Kern- und Risikoszenarien für Wirtschaft und Finanzmärkte werden in verdichteten Abschnitten der Publikation, dem sogenannten «Debt Manifesto» und einem «Fragen und Antworten»-Teil, zusammengefasst. Die am 27. Januar 2011 veröffentlichte Studie «Country Indebtedness – An Update» wurde unter der Ägide des Credit Suisse Research Institute und in enger Zusammenarbeit von Analysten aus den Bereichen Investment Banking und Private Banking erstellt. (cs/mc/ps)