Rettungsaktion für Irland: Verhandlungen beginnen
Dies sagte Finanzminister Brian Lenihan im irischen Fernsehen. Deutschland drängt das hochverschuldete Land, die Hilfe von EU, Euro-Ländern und Internationalem Währungsfonds (IWF) anzunehmen. Auch Grossbritannien bietet Geld. Nach Expertenschätzung könnten sich die Hilfen auf 60 bis 100 Milliarden Euro summieren – ähnlich hoch wie das 110 Milliarden Euro schwere Hilfspaket für Griechenland, das allerdings nicht aus dem Euro-Rettungsschirm stammt. Allein für die Sanierung seiner kriselnden Banken benötigt Irland bis zu 50 Milliarden Euro. Nach Ansicht von Kapitalmarktexperten könnte die Summe sogar noch höher ausfallen. Die Finanzmärkte reagierten nach der Aufregung am Vortag gelassen: «Irland wird so oder so geholfen», hiess es.
Sorgfältige Vorbereitung nötig
Irlands Ministerpräsident Brian Cowen, der sich bislang zumindest öffentlich gegen Kredithilfe gesträubt hatte, schliesst dies nun nicht mehr aus. Er sagte am Mittwoch in Dublin, es bedürfe einer sorgfältigen Vorbereitung. Die Bundesregierung betonte, noch habe Irland keinen Antrag auf Nothilfen gestellt. Sollte dieser vorliegen, würden EZB, IWF und die Euro-Länder prüfen, ob tatsächlich die Zahlungsfähigkeit Irlands und die Euro-Zone als Ganzes gefährdet seien, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Irland habe mutige Reformen angestossen und geniesse die vollständige Rückendeckung Berlins.
Irischer Bankensektor «ein sehr besonderes Problem»
Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso unterstrich, die irische Regierung unternehme «enorme Anstrengungen», um die Finanzen des Landes zu sanieren. Der Bankensektor Irlands sei «ein sehr besonderes Problem», sagte er. «Das muss rasch und entschlossen angegangen werden, damit das Vertrauen wieder voll hergestellt werden kann.» Die EU übe keinerlei Druck auf Irland aus, den Hilfsmechanismus in Anspruch zu nehmen. «Aber ich wiederhole, dass der Mechanismus bereit ist und zur Verfügung steht, wenn er benötigt wird.»
Druck wächst weiter
Nicht nur der politische Druck auf Irland, Nothilfe anzunehmen, wächst weiter, auch EZB-Ratsmitglied Yves Mersch drängte Irland indirekt dazu, Hilfen aus dem Europäischen Rettungsfonds anzunehmen. «Die Entscheidung, Hilfe für seine Banken anzunehmen, liegt einzig und allein bei Irland. Aber auch die EZB wird ihr Risikomanagement überprüfen», sagte Mersch der «Welt» (Donnerstag). Diese Aussage kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass die Europäische Zentralbank (EZB) nicht auf Dauer bereit ist, irische Staatsanleihen aufzukaufen.
Verantwortung für andere EU-Partner übernehmen
«Keiner kann nur für sich alleine handeln», sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) beim Treffen der EU- Finanzminister in Brüssel. Das gelte für alle Mitgliedsstaaten, insbesondere für die Euro-Länder. Jeder müsse Verantwortung für alle anderen Euro-Partner übernehmen. Falls Irland keine Kredite aus Europa annehme, drohe ein Übergreifen der Krise auf andere Staaten. Die Finanzmärkte könnten vor allem Wackelkandidaten wie Portugal oder Spanien ins Visier nehmen.
Hilferuf in den nächsten Tagen?
Nach Schäubles Worten kann Irland Gelder aus dem 750 Milliarden Euro schweren Rettungsschirm erhalten, der im Mai ins Leben gerufen wurde. «Es ist alles dafür vorbereitet, dass wir im Notfall schnell handeln können», sagte der Finanzminister. Nach Einschätzung der französischen Wirtschaftsministerin Christine Lagarde wird Irland schon in den nächsten Tagen den Euro-Krisenfonds um Hilfe bitten.
Nur für den absoluten Notfall
Der Krisenfonds wurde für den absoluten Notfall geschaffen, um pleitebedrohte Euro-Staaten vor dem Bankrott zu retten. Das Geld kann daher nur an Staaten, nicht aber an Private fliessen. Doch wenn wie im Fall Irlands ein Staat mit der Sanierung seiner Banken überfordert sei, sind die Bedingungen einer Auszahlung nach Angaben der EU- Kommission gegeben. «Der Fonds kann keine direkten Kredite für den Bankensektor geben, aber er kann Länderprogramme mit einer starken Betonung auf der Restrukturierung des Bankensektors auflegen», sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn. Irland hatte zuvor immer wieder betont, bis Mitte 2011 kein frisches Geld zu brauchen.
Übergreifen der Krise verhindern
Europa sieht sich zu dieser dramatischen Aktion gezwungen, um ein Übergreifen der Krise auf andere Wackelkandidaten wie Spanien oder Portugal zu verhindern. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy warnte vor einer Überlebenskrise der EU. «Wenn die Euro-Zone nicht überlebt, wird auch die Europäische Union nicht überleben», sagte er. Bundeskanzlerin Angela Merkel widersprach: «Ich glaube nicht, dass die Eurozone gefährdet ist. Aber wir haben doch Turbulenzen und Situationen, die habe ich mir auch vor anderthalb Jahren nicht träumen lassen», sagte die CDU-Politikerin in einem ARD-Interview.
«Grossbritannien steht bereit»
Auch London will sich beteiligen. «Grossbritannien steht bereit, Irland zu unterstützen, um Stabilität in sein Bankensystem zurückzubringen», sagte der britische Schatzkanzler George Osborne. Ein wirtschaftlich gesunder Nachbar Irland sei im Interesse seines Landes. Grossbritannien gehört zur EU aber nicht zur Eurozone. (awp/mc/ss/06)