Michael Agoras, Country Manager Adecco Switzerland

Von Jolanda Lucchini


Herr Agoras, Ihre Branche spürt den Einbruch der globalen Konjunktur jeweils schnell, da Firmen als eine der ersten Sparmassnahmen temporäre Arbeitsverträge auflösen. Wie hoch war der Gewinneinbruch von Adecco Schweiz 2009?

Temporäre Mitarbeiter spüren Konjunktureinbrüche tatsächlich oft als Erste, weil Arbeitsverhältnisse nicht verlängert werden. Für Menschen mit geringer Qualifikation, bescheidenen Sprachkenntnissen und wenig Mobilität ist es dann schwierig, eine neue Anstellung zu finden. Im Bereich des Verleihs von temporären Mitarbeitern hat sich das Volumen der Arbeitsstunden unserer Associates dann auch um 30 Prozent reduziert. Im Bereich der Vermittlung von Festanstellungen haben wir es insofern zu spüren bekommen, dass eine Vermittlung länger dauerte und weniger oft zu Stande kam, wie noch in der ersten Jahreshälfte 2008.


Allerdings müssen wir nach Branche unterscheiden: Schwieriger wurde es für unsere Business Lines Industrial, Electro, Office & Administration, Watch Technology sowie Hotel & Catering. Dagegen liefen die Vermittlungen in den Bereichen Information Technology sowie Engineering sogar besser als im Vorjahr. Adecco Human Capital Solutions/Lee Hecht Harrison mit Dienstleistungen wie z.B. Outplacement, Replacement, Leadership Consulting sowie Workforce Solutions, hat sich antizyklisch verhalten und konnte im Jahr 2009 gute Ergebnisse erzielen.


Reden wir in Zahlen: Adecco musste 2009 weltweit einen massiven Einbruch des Reingewinns verzeichnen, er sank von 499 Mio. Euro im Vorjahr auf 8 Millionen Euro. Wie sah das Ergebnis in der Schweiz für 2009 aus?

Die kommunizierten Zahlen weisen für die Schweiz einen Betriebsgewinn von 22 Mio. Euro für das Gesamtjahr 2009 aus. Im Jahr 2008 erwirtschafteten wir einen Betriebsgewinn von 48 Mio. Euro, wir haben also auch einen Gewinnrückgang erfahren. Somit ist auch der Reingewinn betroffen, allerdings weniger ausgeprägt als auf Gruppenebene.


«Durch die Diversifikation unserer Dienstleistungen können wir Einbrüchen in einzelnen Sektoren begegnen.»


Sie gehen davon aus, dass dieses Jahr einerseits die Arbeitslosigkeit und Inflation zunehmen und andererseits die Konsumfreudigkeit sinken wird. Trotzdem rechnen Sie damit, dass Adecco Schweiz 2010 einen schnelleren Aufschwung als die übrige Wirtschaft verzeichnen wird. Wie begründen Sie dies?

Adecco ist nicht ausschliesslich ein Verleiher von temporären Arbeitskräften, sondern ein Anbieter von Human Resources Lösungen, die den gesamten Bereich des Working Life Cycles abdecken. Durch die Diversifikation unserer Dienstleistungen können wir Einbrüchen in einzelnen Sektoren begegnen. Zudem ist der Bereich der Temporärarbeit frühzyklisch, das heisst, wir spüren nicht nur die Krise zuerst, sondern auch den Aufschwung. Bevor sich dieser nämlich im Markt manifestiert hat, werden über temporäre Arbeitsmodelle erste erhöhte Auftragslagen abgefangen.


Sie sind ein entschiedener Gegner von Lohnkürzungen. Warum?

Aus zwei Gründen: Zum Einen ist es äusserst heikel seinen Mitarbeitern zu erklären, warum die gleiche Arbeit auf derselben Funktionsebene plötzlich weniger entlöhnt werden soll; was für ein Zeichen setzt der Arbeitgeber durch eine solche Massnahme? Ich versetze mich da in die Lage des Arbeitnehmers und kann nur zu gut verstehen, wenn dessen Arbeitsmoral und -motivation sinken, bis zum Punkt, an dem man den Mitarbeiter verliert. Zum anderen wird die Kaufkraft durch Lohnsenkungen noch weiter beschnitten, was für einen erhofften Aufschwung äusserst kontraproduktiv ist.


Noch Mitte 2009 plädierten Sie in einem Interview dafür, dass Entlassungen stets als der letzte Ausweg betrachtet werden soll. Als Alternative empfahlen Sie Lösungsmöglichkeiten wie Sabbaticals oder die freiwillige temporäre Arbeitszeitreduktion. In der Zwischenzeit mussten aber auch Sie Leute entlassen. Wie gingen Sie vor?

So rücksichtsvoll wie möglich und mit dem Bestreben, zu priorisieren: Wir haben genau evaluiert, wer eine Kündigung sowohl persönlich wie auch professionell verkraften kann. Als ersten Schritt haben wir alle internen Möglichkeiten von Sabbaticals oder freiwilligen Arbeitsreduktionen überprüft und ausgeschöpft. Diese Massnahme hat bereits, zusätzlich zu den «natürlichen» Abgängen, wesentlich zu einer Reduktion der FTE?s beigetragen. In einem zweiten Schritt haben wir unsere Organisation und Strukturen überprüft und entsprechend gehandelt, um den zukünftigen Marktbedürfnissen gerechter werden zu können.


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Die erwerbstätige Bevölkerung ist immer besser qualifiziert. Im 2. Quartal 2009 waren gemäss Schweizerischer Arbeitskräfteerhebung SAKE 33 % der Arbeitskräfte in der Schweiz im Besitz eines Abschlusses auf tertiärer Stufe, vor fünf Jahren waren es 27 %. Welche Auswirkung hat diese Entwicklung auf Ihre Branche?

Wir verfolgen diesen Wandel und richten uns entsprechend darauf aus. Wichtig ist, dabei zu berücksichtigen, dass die Anzahl von Menschen mit einer Hochschulausbildung so massiv angestiegen ist, dass das Verhältniss in einigen Bereichen des Arbeitsmarktes ungesunde Züge annimmt. Etwas provokativ kann demzufolge eine zunehmende friktionelle und/oder strukturelle Arbeitslosigkeit festgestellt werden. Ich denke da vor allem an die Betriebs- und Geisteswissenschaften.


Die stetige Nachfrage nach qualifizierten Spezialisten hat Adecco Schweiz dazu bewogen, 2010 einen neuen Geschäftsbereich «Life Sciences» zu lancieren. Welches sind die Schlüsselfaktoren für den marktspezifischen Erfolg? Und welche Ziele haben Sie sich gesetzt?

Die Schlüsselfaktoren zum Erfolg sind vor allem genaue Marktkenntnisse. Wir kennen die Anliegen und Bedürfnisse der Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer der jeweiligen Branche genau. Alle unsere Consultants sind ausgewiesene Spezialisten und kennen die «Life Sciences»-Branche aus persönlicher Berufserfahrung. In der Zusammenarbeit mit diesen Experten werden so optimale Lösungen für sämtliche Herausforderungen im Bereich der Human Resources geboten. Entsprechend wollen wir auch unseren Pharma- und Bio-Tech-Kunden sämtliche Aspekte des Working Life Cycle aus einer Hand anbieten. Bei der Umsetzung dieser komplexen HR-Prozesse kann Adecco Life Sciences sowohl auf eine starke lokale Verankerung im Schweizer Markt als auch auf ein weltweites Netzwerk zurückgreifen.


«Alle unsere Consultants sind ausgewiesene Spezialisten und kennen die «Life Sciences»-Branche aus persönlicher Berufserfahrung.»


Inwiefern beeinflusst die demografische Entwicklung die anderen Geschäftsfelder von Adecco?

Die demografische Entwicklung fordert und betrifft sämtliche Unternehmungen. Alleine schon das Bewusstsein, dass ein solcher Wandel stattfindet, schafft für Mitarbeiter und Unternehmen enorme Chancen. Somit können wir davon ausgehen, dass sämtliche Geschäftsfelder von Adecco gleichermassen davon betroffen sind.


Wie sieht die Altersstruktur der vermittelten Personen aus?

Der Anteil der 45+ nimmt aufgrund der demografischen Entwicklung seit Jahren zu und beläuft sich bei uns auf ca. 14 Prozent im Verleihgeschäft. Das grösste Segment stellen jedoch die 19 bis 25-Jährigen dar, welche 34% ausmachen.


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Schweizer Arbeitnehmende schätzen gemäss HR-Barometer die eigene Bereitschaft zu Mobilität hoch ein. Kommt es aber darauf an, dies in die Tat umzusetzen, sieht es anders aus. Wie mobilitätsfreundlich sind die Kandidatinnen und Kandidaten bei Adecco?

Die Mobilität steht in einer klaren Korrelation zur Arbeitsmarktsituation. Im Moment sprechen wir von einem Arbeitgebermarkt (mehr Arbeitnehmende auf dem Markt als offene Vakanzen) und somit steigt automatisch die Mobilität der Suchenden. Grundsätzlich kann man jedoch feststellen, dass die Mobilität in den letzten Jahren stetig zugenommen hat.


Die Bedeutung der Teilzeitarbeit nimmt seit Jahren zu. 2008 arbeiteten rund ein Drittel der Erwerbstätigen teilzeitlich, der Grossteil davon (79 %) sind nach wie vor Frauen. Gemäss SAKE möchte zudem eine halbe Million der jetzt Vollzeit-Arbeitenden lieber Teilzeit arbeiten, darunter 298 000 Männer. Inwiefern spüren Ihre Personalberater diesen Trend an der Front?

Der Verleih von Temporärpersonal hat die Flexibilisierung der Arbeitsressourcen als Basis. Somit steht das Vollzeitpensum beim Bedarf an Temporärmitarbeitern im Vordergrund. Grundsätzlich kann ich den Trend nach vermehrter Teilzeittätigkeit bestätigen. Willkommen ist dieser Trend auch deshalb, weil ich davon überzeugt bin, dass er zur Verbesserung der Work-Life-Balance beiträgt.


«Die Mobilität steht in einer klaren Korrelation zur Arbeitsmarktsituation.»


In Zusammenarbeit mit dem Stellenmarkt-Monitor Schweiz (SMM) am Soziologischen Institut der Universität Zürich veröffentlicht Adecco viermal jährlich den Adecco Swiss Job Market Index. Hat sich die Verlangsamung des Stellenangebot-Rückgangs fortgesetzt?

Ja, die Stabilisierung hat sich fortgesetzt, der Stellenmarkt hat zum ersten Mal seit 18 Monaten nicht weiter abgenommen. Das ist ein erfreuliches Zeichen, allerdings sind die Entwicklungen in den Sprach- und Grossregionen sehr unterschiedlich, so dass man noch nicht von einem umfassenden Aufschwung auf breiter Basis sprechen kann.


Eine Frage, die Sie als Human Ressource Spezialist sicherlich problemlos beantworten werden: Wenn Sie sich heute auf Ihren CEO Posten bewerben müssten, wie würden Sie ihre Stärken benennen? Wo sehen Sie noch Verbesserungspotential?

Beharrlichkeit, Mut und emotionale Intelligenz. Verbesserungspotential sehe ich überall, jedoch im Wesentlichen in der Nachhaltigkeit der von uns lancierten Aktivitäten.


Ihr Lieblingsbuch ist eine dreiteilige Biografie über Alexander den Grossen. Ein Vorbild?

Alexander der Grosse ist in diesem Sinn kein Vorbild für mich. Aber er inspiriert und motiviert mich und zeigt mir auf, dass wenn man etwas wirklich will, es auch eintreffen wird.





Der Gesprächspartner:
Michael Agoras, 42, ist in Männedorf (ZH) aufgewachsen, wo er auch die Schulen besucht hat. Nach der Ausbildung zum Maschinenmechaniker folgten Weiterbildungen zum technischen Kaufmann, zum Marketingplaner und schliesslich zum Verkaufsleiter. 1989 startete er seine Karriere im Personaldienstleistungssektor: Er stieg bei der ADIA-Interim-Filiale in Wetzikon als Personalberater ein. 1991 wurde er Filialleiter in Wetzikon, danach Filialleiter der Branch Winterthur, schliesslich Leiter und Koordinator der Ostschweizer Filialen von ADIA Interim. 1995 war er für das Business Development der Deutschschweiz verantwortlich. 1996 wurde er zum Regionaldirektor Ostschweiz von Adecco berufen, 1999 zum Kommerziellen Direktor der Deutschschweiz. Seit Juli 2002 ist Michael Agoras verantwortlich für Adecco Switzerland. Michael Agoras ist griechischer Abstammung und Vater zweier Kinder.


Die Unternehmung:
Adecco Switzerland ist der führende Personaldienstleister im Bereich Working Life Cycle der Schweiz mit einer mehr als 50-jährigen Erfahrung auf diesem Gebiet. Das Unternehmen beschäftigt über 450 interne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ist schweizweit mit mehr als 100 Geschäftsstellen an über 50 Standorten vertreten. Mit 40’000 temporären Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist Adecco Switzerland einer der grössten Arbeitgeber des Landes. Adecco Switzerland gehört zur weltweit tätigen Adecco Group.


 


 

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