David Stickelberger, Geschäftsleiter Swissolar
von Radovan Milanovic
Herr Stickelberger, Swissolar ist der schweizerische Fachverband für Sonnenenergie. Können Sie unseren Lesern Ihre Organisation kurz vorstellen?
Unsere Vorläuferorganisation wurde bereits 1978 gegründet ? wir können also auf ein 32-jähriges professionelles Engagement für die Solarenergie zurückblicken. Unsere Hauptaufgaben liegen heute in den Bereichen Kommunikation, Aus- und Weiterbildung und Qualitätssicherung. Zurzeit haben wir rund 220 Mitglieder aus der gesamten Wertschöpfungskette, also Hersteller, Planer und Installateure für Solarwärme, Solarstrom und Solares Bauen. Weitere Mitglieder sind Forschungsinstitute, Energieversorger sowie andere Verbände.
Wie finanziert sich Swissolar? Wie ist Ihr Verhältnis zum Bundesamt für Energie?
Swissolar ist Partner des Bundesprogramms «EnergieSchweiz», das vom Bundesamt für Energie geleitet wird. Im laufenden Jahr stammt etwas weniger als die Hälfte unserer Einnahmen aus diesem Programm. Der Rest sind Mitgliederbeiträge, Einnahmen aus Kursen und Sponsoringbeiträge. Dank steigender Mitgliederzahlen steigt auch die Eigenfinanzierung, was im Hinblick auf die nächste Phase von EnergieSchweiz ab 2011 von grosser Bedeutung ist.
Analysten schätzen für 2010 das globale Wachstum des Photovoltaikmarktes auf 46%. Da die Photovoltaikindustrie der Schweiz auf einen hohes Know-how und Akzeptanz zählt, dürfte auch in der Schweiz das Wachstum hoch bleiben. Wie sehen Sie die Entwicklung in der Schweiz für das laufende Jahr?
Der Photovoltaikmarkt in der Schweiz hat leider nicht so gute Rahmenbedingungen wie etwa in Deutschland. Die Mittel für die kostendeckende Einspeisevergütung, die KEV, sind momentan ausgeschöpft. Wir rechnen für 2010 mit einem stagnierenden bis rückläufigen Markt, hoffen jedoch auf ein Wachstum im 2011, wenn die KEV deblockiert sein dürfte. Die stark exportorientierten Schweizer Zulieferer der Photovoltaik-Industrie profitieren jedoch vom starken Weltmarkt. Erfreulich sieht es beim Markt für Sonnenkollektoren für Warmwasser und Heizung aus, wo wir mit einem Wachstum von rund 30% rechnen.
Bis ins Jahr 2015 prognostiziert eine Nachhaltigkeitsstudie für den Schweizer Markt ein Wachstum von 13% und stuft dieses damit knapp unter dem westeuropäischen Mittel von 14% ein. Wie sehen Ihre mittel- und langfristigen Wachstumsprognosen aus?
Die Deblockierung der KEV, kombiniert mit einem starken Preiszerfall, wird für die Jahre 2011-2014 ein deutliches Marktwachstum ermöglichen, allerdings pro Einwohner um etwa einen Faktor 15 tiefer als in Deutschland. Im Zeitraum 2015-2020 wird auch in der Schweiz die so genannte Netzparität eintreten, also der Punkt, bei dem Solarstrom vom eigenen Dach weniger kostet als der Strom ab der Steckdose. Dies wird den Markt nochmals massiv beleben.
«Beide Parlamentskammern haben beschlossen, die kostendeckende Einspeisevergütung auf der Stromrechnung per 2011 auf 0.9 Rappen pro Kilowattstunde zu erhöhen. Die Belastung für einen Durchschnittshaushalt liegt dadurch bei weniger als einer Tasse Kaffee pro Monat.» David Stickelberger, Geschäftsleiter Swissolar
Die Energieindustrie «litt» aufgrund der Rezession und fallender Energiepreise und investierte kaum noch. Dies führte im Winter 2009/2010 zu Stromunterbrüchen bei konventionellen Energieproduzenten in Osteuropa, ja sogar in England, Frankreich und Deutschland. In der Schweiz wurden zudem Rahmenbewilligungsgesuche für neue AKW zur Deckung von Energielücken eingereicht. Offensichtlich lohnt es sich immer noch nicht, im grösseren Stil auf alternative Energiequellen umzusteigen?&
?Die grossen Stromkonzerne setzen leider weiterhin primär auf Grosskraftwerke ? zum Glück vermehrt auch auf Windparks. Die dezentrale Produktion von Solarstrom widerspricht der Denkweise dieser Konzerne, und erfordert zugegebenermassen auch Investitionen in die Netzsteuerung, Stichwort smart grids. Doch mit der baldigen Netzparität von Solarstrom werden immer mehr Privathaushalte und Firmen ihren eigenen Strom produzieren. Die Gefahr droht, dass in einigen Jahrzehnten milliardenteure AKW herumstehen, die gar nicht mehr gebraucht werden. Solche Fehlinvestitionen sind rechtzeitig zu verhindern.
Wie hat sich die Rezession auf die Schweizer Solarindustrie ausgewirkt? Sieht die Industrie bereits wieder höhere Auftragseingänge?
Dank ihrer guten Positionierung konnten sich die Schweizer Firmen im schwierigen 2009 meist gut behaupten. Offenbar ist jetzt die Talsohle erreicht, weltweit wird 2010 mit einem Photovoltaik-Marktwachstum von 46% gerechnet. Die Prognosen für den europäischen Sonnenkollektoren-Markt ? diese Branche ist weniger globalisiert ? geben hingegen wenig Anlass für Optimismus. Doch hier gibt es einen soliden Heimmarkt.
Das beschränkte Binnenwachstum führte zur Erschliessung neuer Märkte, da in der Schweiz aufgrund der ausgebuchten Förderungs-Kontingenten der Kostendeckenden Einspeisevergütung blockiert wird, die seit dem 1. Januar 2009 in Kraft ist. So stehen in der Schweiz rund 5’000 Photovoltaikprojekte mit einer Gesamtleistung von rund 150 MW auf der Warteliste. Im Zuge der Kürzungen der Sparpolitik des Bundes kann jedoch kaum mit höheren Beiträgen des Bundes gerechnet werden. Oder sehen Sie ein Umdenken in Bern?
Moment, hier gibt es ein oft gehörtes Missverständnis! Die KEV wird nicht mit Bundesbeiträgen finanziert, sondern mit einem Aufschlag auf die Stromrechnung. Beide Parlamentskammern haben beschlossen, diesen per 2011 auf 0.9 Rappen pro Kilowattstunde zu erhöhen. Die Belastung für einen Durchschnittshaushalt liegt dadurch bei weniger als einer Tasse Kaffee pro Monat. Energieintensive Grossverbraucher haben zudem eine Sonderregelung. Also eine absolut tragbare Lösung. Der Entscheid zur Erhöhung zeigt, dass Politiker aus fast allen Parteien anerkannt haben, dass die Förderung der erneuerbaren Energien hohe Priorität hat. Wir würden uns allerdings noch mehr Entschlossenheit in dieser Sache wünschen.
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Führt die Sparpolitik des Bundes nicht zu einer Konzentration auf die Grossen der Branchen, bei der die innovativen und kleinen auf der Strecke bleiben?
Der Bund unterstützt Solarfirmen in der Regel nicht, deshalb gibt es auch keine Bevorzugung der Grossen. Allerdings ist die KEV so ausgelegt, dass Grossanlagen bei knappen Mitteln zuerst berücksichtig werden. Das führt zu einer Benachteiligung von Kleinanlagen auf Wohn- und Landwirtschaftsgebäuden. Eine ungedeckelte KEV wäre die sinnvollste Massnahme dagegen.
Eine Möglichkeit zur Förderung erneuerbaren Energie wäre auch die Einführung von verpflichtenden Produktionsquoten durch den Gesetzgeber in der Schweiz. Sehen Sie Bewegung in dieser Richtung?
Das Energiegesetz sieht diese Möglichkeit ab 2015 vor, und dies wäre eine sinnvolle Ergänzung der KEV, welche die Energieversorger stärker in die Pflicht nimmt. Diese könnten sich auf Grossanlagen konzentrieren, womit mehr KEV-Mittel für Kleinanlagen verfügbar wären.
Wie steht die Schweiz im internationalen Vergleich der drei Technologien der Solarenergien, wie der Photovoltaik, also der Erzeugung von elektrischem Strom aus Sonnenenergie, den Solarkollektoren und den solarthermischen Kraftwerken?
Photovoltaik: Eine starke Industrie und ein schwacher Heimmarkt. Sonnenkollektoren: Ein relativ starker Heimmarkt, konkret 2% des europäischen Markts, mit soliden mittelständischen Unternehmen, die den grössten Teil des Markts abdecken. Solarthermische Kraftwerke: Kein Markt in der Schweiz, aber einige innovative einheimische Zulieferer
Die jährlichen Wachstumsraten des Photovoltaik-Marktes bis 2012 liegen zwischen 45% und 50%. Überdurchschnittliches Wachstum versprechen die aussereuropäischen Märkte: China mit über 130% sowie Indien und die USA mit je 100% pro Jahr. Wie sind Schweizerischen Produzenten in diesen verheissungsvollen Märkten positioniert?
Der grösste Schweizer Solarkonzern Meyer Burger / Swiss Solar Systems deckt die gesamte Photovoltaik-Wertschöpfungskette ab und ist damit hervorragend positioniert ? gerade auch im asiatischen Markt. Auch Oerlikon Solar ist dort gut aufgestellt. Weitere Firmen decken wichtige Teilbereiche der Zulieferindustrie ab und gehören in ihren Bereichen zu den Marktführern.
«Die Massenproduktion von Modulen ist nicht die Stärke der Schweiz. Unsere Firmen liefern jedoch wichtige Komponenten, die es für diese Produktion braucht.»
Bei höherem Absatzpotential im Ausland locken auch tiefere Produktionskosten und Konjunkturförderungsprogramme außerhalb der Schweiz. Sehen Sie ein Abwandern der Produktion ins Ausland, insbesondere nach Asien?
Die Massenproduktion von Modulen ist nicht die Stärke der Schweiz. Unsere Firmen liefern jedoch wichtige Komponenten, die es für diese Produktion braucht. Der hohe Ausbildungsstand der Mitarbeiter und die Nähe zu wichtigen Forschungsstätten sind Vorteile, die klar für den Produktionsstandort Schweiz sprechen. Ein Negativpunkt ist allerdings der schwache Heimmarkt ? hier braucht es klare Signale der Politik, damit die nächsten Expansionsschritte der Solarfirmen hier stattfinden.
Wohin geht die Forschung in der Photovoltaik-Industrie? Mit was für neuen Produkten können wir in Zukunft rechnen?&
Geforscht wird in ganz unterschiedlichen Richtungen, z.B. Verbesserung der Wirkungsgrade sowohl bei konventionellen kristallinen Siliziumzellen als auch bei Dünnschichtzellen, Verwendung neuer Materialien wie organische Zellen, geringerer Materialeinsatz, vereinfachte Produktionsprozesse. Dadurch werden die Kosten von Solarstrom jährlich um 10% oder mehr sinken.
Ein wichtiger Trend ist sicher der stärkere Einsatz von gebäudeintegrierten Systemen: Solarmodule der Zukunft werden oft multifunktionale Fassaden- und Dachelemente sein, die nicht nur Strom produzieren, sondern auch den Witterungsschutz übernehmen. Das spart Geld und sieht erst noch gut aus.
Der Gesprächspartner:
David Stickelberger schloss seine Studien 1986 an der Universität Zürich mit dem Geographie-Diplom ab. 1987-1992 arbeitete er in einem Planungs- und Beratungsbüro für Umweltfragen, begleitend zu seinem Nachdiplomstudiengang für Unweltlehre ebenfalls an der Universität in Zürich. Nach der Leitung der Kampagne Klima und Energie von 1993-1998 bei Greenpeace Schweiz, wurde er Co-Geschäftsführer der Agentur für erneuerbare Engergien und Energieeffizient (AEE). Dieses Amt versah er von 1998-2007. Seit 1998 ist er Geschäftsleiter Swissolar, dem schweizerischen Fachverband für Sonnenenergie (früher: Arbeitsgemeinschaft für Solarenergie).
Das Unternehmen:
Am 15. November 2005 haben die beiden Verbände SOLAR (Schweizerischer Fachverband für Sonnenenergie) und Swissolar (Arbeitsgemeinschaft für Solarenergie) beschlossen, ihre Aktivitäten per 1.1.2006 zusammenzulegen. Der Fachverband SOLAR wurde am 25. Oktober 2002 in Bern gegründet und war ab dem 1. Januar 2003 operativ. Er setzte sich mit seinen Mitgliedern und Partnerorganisationen für ein nachhaltiges Wachstum der Sonnenenergiebranche ein. Der Sitz mit dem Sekretariat befand sich in Bern.
Hervorgegangen ist der Fachverband SOLAR aus dem deutschsprachigen SOFAS (Sonnenenergie Fachverband der Schweiz, gegründet 1978) und dem französischsprachigen PROMES (Association des professionnels Romands de l?énergie solaire, gegründet 1986). Die Arbeitsgemeinschaft Swissolar wurde 1994 als Dachorganisation im Bereich Solarenergie gegründet. Sie umfasste verschiedene Verbände aus den Bereichen Haustechnik, Energiewirtschaft und Solarenergie und wurde 1999 selbst zu einem Verein umgewandelt.