Sarasin Research: Ungewisse Zukunft für Biokraftstoffe

Grosse Erwartungen werden daher in die Entwicklung umwelt- und sozialverträglicher Technologien der zweiten und dritten Generation gesetzt. Doch Faktoren wie Mineralölpreise, staatliche Interventionen oder Elektrofahrzeuge stellen den Investor vor weitere grundsätzliche Fragen. Dies schreibt die Bank Srarsin in ihrem neuesten Nachhaltigkeitsstudie «Erneuerbare Energien 2010» vom Montag.  


Zweifelhafter ökologischer Nutzen  
Die Ungewissheit über die Zukunft der Biokraftstoffe ist gross. Aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit von Anbauflächen und des zweifelhaften ökologischen Nutzens haben Biokraftstoffe erster Generation gemäss der aktuellen Sarasin Nachhaltigkeitsstudie nur geringe Aussichten, als zukünftiger Ersatz für fossile Treibstoffe zu dienen. In einer Ökobilanz, die nicht nur CO2, sondern alle relevanten Umweltauswirkungen berücksichtigt, schneidet nur ein kleiner Teil der Biokraftstoffe positiv ab. Relevante Themen sind dabei Überdüngung und Biodiversitätsverlust, aber auch indirekte Effekte durch Veränderung der Landnutzung. Letztere sind Effekte, die erst kürzlich vertieft untersucht wurden: Werden Biokraftstoffe auf bestehenden Landwirtschaftsflächen angebaut, entsteht durch die steigende Nachfrage nach Nahrungs- und Futtermittel Druck auf Wälder und Grasflächen. Die Umwandlung solcher Gebiete in Landwirtschaftsland kann zu signifikanten CO2-Emissionen führen, welche die Klimabilanz von Biokraftstoffen ins Negative drehen kann.


Bestehende Kritikpunkte bestätigt
Gerade auch in der Schweiz zeigt sich ausserdem, dass die Nachfrage nach ökologisch sinnvollen Treibstoffen gering ist. Dies obwohl das hier lokal aus Restholz und organischen Abfällen erzeugte Bioethanol biologisch und ethisch unbedenklich ist und seit zwei Jahren steuerlich begünstigt wird. Grund für den Rückgang sind die gesunkenen Erdölpreise. Der Entscheid des Bundesrates die Mineralölsteuer im Oktober 2010 zu senken, wird den Rückgang wohl verstärken. Die kritischen Schlussfolgerungen, welche die Bank Sarasin in ihrer Nachhaltigkeitsstudie 2006 zum Thema Biokraftstoffe gezogen hatte, haben sich somit bestätigt. Die Autoren meinten bereits damals, dass der Boom übertrieben sei und die Entwicklung der Branche an ihre Grenzen stossen werde.


Potenzial begrenzt
Bereits heute werden in den USA 30% der Maisernte und in Brasilien 50 bis 60% des Zuckerrohrs für die Herstellung von Bioethanol eingesetzt (siehe Abbildung). Die begrenzte Verfügbarkeit von Agrarland und die Tatsache, dass bereits heute ein grosser Teil der Ernte von Mais, Soja, Zuckerrohr und Raps für Biokraftstoffe genutzt wird, schränken das Potenzial dieser ersten Generation deutlich ein. Bioethanol trug zudem 2008 lediglich 3,7% zur weltweiten Produktion von Benzin bei. Biodiesel besass sogar nur einen Anteil von 1,5% am gesamten Dieselabsatz. Das ist wenig, verglichen mit der dafür genutzten Menge an Rohstoffen beziehungsweise Nahrungsmitteln.


Hoffen auf zweite und dritte Generation
Bisher basierte die Produktion von Biokraftstoffen fast vollständig auf Technologien erster Generation. Diese werden mittels konventioneller Vergärungs- oder Veresterungsverfahren hergestellt. Biokraftstoffe zweiter Generation werden mit Hilfe des «Biomass-to-Liquid» BtLVerfahrens oder enzymatisch (Cellulose-Ethanol) aus pflanzlichen Rohstoffen gewonnen, die nicht als Nahrungsmittel verwendet werden. Die Zweit-Generations-Technologien zur Herstellung von Cellulose-Ethanol befinden sich noch in der Pilotphase. Kommerziell können diese frühestens 2012 hergestellt werden. Biokraftstoffe dritter Generation sind in erster Linie Treibstoffe, die aus in Wasser kultivierten Algen gewonnen werden. Biodiesel aus Algen wird jedoch frühestens 2016 rentabel produziert werden können. Bereits 2022 könnten sie jedoch schon einen Drittel der Biokraftstoffproduktion abdecken.


Viele Fragezeichen hinsichtlich Machbarkeit
Für die Biokraftstoffe insgesamt überwiegen zurzeit noch die Unsicherheiten, wenn auch grosse Chancen für die neuen Technologien der zweiten und dritten Generation bestehen. Doch auch hier stellen sich Fragen zur technischen, ökonomischen und ökologischen Machbarkeit. Zudem entsteht eine neue Konkurrenz durch die Entwicklung von Elektroautos. Hinzu kommen erhebliche Schwankungen der Rohstoff- und Produktpreise, die die Wirtschaftlichkeit der Biokraftstoffe bestimmen.


Erneuerbare Energien auf dem Vormarsch
2009 ist die Installation erneuerbarer Energien trotz Wirtschaftskrise, tiefen Ölpreises und unbefriedigender Fortschritte in der Klimapolitik weltweit gut vorangekommen. Erneut wurden in Europa und in den USA mehr Stromerzeugungsanlagen auf Basis erneuerbarer Energien als aus konventionellen Quellen erstellt. Neben der Wind- (+31%) und Solarenergie (+13%) sowie der Kleinwasserkraft (+7%), gewannen auch andere erneuerbare Energien wie die Meeresenergie (+2%) und die Geothermie (+4%) trotz niedriger Wachstumsraten an Bedeutung. Die erneuerbaren Energien entwickeln sich als wachsender Wirtschaftssektor derzeit zu einer reifen und etablierten Industrie. Während die Photovoltaik verstärkt in Richtung Elektroindustrie geht, entwickelt sich die Windenergie stärker in Richtung Maschinen- und Anlagenbau. (sarasin/mc/ps)


Nachhaltigkeitsstudie «Erneuerbare Energien 2010» erhältlich
Die vollständige Studie «Erneuerbare Energien: vom Nischen- zum Massenmarkt» der Bank Sarasin (Autor: Dr. Matthias Fawer) gibt einen fundierten und kritischen Überblick zum Stand der erneuerbaren Energien und beleuchtet die unterschiedlichen Aspekte, welche bei einer nachhaltig ausgerichteten Vermögensverwaltung zu beachten sind. Die Studie ist in deutscher und englischer Sprache gegen eine Schutzgebühr von CHF 50 resp. EUR 35 (für Kunden und Medien gratis) erhältlich bei: [email protected]

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