Kunstmuseum Luzern: Lebenszeichen

Bis in die Wiege der Menschheit reichen die Anfänge des bildhaften Ausdrucks zurück, den viele Künstlerinnen und Künstler aus allen Teilen der Welt heute gebrauchen. Dabei handelt es sich um nichts anderes als um drei universale Prinzipien der Kunst: Die Kunst vermag etwas Geistigem, Ideenhaftem eine bildliche Form zu verleihen (Imagination), sie kann eine komplexe Sache ganz einfach mit Symbolen und Mustern darstellen (Abstraktion), und schliesslich eignet sie sich als Medium, um eine Geschichte oder eine rituelle Handlung festzuhalten und wiederzugeben (Narration). Diesen drei Aspekten widmet sich die Ausstellung «Lebenszeichen» in drei Sektionen.


Kiki Smith (*1955); Lilith, 1994. Edition 1/3, Bronze und Glasaugen. The Metropolitan Museum of Art, New York.


Kiki Smith (*1955); Lilith, 1994. Edition 1/3, Bronze und Glasaugen. The Metropolitan Museum of Art, New York


Ein fünfzig Meter langer Bilderfries der amerikanischen Künstlerin Nancy Spero eröffnet den Weg in die Ausstellung «Lebenszeichen» und verbindet mittels logo- und zeichenhaften Figuren die Welt der alten Mythologien mit derjenigen unserer Gegenwart. Diese Passage führt direkt in eine Versammlung zeitgenössischer Figurationen alter Gottheiten. Man könnte diesen Saal gar als «Rat der Göttinnen» bezeichnen. Dort trifft beispielsweise die grosse sumerische Göttin Lilith auf ihr jüdisches Gegenbild Eva und auf die Jungfrau Maria, alle drei in Form von Skulpturen der Bildhauerin Kiki Smith. Mit von der Partie sind die medusenhaften Schlangen, die sich um das Haupt der Performancekünstlerin Marina Abramovic winden, eine Feuer-Silueta von Ana Mendieta, eine Plastik von Louise Bourgeois sowie die abgründige «Gorgo» des belgischen Künstlers Peter Buggenhout.


Nach diesen personifizierten Imaginationen universaler Prinzipien folgen Werke, die alte Zeichen und Symbole beinhalten. Die junge israelische Künstlerin Sigalit Landau vollzieht eine Art Ritual und schreibt sich in ihrer Videoarbeit selbst in eine Spirale ein, die in Form von Wassermelonen auf dem toten Meer treibend sich langsam entrollt, während der amerikanische Maler Philip Taaffe speziell für diese Ausstellung mit wunderschönen Ornamenten aus den Kulturen dieser Welt und mit natürlichen Urformen ein atmosphärisches Kabinett einrichtet.


Der dritte Ausstellungsteil ist Sagen, Brauchtum und alten Ritualen gewidmet und zeigt unter anderem eine zeitgenössische Version des mythischen sog. Waqwaq-Orakelbaums, geschaffen von der jungen indischen Künstlerin Bharti Kher. Danach folgt eine begehbare zeitgenössische Version des berühmten Labyrinths von Chartres (von Su-Mei Tse). Zum Ende der Ausstellung schliesst sich der Kreis wieder zur Gegenwart: In der Videoinstallation von Sanford Biggers verwischen junge Streetdancer in einer choreografierten Tanzperformance auf dem Boden aufgebrachte Mandalas und überführen sie mit ihren Körpern in neue Zeichen.


Die in der Ausstellung «Lebenszeichen» vertretenen Künstlerinnen und Künstler aus allen Teilen der Welt greifen auf Motive und Inhalte zurück, die in alten Zeiten wurzeln und durch ihren Jahrhunderte langen Gebrauch eine grosse Kraft und ein ungeheuer reiches Bedeutungspotential mit sich tragen. In der zeitgenössischen künstlerischen Neuinterpretation sind diese Darstellungen geeignet, auch heute noch zu einem vertieften Verständnis der menschlichen Existenz beizutragen. Sie versinnbildlichen archetypische und universale Prinzipien, dienen der Konstruktion von Weltentwürfen wie auch der Erklärung der Welt.


Dass die Kunst sich damit in die Nähe der Religion begibt, eröffnet eine spannungsvolle Diskussionen, welche Funktion die Kunst in der heutigen Zeit wahrnehmen kann, soll und will.


Beteiligte Künstlerinnen und Künstler: Adel Abdessemed, Marina Abramovic, Sanford Biggers, Louise Bourgeois, Peter Buggenhout, Nathalie Djurberg, Amar Kanwar, Bharti Kher, Sigalit Landau, Tea Mäkipää, Ana Mendieta, Mariella Mosler, Kiki Smith, Nancy Spero, Philip Taaffe, Su-Mei Tse.


 

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