Trichet: Schuldenkrise zu wirtschaftlicher Integration nutzen
Die Eurozone an sich ist laut Trichet ein einzigartiges Projekt. Die derzeitige Krise müsse daher von den europäischen Institutionen mit «Learning by doing» bewältigt werden. «Lösungen aus dem Lehrbuch helfen bei den derzeitigen Umständen nicht.» Trichet spielte hier auch auf die aussergewöhnlichen Massnahmen der Notenbank an. Dazu zählen zusätzliche Liquiditätsmassnahmen und der Kauf von Staatsanleihen einiger Randländer der Eurozone. Diese ungewöhnlichen Massnahmen würden unabhängig von der regulären Geldpolitik verfolgt. Sie können laut Trichet auch unabhängig voneinander geändert werden.
Auch Trichet gegen Euro-Bonds
Der Einführung von gemeinsamen Euro-Anleihen steht Trichet weiterhin ablehnend gegenüber: «Der EZB-Rat hat sich in der Vergangenheit immer gegen gemeinsame Anleihen ausgesprochen. Ich habe jetzt hierzu keine neue Position zu verkünden.» Die einzelnen Regierung hätten vielmehr die Aufgabe, ihre Schulden zurückzuführen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. «Jede Institution sollte ihrer Verantwortung nachkommen.» Die derzeitige Krise sei eine Folge einer verfehlten Regierungspolitik. Zur Frage, ob durch den Europäischen Rettungsfonds (ESFS) auch Anleihen gekauft werden sollen, wollte Trichet nichts sagen. Er forderte jedoch mehr Flexibilität für den ESFS.
«No-Bail-Out-Klausel» nicht verletzt
«Die sogenannte No-Bail-Out-Klausel ist durch die Hilfe für Griechenland und Irland nicht verletzt worden», sagte Trichet. Es handle sich hier um Kredite und nicht um Transferzahlungen. Kredite seien im Maastricht-Vertrag nicht untersagt worden. Eine solide Haushalts- und Wirtschaftspolkit könne durchaus dazu führen, dass Transferzahlungen auch künftig nicht nötig würden. Trichet lobte das irische Reformprogramm. Es könne dazu beitragen, die irische Wirtschaft zu stabilisieren und die Spannungen an den Finanzmärkten zu vermindern. Zudem dürfte das Programm das Vertrauen in die gesamte Eurozone stärken.
Trichet fordert noch schärferen Stabipakt
Die derzeit vorgeschlagene Verschärfung des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes geht Trichet nicht weit genug. «Sanktionen müssen quasi-automatisch nach klaren Kriterien erfolgen», sagte er. Dieser Prozess müsse transparent sein, so dass Fortschritte bei der Sanierung der Staatsfinanzen für alle Marktteilnehmer nachvollziehbar seien. Neben dem Haushaltsdefizit müsse auch der Schuldenstand eines Landes stärker berücksichtigt werden. Der Pakt sieht einen Schuldenstand von 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes vor. «Die fehlende Berücksichtigung der Wettbewerbsfähigkeit war ein grundlegender Fehler des ursprünglichen Wachstumspaktes», sagte Trichet.
EZB drängt zur Aufstockung ihres Grundkapitals
Die EZB erwägt offenbar eine Aufstockung ihres Grundkapitals. Die EZB dränge die an ihr beteiligten nationalen Notenbanken zu einer Kapitalaufstockung, berichtet die Financial Times Deutschland unter Berufung auf Notenbank-Kreise. Grund für die Aufstockung seien die milliardenschweren Hilfsmassnahmen in der Finanz- und Schuldenkrise.So hat die EZB eigenen Angaben zufolge allein 72 Milliarden Euro in europäische Staatsanleihen investiert, um den Markt zu stützen.
Nationale Notenbanken stellen 70% des Grundkapitals
Das Grundkapital der EZB beläuft sich derzeit auf rund 5,8 Milliarden Euro, bei einer Bilanzsumme von knapp 140 Milliarden Euro. Offenbar befürchte die EZB, dass die gekauften Staatspapiere an Wert verlieren, schreibt die FTD. Ein Wertverlust der Anleihen würde über Abschreibungen zu Buchverlusten bei der EZB führen. Das Grundkapital der EZB stellen die nationalen Notenbanken zu 70 Prozent. Die restliche Summe verteilt sich auf EU-Länder, die nicht dem Währungsraum angehören. (awp/mc/ps/06)