Merkel bleibt hart beim G20-Gipfel
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erteilte dem Vorschlag von US- Präsident Barack Obama eine klare Absage, führende Exportnationen müssten ihren Handelsüberschuss deckeln und stattdessen mehr für die heimische Nachfrage tun. «Eine politische Festlegung von Obergrenzen für Leistungsbilanzüberschüsse oder -defizite (…) ist weder ökonomisch gerechtfertigt noch politisch angemessen», sagte sie bei einem G20- «Business Summit» vor 100 Topmanagern aus aller Welt. «Dies wäre unvereinbar mit dem Ziel eines freien Welthandels.»
Völliger Stillstand?
Die EU stützte Merkel im Streit mit den USA. Zwar müsse man Ungleichgewichte in den internationalen Handelsströmen angehen, sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Seoul. Dies könne aber nicht durch einen «mechanischen Ansatz» geschehen, meinte er. Stattdessen schlug Barroso «Leitlinien» vor, um die Handelsströme zu überwachen. Diese Leitlinien könnten als eine Art «Warnsignal» funktionieren. Obama und Merkel demonstrierten bei einem Treffen vor dem offiziellen Beginn des zweitägigen Gipfels nach aussen hin zwar Harmonie. Doch hinter den Kulissen kämpften die Unterhändler um jedes Wort für die Abschlusserklärung. Die südkoreanischen Gastgeber sprachen von einem völligen Stillstand in der Sache.
Ktitikpunkt US-Staatsanleihen
Obama setzte sich gegen die Kritik zur Wehr. «Das Wichtigste, was die USA für die Weltwirtschaft tun können, ist es zu wachsen.» Nach wie vor seien die USA der grösste Markt der Erde. «Länder wie Deutschland profitieren von unserem offenen Markt und davon, dass wir ihre Waren kaufen.» Hintergrund der Kritik ist auch der Kauf amerikanischer Staatsanleihen in Höhe von 600 Milliarden Dollar durch die US- Zentralbank. Brasiliens Finanzminister Guido Mantega zeigte sich verständnislos für die Politik der US-Notenbank. Er fürchtet, dass das billige Geld genutzt wird, um an den Weltbörsen zu spekulieren, statt Arbeitsplätze und Investitionen in den USA zu schaffen.
Wachstum nachhaltiger und dauerhafter
Auch bei Kanzlerin Merkel lässt der Schritt, mit dem die Konjunktur angekurbelt werden soll, die Alarmglocken schrillen. Sie warnte vor neuen Risiken für die Weltwirtschaft. Kein Mensch könne Interesse «an neuen Blasen haben». Alle müssten zusehen, dass das Wachstum diesmal in der Weltwirtschaft nachhaltiger und dauerhafter als vor einigen Jahren sei. Der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, verteidigte am Rande des Gipfels China, das seine Währung nicht freigibt und nur langsam aufwerten lässt. «China muss man verstehen, die sind in einer Phase des Übergangs zu noch mehr Marktwirtschaft», sagte Ackermann der «Financial Times Deutschland». Die Chinesen würden sich auch nicht zu einer Wechselkurskorrektur drängen lassen.
Obama zuversichtlich
Trotz der Differenzen rechnete Obama mit einer Einigung in Seoul. Ausdrücklich fügte er hinzu, dass er auch die Zustimmung Merkels erwarte. «Wir werden bei dem Gipfel eine Übereinkunft auf breiter Grundlage aller Länder sehen, einschliesslich Deutschlands.» Er deutete an, dass es darum gehe werde, Kontrollen für eine bessere Überwachung der Handelsströme aufzubauen. Diplomaten in Seoul vermuteten, dass der französische Staatschef Nicolas Sarkozy als nächster G20-Präsident eine entsprechende Arbeitsgruppe einsetzen wird, die dann beim nächsten Gipfel Ergebnisse vorlegen soll. Chinas Staatschef Hu Jintao hoffte trotz allen Streites auf ein «positives Ergebnis» des Treffens. Peking sei bereit, «mit den USA zusammenzuarbeiten, um Dialog und Zusammenarbeit zu verstärken», sagte er bei einem Treffen mit Obama.
Unverbindliche «Leitlinien» ohne konkrete Zahlen
Aus US-Delegationskreisen verlautete, man könne sich für die Schlusserklärung von Seoul mit unverbindlichen «Leitlinien» ohne konkrete Zahlen zufriedengeben. Merkel ging ohne Schärfe in das Gespräch mit Obama. «Wir arbeiten in der Tat eng und gut zusammen, und das ist, glaube ich, auch absolut notwendig in einer Welt, die die Probleme nur gemeinsam lösen kann.» Obama betonte, zwischen beiden Ländern gebe es eine enge Partnerschaft. Er sei stolz darauf, mit Deutschland zusammenzuarbeiten. Er werde mit der Kanzlerin auch über die Afghanistan-Frage sowie ein ausgewogenes Wirtschaftswachstum reden.
Für angemessene Wechselkurse
Mit Blick auf China machte sich Merkel in ihrer Rede vor den Managern allerdings für angemessene Wechselkurse stark. Wechselkurse müssen die wirtschaftlichen Fundamentaldaten widerspiegeln». Die USA werfen China vor, den Yuan künstlich niedrig zu halten, um sich so mit vergleichsweise günstigen Produkten auf dem Weltmarkt Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Ziel der USA ist es, ihre Exporte wieder auszuweiten. Dazu hat Obama schon vor Monaten eine «Exportinitiative» ausgerufen. Die USA leiden unter einem chronischen Handelsbilanzdefizit: Sie importieren zu viel und exportieren zu wenig. Und die Importe sind massiv durch Kredite finanziert.